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# taz.de -- taz 🐾 thema: „Irgendwas blüht immer“
> Deutsche Bioimker müssen viele Auflagen beachten, denn Bienen halten sich
> nicht an Flugverbotszonen. Immer mehr Biohonig kommt deshalb aus
> Stadtimkereien
Bild: Zwischen konventionell und ökologisch bewirtschafteten Zielen unterschei…
Von Michael Pöppl
Honig ist eines der ältesten verarbeiteten Lebensmittel. Schon sehr früh
sammelten unsere Vorfahren das süße Gold, das sie aus den Stöcken der
Wildbienen raubten, das zeigen jungsteinzeitliche Höhlenmalereien. Die
eigentliche Imkerei begann wohl um 7000 vor Christus in Ägypten. Dort
wurden Hieroglyphen gefunden, die Imker bei der Arbeit an Bienentöpfen
zeigen. In den antiken griechischen und römischen Kulturen galt Honig als
Götterspeise, der Arzt Hippokrates empfahl Honig als Heilmittel gegen
Husten und Fieber, aber auch bei Gicht und als Salbe bei Verletzungen. Die
Zeidler des Mittelalters, die trickreich in den Wäldern den Honig der
wilden Bienen sammelten, waren eine angesehene Zunft. Honig war in Europa
lange das wichtigste Süßmittel, bis das Zuckerrohr aus Übersee die
europäischen Märkte eroberte.
Mensch und Biene lebten also seit Jahrtausenden Seite an Seite, doch nun
scheint es, als sei das Gleichgewicht nachhaltig zerstört. Im Frühjahr 2014
meldete die baden-württembergische Landesanstalt für Bienenzucht in
Hohenheim, dass bis zu 30 Prozent der Bienenvölker im Land den Winter nicht
überlebt hatten. Hauptverursacher des Bienensterbens, so die Forscher, war
die Varroamilbe, die sich nachweislich über den Import asiatischer Bienen
inzwischen in ganz Europa verbreitet hat, ein gefährlicher Parasit, der
ganze Bienenvölker ausrotten kann. Dazu kommt ein Mix aus Umwelteinflüssen,
der nicht nur Bienen, sondern auch viele andere Insekten gefährdet. Der
massive Einsatz von Pestiziden und Herbiziden in der industrialisierten
Landwirtschaft eliminiert nicht nur Schädlinge auf den Feldern und in den
Obstplantagen, sondern auch Nützlinge wie Vögel und Bienen. Die wachsenden
Monokulturen verringern dazu die Erntezeit für die Bienen und verringern
die Artenvielfalt der Insekten und deren Widerstandsfähigkeit. Das massive
Insektensterben gefährdet nicht nur die Arbeit und das Einkommen der Imker.
Langfristig geht es auch um die Ernährung der Menschen, denn ohne Bienen
und andere Insekten findet auch keine Bestäubung der Pflanzen mehr statt.
Viele Imker reagieren auf diese Bedrohungen damit, dass sie sich auf
biologische Honigproduktion spezialisieren. Um das begehrte Biosiegel zu
erhalten, müssen sich die Bienenzüchter allerdings an zahlreiche Vorgaben
halten. Neben der Haltung der Bienen in naturnahen „Beuten“ aus Holz, Stroh
und Lehm ist dabei auch eine natürliche Behandlung gegen die Varroamilbe
vorgeschrieben, dafür wird zum Beispiel verdünnte Ameisensäure verwendet.
Zur Winterfütterung darf nur Zucker aus ökologischem Anbau verwendet
werden. Bioimker auf dem Land arbeiten meist eng mit Landwirten zusammen,
die sich dem ökologischen Landbau verschrieben haben oder sind selbst
Biobauern. Die Stöcke stehen also da, wo die Bienen reichlich und
abwechslungsreiche „Tracht“, also Nahrung finden, am besten über die ganze
Blühsaison weg. Andere Bioimker stellen im Takt der Blühsaison mobile
Bienenwagen an ungefährliche Trachtgebiete, zum Beispiel auch Waldränder,
die mit hoher Wahrscheinlichkeit giftfrei sind.
Doch der Radius von Honigbienen reicht bis zu fünf Kilometern. Ob Felder
und Bäume, die sie anfliegen, konventionell oder ökologisch bewirtschaftet
werden, interessiert die Tiere logischerweise nicht. Das erfordert vom
Bioimker vorausschauende Planung beim Aufstellen der Bienenstöcke sowie
eine umfassende Kenntnis der Region. „Wir bestimmen sozusagen
Flugverbotszonen für die Bienen, das sind zum Beispiel die Nähe von großen
Obstplantagen oder auch Felder bei Mülldeponien“, sagt Züchter Mark-Wilhelm
Kohfink, der im ländlichen Berliner Stadtteil Kaulsdorf lebt. Er stammt aus
einer alten Imkerfamilie, sein Urgroßvater hat bereits um 1890 Bienen in
Palästina gezüchtet und das Imkern bei seiner Rückkehr in die alte Heimat
mitgebracht. Kohfinks „Imkerei am Pflanzgarten“ ist seit 2007 ein
„Bioland“-Betrieb, er hält rund 120 Bienenvölker, einen Großteil davon in
Kaulsdorf zwischen Volkspark Wuhlheide, Kleingärten und Einfamilienhäusern.
Doch auch mitten in der Großstadt hat der rührige Imker seine Stöcke
aufgestellt, zum Beispiel auf dem Scandic Hotel am Potsdamer Platz, wo
zugleich der Honig für die Gäste des Hauses produziert wird.
Das „Stadtimkern“ ist weltweit ein interessantes Phänomen, schon Ende der
1970er-Jahre, so das Webportal „Deutschland summt“, gab es erste einzelne
Bienenstöcke auf Hochhausdächern nahe dem New Yorker Central Park. Seit
ungefähr zehn Jahren gibt es in der deutschen Hauptstadt auch einige
Profiimker, die im Stadtgebiet Biohonig produzieren. Johanna Trenkelbach
hat ebenfalls familiären Imker-Hintergrund, schon als Kind war sie
fasziniert von den Bienen ihres Opas. Sie startete 2011 mit zwei
Bienenstöcken im eigenen Garten, als sie nach Hermsdorf im Norden Berlins
zog. „Hier in der Nachbarschaft gab es keine Bienen“, erzählt sie im
Gespräch. Heute betreut die Imkerei „Fließgold“, die sie mit Unterstützu…
ihrer ganzen Familie betreibt, rund 100 Bienenstöcke im ganzen Stadtgebiet
und im nahen Umland, die Standorte reichen vom nachhaltig bewirtschafteten
und bepflanzten Golfplatz am Wannsee bis zum Bankenhochhaus am
Alexanderplatz. Mindestens einmal die Woche sind die Imker vor Ort und
schauen nach den Bienen.
Der Aufwand lohnt sich, neben dem Verkauf ab Haustüre und über den
Online-Shop beliefert Fließgold Hotels und Geschäftskunden mit Honig, auch
Bienenwachsprodukte gehören zum Sortiment. Ein wichtiger Aspekt der
Bioimkerei sei die Kontrolle, so Trenkelbach, nicht nur die Qualität des
Honigs wird regelmäßig auf Rückstände untersucht. Auch das Bienenwachs wird
überprüft, dort setzen sich Pflanzengifte, die die Tiere in den Stock
gebracht haben, noch deutlicher ab. Man könne zwar nie ausschließen, dass
die Bienen schädliche Stoffe aufnehmen und in den Stock bringen, aber
bisher seien alle Untersuchungsergebnisse negativ gewesen, sagt
Trenkelbach. Der Einsatz von Pestiziden sei im Stadtgebiet eben viel
seltener als im brandenburgischen Umland, wo viele große konventionelle
Agrarbetriebe arbeiteten. Zudem finden die Tiere in der Großstadt fast
ganzjährig Nahrung: „Das geht mit den Frühblühern im März los, dann blüh…
die Robinien, später im Juni kommen die Linden dazu“, sagt Trenkelbach.
„Die Bienen bedienen sich aber auch gern an den vielen Balkonblüten der
Großstädter. Irgendetwas blüht fast immer“.
Imkerei Fließgold Berlin: www.fliessgold.de
Imkerei am Pflanzgarten: www.imkerei-kohfink.de
13 Feb 2019
## AUTOREN
Michael Pöppl
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