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# taz.de -- Vergessene Avantgarde
> Der Diskussionsabend in der Rosa-Luxemburg-Stiftung über die „Frauen in
> der Novemberrevolution“ zeigte, wie stark der Beitrag der Frauen
> verdrängt wird
Von Inga Barthels
Es ist die Zeit der großen Jubiläen. Vor hundert Jahren war die
Novemberrevolution im vollen Gange, gleichzeitig fand die Wahl zur
Deutschen Nationalversammlung statt, an der erstmals mit aktivem und
passivem Wahlrecht auch Frauen teilnehmen durften. Bei den Festakten und
Veranstaltungen zu den Ereignissen geht es oft um die Aufstände der
Arbeiter und die bürgerliche Frauenbewegung. Doch welche Rolle spielten
eigentlich die arbeitenden Frauen und Hausfrauen in der Novemberrevolution?
Dieser Frage gehen am Dienstagabend Dania Alasti, Doktorandin der
Philosophie an der Freien Universität, und Gisela Notz, Historikerin,
Sozialwissenschaftlerin und Herausgeberin des Bandes „Wegbereiterinnen“
über vergessene Frauen der Geschichte bei einer Veranstaltung in der Hellen
Panke nach. Alasti hatte eigentlich vor, über das Frauenwahlrecht zu
arbeiten, wie sie erzählt. Bei ihren Nachforschungen stieß sie immer wieder
auf Quellen, die die zahlreichen Aktivitäten von Frauen während des Ersten
Weltkriegs belegten. Diese, so Alastis These, bereiteten die
Novemberrevolution maßgeblich vor. Ergebnis ihrer Forschung ist das Buch
„Frauen der Novemberrevolution. Kontinuitäten des Vergessens“, in dem sie
die historischen Fragmente zusammenträgt. Das größte Problem dabei sei die
Anonymität der agierenden Frauen gewesen, häufig arbeitende Frauen in
Städten, die politisch unorganisiert waren und keine klassische Bildung
genossen hatten.
## Die politisierten Frauen der Arbeiterinnenschicht
Gisela Notz sieht die Wurzel dieser Problematik darin, dass Männer häufig
über Männer forschen und bürgerliche Frauen über bürgerliche Frauen. Über
Arbeiterinnen und Hausfrauen sei daher bis jetzt nur sehr wenig bekannt.
„Rosa Luxemburg darf nicht die einzige Frau bleiben, über die man spricht“,
sagt Notz. Sie erwähnt Clara Zetkin, Luise Zietz und Anna Nemitz als Frauen
aus der Arbeiterschicht, die sich in Deutschland politisch engagiert haben.
Die patriarchalen Strukturen seien im Ersten Weltkrieg durch den Anstieg
der Frauenarbeit ins Wanken geraten, erzählt Alasti. Frauen verfügten über
das Familieneinkommen und zunehmend auch über ihre eigenen Körper, was sich
an der Verbreitung von Verhütungsmitteln zeigte. Während in den
bürgerlichen Frauenbewegungen ein Streit darüber entfacht war, ob der Krieg
unterstützt oder abgelehnt werden sollte, nahmen Arbeiterinnen und
Hausfrauen an Ausschreitungen, Demonstrationen und Streiks teil. Viele
Hausfrauen seien etwa an Hungerkrawallen beteiligt gewesen, weil sie zu
Hause für die Ernährung ihrer Familie zuständig waren. Spontan entstanden,
werden diese Krawalle häufig als unpolitisch eingeschätzt, doch Alasti
sieht in ihnen eine Destabilisierung der staatlichen Ordnung und somit
Vorbereitung der Novemberrevolution. Auch Streiks wurden während des Ersten
Weltkriegs entschlossen von Arbeiterinnen geführt, vorwiegend aus
ökonomischen Gründen und im Kampf gegen die extrem schlechten
Arbeitsbedingungen, aber auch mit politischen Forderungen verbunden, etwa
nach Frauenwahlrecht oder Beendigung des Krieges.
Mit der Rückkehr der Männer nach dem Krieg folgte auch die Rückkehr in
patriarchale Strukturen. Indem Frauen damals aus der politischen
Meinungsbildung gewaltsam ausgeschlossen wurden, wo sie während des Krieges
so aktiv waren, wurde ein riesiges politisches Potenzial verschenkt, da
sind sich Alasti und Notz einig. Alasti beschreibt die große Solidarität
zwischen Frauen, insbesondere den arbeitenden Frauen, während des Ersten
Weltkriegs. „Daraus ist wirklich viel zu lernen“, sagt sie. Ein erster
Schritt dazu sind Forschungsarbeiten wie die von Dania Alasti und Gisela
Notz, die die vergessenen kämpferischen Frauen von damals ins öffentliche
Bewusstsein zurückholen.
31 Jan 2019
## AUTOREN
Inga Barthels
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