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# taz.de -- nord🐾thema: Es muss nicht immer Streik sein
> Im Kampf um mehr Gehalt oder bessere Arbeitsbedingungen setzen
> Unternehmen und Gewerkschaften immer noch zu wenig auf Mediation. Dabei
> ließen sich mit diesem Verfahren wirtschaftliche Schäden vermeiden und
> Eskalationen verhindern
Bild: ... aber manchmal eben doch: Mitarbeiter*innen des Hamburger Flughafens b…
Von Florian Maier
Wenn Arbeitskämpfe eskalieren, können sie viel Zeitaufwand, hohe Kosten und
Imageschäden bei den Konfliktparteien verursachen. Aber es geht auch
anders: Mit mehr Verhandlungsgeschick und dem Einsatz von Mediator*innen
könnten diese negativen Auswirkungen vermieden werden. Mediation – ein
strukturiertes und vor allem freiwilliges Verfahren, um Konflikte
beizulegen – gilt als eine Alternative zu Streiks, die weniger
volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet. Beteiligte Parteien versuchen mit
Hilfe von Mediator*innen zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu kommen. Ziel
ist es, zu einem Kompromiss zu gelangen, der allen Bedürfnissen entspricht.
Dabei ist die Mediator*in aber keinesfalls in einer
Schiedsrichter*innenrolle. Sie soll kein Urteil fällen, sondern beiden
Parteien helfen, zu kommunizieren und in einen Dialog zu treten. Genau hier
liegt der Unterschied zu einer schlichtenden Person. Wo Heiner Geißler bei
den Stuttgart-21-Verhandlungen die erhabene weise Lichtgestalt gab, die
über Recht und Unrecht entscheiden kann, ist der*die Mediator*in eher
Gesprächsvermittler*in. „Im Gegensatz zum Schlichter macht der Mediator
keine eigenen Vorschläge“, so Kerstin Blome, Mediatorin aus Bremen.
Die Mediator*in macht weder inhaltliche Vorschläge, noch fällt sie Urteile.
Eher beruhigt sie die Verhandlungsatmosphäre. Die Mediation setzt viele
Ebenen früher ein als ein Warnstreik. Das Eskalationsrisiko wird so
deutlich minimiert. Der Mediator Onno Spannhoff bestätigt das: „Zu Beginn
einer Mediation wird sich darüber geeinigt, wie das Verfahren ablaufen
soll. Oft sind auch Einzelgespräche hilfreich. Als Mediator versucht man
dann Überschneidungen zu finden. Meistens handelt es sich nämlich nicht um
Entweder-oder-Fragen.“ So lasse sich im späteren Verlauf einfacher ein
Konsens finden.
Um Qualität in Mediationen zu gewährleisten, verabschiedete der Bundestag
2012 das Mediationsgesetz. In diesem wird geregelt, welche Aufgaben
Mediator*innen übernehmen sollen und wie eine Mediation abläuft. Zusätzlich
wird die Ausbildung von Mediator*innen mittlerweile durch Fortbildungen
geregelt, die an Bildungseinrichtungen wie der Universität Bremen oder der
Universität Hamburg angeboten werden. Im Zentrum stehen Kommunikation oder
Verhandlungstechniken. In diversen Fallbeispielen werden diese Methoden
geübt und verinnerlicht.
Berichterstattung bislang rar
In Tarifverhandlungen ist die Berichterstattung über die Lösung von
Konflikten durch Mediation bisher dünn gesät. Dies allerdings sei gerade
einer der Vorteile der Mediation, sagte etwa Jörg Risse, Professor für
Verhandlungsführung und -management, in einem Interview mit der Südwest
Presse. Nur die beteiligten Parteien wüssten Bescheid, dass eine
Mediator*in eingesetzt werde. Anders als eine Schlichtung sei die Mediation
gesichtswahrend, denn die Mediator*innen sind an Vertraulichkeit gebunden.
Spannhoff bestätigt Risses Aussagen: „Schlichtungen oder Gerichtsverfahren
finden meist öffentlich oder halböffentlich statt. Mediationen sind völlig
vertraulich. Firmen und Gewerkschaften verwenden diese, weil so Ruf- oder
Ansehensschädigung vermieden werden kann.“ Auch wenn nicht oft darüber
berichtet werde, werde Mediation häufig auch in Tarifverhandlungen
angewendet. Gerade große Unternehmen unterhielten mittlerweile oft eigene
Mediator*innen.
Der Volkswirtschaftler Hagen Lesch beschreibt in einem Kurzbericht für das
private Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Akzeptanz von Mediation
in Tarifkonflikten in Deutschland allerdings als begrenzt. Denn beide
Seiten müssten freiwillig auf Optionen verzichten, gerade für
Arbeitgeberverbände bedeute das aber, dass sie Zugeständnisse anbieten
müssten, die sie sonst nur im Falle von Streiks und Arbeitskämpfen machen
würden.
„Mediationen sind natürlich kein Allheilmittel“, bestätigt Spannhoff, „…
gerade in Tarifstreitigkeiten sind die Parteien darauf angewiesen, auch
künftig miteinander klarzukommen.“ Die Mediation helfe dabei. Die Parteien
versuchten einen Konsens zu finden, Verhärtungen für zukünftige Konflikte
würden so minimiert. Streiks wiederum beförderten Verhärtungen.
Auch Blome betont: „Es ist klar, dass nicht jeder Konflikt durch Mediation
gelöst werden kann.“ Gerade wenn beide Parteien schon sehr verhärtete
Ansichten haben, sei es schwer, eine Einigung zu finden. Den besten Erfolg
hätten Mediationen dann, wenn ein grundsätzlicher Wunsch zur Einigung
vorhanden ist. Zugleich sei ein Abbruch der Mediation jederzeit möglich, da
es sich um ein grundsätzlich freies Verfahren handelt.
„Andere Maßnahmen wie Schlichtung oder Gerichtsverfahren können danach
immer noch eingeleitet werden“, so Spannhoff. Grundsätzlich sei aber die
Mediation der günstigere und schnellere Weg, da die Mediation nicht an
Fristen oder Termine geknüpft sei: „Die Erfahrung zeigt, dass es dadurch
meistens schneller geht.“ Dabei komme es aber auch immer auf den Einzelfall
an, geben beide Mediator*innen zu bedenken.
Zusätzlich sei die Kostenaufteilung deutlich fairer geregelt. „Der Standard
ist, dass die Kosten zur Hälfte vom Unternehmen und zur anderen Hälfte von
der Gewerkschaft bezahlt werden“, sagt Spannhoff, „aber auch das ist ein
Verhandlungspunkt, der am Anfang der Mediation geklärt wird.“ Das spare für
alle Beteiligten im Gegensatz zur Arbeitsniederlegung viel Geld.
Mediation hat also viele Vorteile gegenüber einem herkömmlichen Streik:
Pendler*innen würden sich nicht mehr über ausgefallene Züge aufregen;
Reisende würden sich nicht mehr über lange Aufenthalte an Flughäfen
beschweren; und Eltern verfluchten nicht mehr die Kindergärtner*innen.
19 Jan 2019
## AUTOREN
Florian Maier
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