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# taz.de -- Das Ende der Selbstzerfleischung
> Vor acht Jahren gründete sich der Bundesverband der Vietnamesen in
> Deutschland. Der Verein blieb unsichtbar – und zerlegte sich in
> Streitigkeiten. Nun wurde der Verband wegen Insolvenz aufgelöst
Bild: Die vietnamesische Botschaft in Berlin: Hier wurden die Strippen des Bund…
Von Marina Mai
Im Dezember war Schluss. Per Beschluss löste das Amtsgericht
Berlin-Charlottenburg den Bundesverband der Vietnamesen in Deutschland auf.
Grund war die fehlende Zahlungsfähigkeit. Schon zuvor allerdings hatte der
Verein eine einzigartige Historie an Selbstzerfleischung und Klagewut
hingelegt. Nun war das Ende besiegelt.
Das bisweilen bizarre Auftreten des Vereins steht im diametralen Gegensatz
zur eher unscheinbaren Rolle, die dieser in der deutschen Gesellschaft
spielte. Zu Bundeskongressen von Migrantenorganisationen waren zwar
Vereinsvertreter körperlich anwesend. Aber in politischen Debatten fehlte
die Stimme des 2011 gegründeten Vereins völlig.
Dabei bezog dieser zeitweilig sogar Fördermittel des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge. Das einzige Thema, mit dem er sich indes
regelmäßig zu Wort meldete, waren Territorialstreitigkeiten um Inseln im
Südchinesischen Meer zwischen China und Vietnam. Da vermochte es der
Verband, 1.000 Anhänger für Kundgebungen in Berlin zu mobilisieren.
Die Gründung des Bundesverbands der Vietnamesen 2011 war eine Kopfgeburt,
bei der die vietnamesische Botschaft Geburtshilfe leistete. Es sollte ein
Dachverband für vietnamesische Vereine sein, ein Ansprechpartner der
Botschaft für die vietnamesische Gemeinde in Deutschland. Das hatte mehrere
Monate zuvor ein Botschaftsvertreter in der Fachhochschule Potsdam erklärt.
Ähnliche Kopfgeburten gab es zeitgleich in anderen europäischen Staaten.
Doch gerade beim Thema Vietnampolitik ist die vietnamesische Gemeinde tief
gespalten. Die Bootsflüchtlinge, die nach dem Kriegsende 1975 aus
politischen Gründen in die Bundesrepublik flohen, stehen der Regierung in
Hanoi mehrheitlich scharf ablehnend gegenüber und würden sich nie unter
einem von der Botschaft gelenkten Dachverband versammeln.
Viele ehemalige DDR-Vertragsarbeiter hingegen orientieren sich bis heute
kulturell, sprachlich und oft auch politisch an Hanoi. Die Vertreter der
zweiten Generation aus beiden Gruppen wiederum sind oft hervorragend in die
deutsche Gesellschaft integriert und sehen vietnamesische Politik nicht als
wichtiges Thema für sich.
Doch Hanoi wollte über einen Dachverband positive Stimmen aus dem Ausland
zu innenpolitischen Themen organisieren und die Migranten darauf
einschwören, ihr Geld in Vietnam anzulegen. Hochschulabsolventen aus dem
Ausland sollten zudem im Familienverband nach Vietnam zurückkehren. Das
sollten die Dachverbände organisieren. Zudem sind zahlreiche vietnamesische
Unternehmer bei Import-Export-Geschäften oder bei der Kundensuche direkt
und indirekt vom Wohlwollen Hanois abhängig. Ein Engagement in dem
Dachverband konnte sich positiv auf ihr Unternehmen auswirken.
Vereinsvorsitzender war Van Thoai Nguyen, ein Mathematikprofessor aus Trier
und in Vereinsarbeit unerfahren. Er merkte schnell, dass die Botschaft im
Hintergrund die Strippen zog und an ihm lediglich sein akademischer Titel
interessant war. Er wehrte sich dagegen, sich als letztlich einflussloses
professorales Feigenblatt missbrauchen zu lassen.
Und immer wieder fiel der Verein mit großer Klagewut auf – die den Verein
letztlich in den Ruin trieben, weil Gerichtskosten nicht mehr beglichen
werden konnten. Mitglieder hatten den Verein wiederholt erfolgreich wegen
formaler Fehler bei Einladungen zu Versammlungen und Wahlakten verklagt.
Warum, das wird von den Akteuren unterschiedlich dargestellt.
Fakt ist: Mitglieder waren sowohl Einzelpersonen als auch Vereine. Das
machte es schwierig zu entscheiden, wer genau stimmberechtigt war. Van
Thoai Nguyen verwies auf einen Fall vom Oktober 2014. Damals habe die
damalige Botschafterin von ihm verlangt, eine Mitgliederversammlung zu
verschieben. „Begründung: Es sei nicht genug Zeit zur Vorbereitung.“ Er
habe das Ansinnen abgelehnt, so Nguyen. Weil die Versammlung bereits
öffentlich gemacht wurde und ihre Vorbereitung nicht Aufgabe der Botschaft
sei. „Da lud die Botschafterin Mitglieder zu einer Zusammenkunft in die
Botschaft ein. Genau die Leute, die dort zusammenkamen, haben uns im
Anschluss verklagt.“
Eine Klägerin ist die Sozialarbeiterin Hai Bluhm aus Potsdam. Sie stellt es
anders dar: „Der Professor hatte keine Erfahrungen mit der Vereinsarbeit.
Er hat den Verein autoritär geführt und immer wieder Mitglieder
ausgeschlossen, beispielsweise wegen Beitragsschulden. Dadurch sind die
Wahlen nicht korrekt abgelaufen. Die Vereinsarbeit war insgesamt nicht
transparent.“
Den unkorrekten Ablauf von Wahlen stellte das Gericht schließlich fest. Den
Vorwurf der fehlenden Transparenz weist Ex-Vereinschef Nguyen ebenso zurück
wie seine Widersacherin Bluhm den Vorwurf der Fernsteuerung der Klagen
durch die vietnamesische Botschaft. Die jahrelange Selbstzerfleischung
führte indes zu einer völligen Lähmung der inhaltlichen Arbeit des
Verbands. Seine Abstinenz dürfte deshalb nicht auffallen.
Die Erfahrung etwa türkischer Vereine zeigt, dass sie dann stark sind, wenn
sie sich um Themen in Deutschland kümmern und es vermögen, unterschiedliche
Positionen zur Politik ihres Herkunftslandes nicht im Verein auszutragen.
Dem Bundesverband der Vietnamesen gelang dies gerade nicht. Bisher ist eine
Neugründung nicht geplant.
31 Dec 2018
## AUTOREN
Marina Mai
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