# taz.de -- Im Pressefreiheitsranking auf Platz 15 | |
> Die monatliche „Talkshow aus der Zukunft“ im Podewil behandelt Themen, | |
> die schon 1918 die Menschen bewegten und noch immer auf der Tagesordnung | |
> stehen. Jetzt hieß es: „Informiert euch! 1918 – 2018 – 2038“ | |
Von Inga Barthels | |
Es sind keine leichten Zeiten für die deutsche Presse. Schlagwörter wie | |
„Staatsfunk“ und „Lügenpresse“ sind auf jeder Pegida- oder AfD-Kundgeb… | |
zu hören, einige Teile der Bevölkerung scheinen das Vertrauen in die Medien | |
gänzlich verloren zu haben. Dass ein renommierter Spiegel-Reporter wie | |
Claas Relotius systematisch Fakten erfand, macht die Sache nicht besser. Im | |
internationalen Pressefreiheitsranking liegt Deutschland nur auf Platz 15, | |
was unter anderem an Drohungen und Angriffen gegen Journalist*innen liegt. | |
Gleichzeitig stehen insbesondere Printzeitungen vor der Herausforderung, | |
wie sie mit dem Internet als Informationsquelle umgehen sollen. | |
Auch vor 100 Jahren steckte die Presse in der Krise, wenn auch nicht wegen | |
sozialer Medien. In der derzeit monatlich stattfindenden „Talkshow aus der | |
Zukunft“ im Kulturzentrum Podewil geht es um Themen, die 1918 die Menschen | |
bewegten und die auch heute noch – oder wieder – Zukunftsfragen sind. Die | |
Wiedererlangung der Rede- und Pressefreiheit war eine der zentralen | |
Errungenschaften der Revolution. Unter dem Motto „Informiert euch! 1918 – | |
2018 – 2038“ diskutierten der Reporter Arndt Ginzel, die stellvertretende | |
taz-Chefredakteurin Katrin Gottschalk und der Geschäftsführer von Reporter | |
ohne Grenzen, Christian Mihr, über Herausforderungen und Zukunftsvisionen | |
der Presse. | |
Zu Beginn imaginieren die drei das Jahr 2038. Gottschalk sieht eine | |
Rückkehr zur Printzeitung voraus, die aus einer allgemeinen Ermüdung der | |
Menschen davon hervorgeht, ständig alarmiert sein zu müssen. Mihr sieht | |
Deutschland auf Platz eins des Pressefreiheitsrankings, er lobt außerdem | |
die Entscheidung, den Gebrauch von Facebook gesetzlich auf eine Stunde pro | |
Tag zu begrenzen. Eine düsterere Version zeichnet Arndt Ginzel. Er ist der | |
Reporter, der für das ZDF-Magazin „Frontal 21“ auf einer | |
Pegida-Demonstration unterwegs war und dort von der sächsischen Polizei | |
eine Dreiviertelstunde lang an der Berichterstattung gehindert wurde. Zuvor | |
wurde sein Kameramann von Maik G. angefeindet, der als „Hutbürger“ bekannt | |
wurde und, wie sich später herausstellte, selbst Mitarbeiter beim LKA | |
Sachsen war. Diesen Vorfall, verbunden mit den darauf folgenden | |
Ausschreitungen in Chemnitz, sieht Ginzel aus Ausgangspunkt für eine | |
Machtübernahme der Journalismusfeinde, dessen Auswirkungen erst 2038 | |
langsam wieder abklingen. | |
## Das Positive der Krise | |
„Ich komme aus Sachsen, ich bin erst mal pessimistisch“, begründet Ginzel | |
diese Dystopie. Der Hass und die Gewalt, die ihm als Journalist | |
entgegenschlagen, seien neuartig. Ganze Generationen wüchsen heute in | |
Ostdeutschland mit rechten Medien wie Compact als Informationsquellen auf, | |
es gebe keinerlei Dialogbereitschaft mehr. Ginzel sieht diese Probleme als | |
Spätfolgen der DDR. „Es fehlt das Bewusstsein davon, welche Funktion Medien | |
in der Gesellschaft haben“, sagt er. Christian Mihr versucht zu beruhigen. | |
Eine Skepsis gegenüber den Medien habe es in Deutschland schon lange | |
gegeben, das sei Zeichen einer lebendigen Demokratie. Die sozialen Medien | |
ermöglichten allerdings eine neue Unmittelbarkeit des Hasses. Unternehmen | |
hätten daher die Pflicht, Geschäftsmodelle und Algorithmen öffentlich | |
zugänglich zu machen. Das müsse idealerweise global reguliert werden. | |
Katrin Gottschalk will auch das Positive in der Krise finden. Man könne aus | |
ihr lernen, Journalismus dialogischer zu gestalten. Das gelinge etwa durch | |
Liveberichterstattung von Reporter*innen vor Ort, die unmittelbar auf | |
Fragen der Zuschauer*innen reagieren können. Aber auch die neuen | |
Finanzierungsmodelle, die sich durch den Medienwandel zwingend ergeben, | |
können eine Chance sein. Wenn man als Zeitung auf Spenden der Leser*innen | |
angewiesen ist statt auf Anzeigenkunden, wirke sich das auch auf die | |
Berichterstattung aus. Es brauche außerdem mehr Teamarbeit und weniger | |
Geniekult im Journalismus. Dann sind auch Fälle wie Relotius künftig | |
Geschichte. | |
9 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Inga Barthels | |
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