# taz.de -- Die organische Kraft des Schmucks | |
> Das Berliner Ehepaar Marion und Jörg Schwandt sammelt seit 1974 dänischen | |
> Schmuck, der Kunst für das Volk sein sollte. Jetzt ist die Sammlung im | |
> Bröhan-Museum zu sehen | |
Bild: Ein Sommerurlaub auf der Insel Møn hat Marion und Jörg Schwandt die Aug… | |
Von Henriette Harris | |
Sagen wir es gleich, damit die Leserin nicht später sauer wird: Wer die | |
Ausstellung „Simply Danish“ im Bröhan-Museum besucht und sich dänischen | |
Silberschmuck aus dem 20. Jahrhundert anschaut, wird danach für immer mit | |
einem kritischen Blick auf den Inhalt des eigenen Schmuckkästchens gucken. | |
174 einzigartige Objekte, hergestellt zwischen 1899 und 2002, werfen den | |
Schmuckliebhaber, Frau oder Mann, einfach um. | |
Ein Sommerurlaub auf der dänischen Insel Møn hat dem Berliner Ehepaar | |
Marion und Jörg Schwandt 1971 die Augen für dänisches Kunsthandwerk | |
geöffnet. Als die beiden 1974 zu sammeln anfingen, war ihre Leidenschaft | |
der Silberschmuck. | |
„Silber ist überall anwesend in Dänemark“, sagt Jörg Schwandt. Der | |
ausgebildete Literaturwissenschaftler und seine Frau, die pensionierte | |
Kunstlehrerin ist, sprechen hervorragend Dänisch. Die Sprache haben sie auf | |
zahlreichen Reisen nach Dänemark kennengelernt. „Kunsthandwerk hat in | |
Dänemark eine große Bedeutung. In den öffentlichen Institutionen sieht man | |
Lampen von Poul Henningsen und Stühle von Arne Jacobsen“, sagt Schwandt und | |
erzählt, wie groß der Einfluss aus Japan, der Japonismus, auf die | |
Entwicklung des dänischen Silberschmucks war. „Nehmen Sie den Architekten | |
Thorvald Bindesbøll. Er war quasi Japaner, weil er die Kräfte der Natur, | |
wie auch die Japaner, wirklich begriffen hat. Bindesbøll kann man nicht | |
imitieren, da wird eine organische Kraft dargestellt, und eben darin liegt | |
die Stärke des dänischen Silberschmucks.“ | |
Die Schwandt-Sammlung umfasst heute 950 dänische Silberschmuckstücke. „Wir | |
können sie aber nicht mit in die Urne nehmen“, sagt Jörg Schwandt. 2013 | |
wurde die Sammlung an das Museum Den Gamle By (Die alte Stadt) in Aarhus | |
verkauft, und die dadurch entstandene permanente Ausstellung | |
„Smykkeskrinet“ (Das Schmuckkästchen) wurde im Februar 2017 von | |
Kronprinzessin Mary eingeweiht. Jörg Schwandt hat es genossen. „Die Dänen | |
können sich glücklich schätzen, dass sie die Kronprinzessin haben, und das | |
meint auch meine Frau“, schwärmt er. | |
Marion Schwandt ist zurückhaltend, während ihr Mann spricht. Aber als er | |
sich allein vor der großen Wand mit schwarz-weißen Porträts bedeutender | |
dänischer Schmuckdesigner hinsetzt, um fotografiert zu werden, und sie | |
selbst zu erzählen beginnt, merke ich sofort, dass Marion Schwandt genauso | |
viel weiß wie ihr Mann und ihre Leidenschaft tatsächlich eine gemeinsame | |
ist. Schlicht gekleidet zeigt ihr Schmuck ihren guten Geschmack: An Marion | |
Schwandts Handgelenk schimmert ein Armband von Bent Knudsen von 1957, um | |
ihren Hals ein Ring in drei Teilen von Bent Gabrielsen Pedersen von 1958. | |
Beide Objekte sind auch in den Vitrinen zu sehen. | |
Mit dem Verkauf an das Museum in Aarhus war es aber nicht vorbei. Einmal | |
Sammler, immer Sammler. Die 174 Objekte im Bröhan-Museum hat das Ehepaar | |
seit 2013 erworben. Wenn man sich von Jörg Schwandt durch die Ausstellung | |
führen lässt, erfährt man über den Silberschmuck und seine Entwicklung | |
nicht nur etwas über die gesamte Kunstgeschichte und ihre Strömungen im 20. | |
Jahrhundert, sondern auch, wie die Schmuckstücke darüber hinaus ihre Zeit | |
und die Gesellschaft widerspiegeln. | |
Die Geschichte fängt im Jahr 1900 an, als Mogens Ballin eine Werkstatt für | |
Metallkunst in Kopenhagen gründet. Er stammt aus einem wohlhabenden | |
jüdischen Haus, hat in den 1880er Jahren mit Mette Gauguin, der dänischen | |
Ehefrau des Malers Paul Gauguin, Französisch studiert und ist nach Paris | |
gefahren. Dort malte er symbolistisch und ging dann nach Italien, wo er in | |
Florenz zum Katholizismus konvertierte. | |
Zurück in Kopenhagen, gründet Mogens Ballin die Werkstatt, die einer | |
künstlerischen und sozialpädagogischen Idee folgt: „Ich will | |
Gebrauchsgegenstände machen – von schöner Form, ausgeführt in Bronze, Zinn, | |
poliertem Kupfer und anderen billigen Metallen; es ist meine Absicht, Dinge | |
zu machen, die selbst der bescheidenste Geldbeutel bezahlen kann, Kunst für | |
das Volk – und nicht raffinierte Kunst für reiche Parvenus“, schreibt er | |
1900. | |
Silber gehörte anscheinend auch zu den relativ billigen Metallen, und 1901 | |
stellte Ballin den Silberschmied Georg Jensen als Werkmeister an. Jensen | |
hatte an der Kunstakademie ein Bildhauerstudium absolviert und vermochte so | |
das Ideal der Einheit von Entwerfen und Produzieren von der britischen | |
Arts-and-Crafts-Bewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden war, | |
einzulösen. Als Georg Jensen 1904 seine eigene Werkstatt gründet, ist der | |
internationale Erfolg nicht weit. Lassen Sie sich selbst von seinen und den | |
anderen Werken in der Ausstellung verzaubern, wenn möglich in der kundigen | |
Begleitung von Jörg Schwandt. | |
Bröhan Museum. Jörg Schwandt macht kostenlose Führungen am 20. Januar, am | |
3. und 17. 2. Februar, und am 3. März. Anmeldung ist nicht erforderlich. | |
Bis 3. März | |
12 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Henriette Harris | |
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