# taz.de -- Plötzlich steht das Bauamt im Darkroom | |
> Seit einem Feuer in einer Schwulensauna wird verstärkt der Brandschutz in | |
> Szeneclubs kontrolliert. So weit, so gut, sagen die Clubbetreiber. Nur | |
> warum müssen die Kontrollen bei laufendem Betrieb stattfinden? | |
Bild: Blick in das Schaufenster eines Gayshops in Schöneberg, unweit des Ajpnia | |
Von Marc Feuser | |
Jörn Oltmann und Frank Ludwig sind zwei, die gar nicht so bunt aussehen, | |
reden oder wirken. Trotzdem wollen sie beide ein „möglichst buntes, | |
vielfältiges Berlin“. Nur was das konkret heißt – da sind sie sich nicht | |
ganz einig. | |
Oltmann, Bezirksstadtrat für Bauen in Tempelhof-Schöneberg, redet gern | |
bürokratisch. Ludwig, einer der ehrenamtlichen Betreiber des Schwulenclubs | |
Ajpnia in Schöneberg, redet gern Klartext. „Ich bin entsetzt über das, was | |
uns hier gerade passiert“, sagt er und spielt auf eine Polizeikontrolle vor | |
rund zwei Wochen an. „Da standen auf einmal zwei Mitarbeitende der Behörden | |
im Laden, mit 15 Polizisten und ein paar LKA-Beamten als Geleitschutz.“ Der | |
Keller sei geräumt worden, die Gäste nach oben geschickt, damit die Räume | |
ausgemessen werden konnten, die Notausgänge seien kontrolliert worden. „Die | |
Gäste hatten nicht mal Zeit, sich anzuziehen“, sagt Ludwig. „Die standen da | |
in Unterhose oder splitternackt und waren zum Teil sehr verschreckt.“ | |
Allein seit April 2018 wurden 144 Kontrollen in gastronomischen | |
Einrichtungen in Tempelhof-Schöneberg durchgeführt. Nicht nur, aber eben | |
auch in queeren Szeneläden. Das Ajpnia traf es in der Vergangenheit schon | |
öfter, aber bisher sei es immer kooperativ abgelaufen. „Das Bezirksamt hat | |
sich angekündigt, und wir haben die Türen aufgemacht, denn auch wir haben | |
ein Interesse daran, dass unsere Einrichtung sicher ist“, sagt Ludwig. Es | |
seien immer nur Kleinigkeiten beanstandet worden, eine nicht ausgehängte | |
Jugendschutzordnung zum Beispiel. | |
Die vermehrten Kontrollen gehen auf einen Brand in der Gaysauna „Steam | |
Works“, ebenfalls in Tempelhof-Schöneberg, zurück. Im Februar 2017 starben | |
dort drei Menschen. Die Fluchtwege waren nicht frei, der Keller verwinkelt, | |
die Feuerwehr kam nur schwer zurecht. Das Feuer hat Spuren hinterlassen, | |
bei den politisch Verantwortlichen – der Bauaufsicht – wie auch bei den | |
Betreibern anderer Szenelokale. | |
Jörn Oltmann ist derjenige, den viele in der Verantwortung für die | |
Kontrollen in den queeren Schuppen des Nollendorf-Kiezes sehen, weil er | |
Bezirksstadtrat für Bauen ist und zudem stellvertretender | |
Bezirksbürgermeister. „Ich habe den Eindruck, dass meine Person ganz | |
bewusst ausgesucht wurde“, beginnt er das Gespräch mit der taz. Er könne | |
die Aufregung verstehen, aber: „Die Baubehörde ordnet keine Kontrollen an. | |
Diese Einsätze werden von der Polizei initiiert.“ Man müsse sich das | |
Prozedere so vorstellen, dass die Bauaufsicht lediglich eine Mitarbeiterin | |
zur Verfügung stellen, die Gespräche mit der Polizei führe und sie bei den | |
Kontrollen begleite. Im Internet wird Oltmann dennoch heftig attackiert, | |
von einem Feldzug des Stadtrats gegen die schwule Szene ist die Rede. Die | |
Polizei bestätigt Oltmanns Darstellung grundsätzlich. Allerdings habe genau | |
diese eine Mitarbeiterin der Bauaufsicht bei der letzten Einsatzbesprechung | |
explizit darum gebeten, „den Gewerbebetrieb ‚Vereinsgaststätte Ajpnia‘ in | |
die Kontrollmaßnahmen mit einzubeziehen“. Anstoß dafür soll ein zum | |
Darkroom ausgebauter Keller gewesen sein. | |
Werden schwule, sexpositive Clubs anders behandelt als andere Gaststätten | |
im Kiez? Oltmann wird sauer, wenn er diesen Vorwurf hört. „Die Betreiber | |
stehen ganz klar in der Pflicht. Es macht keinen Unterschied, ob ein | |
Darkroom im Keller ist oder nicht. Hier geht es lediglich darum, die | |
gesetzlichen, brandschutztechnischen Vorgaben einzuhalten.“ | |
Die Ajpnia-Betreiber kritisieren, dass die Kontrolle während des laufenden | |
Betriebs stattfand, obwohl sie genauso gut bei Tag hätte stattfinden | |
können. Gerade weil es um schwulen Schutzraum geht. | |
Das lässt Oltmann nicht gelten. „Manche Dinge können Sie eben nur bei | |
laufendem Betrieb kontrollieren“, sagt er. „Den Nichtraucher- und den | |
Jugendschutz beispielsweise. Und im Übrigen bitte ich darum, diese Fragen | |
an die Polizei zu richten.“ Doch auch die Polizei hält sich bedeckt, | |
spricht davon, sich der Sensibilität jener Räume bewusst zu sein und | |
„umsichtig“ zu agieren. | |
Genauso umsichtig seien auch die Darkrooms von „Toms Bar“ und „Scheune“ | |
geschlossen worden – ebenfalls mitten in der Nacht bei laufendem Betrieb. | |
Auch hier: 15 Polizisten, die mit der Bauaufsicht den Darkroom | |
inspizierten. Dabei stellten sie fest, dass keine Baugenehmigung für den | |
Raum vorlag. | |
„Wegen einer fehlenden Genehmigung würden wir einen Darkroom nicht direkt | |
schließen“, sagt allerdings Gerald Reitmeyer, Leiter der Bauaufsicht | |
Tempelhof-Schöneberg. „Aber es waren gravierendste brandschutztechnische | |
Mängel da. Wenn ich nur eine Tür habe und es brennt zwischen mir und der | |
Tür, kann man sich vorstellen, was passiert: Ich komme nicht mehr lebend | |
raus.“ Inzwischen hätten die Betreiber nachgebessert. Die Darkrooms sind | |
wieder offen. | |
Aufseiten der Clubbetreiber gibt es durchaus Verständnis für die | |
Brandschutzüberprüfungen. „Kontrollen per se sind ja in Ordnung. Aber warum | |
mit 15, 20 Leuten bei laufendem Betrieb?“, fragt Ajpnia-Betreiber Ludwig. | |
Es gebe Gäste, vor allem ältere, die sich durch diese Art der Kontrolle an | |
längst vergangene Zeiten erinnert fühlen. „Die kennen das noch aus der | |
Nachkriegszeit, als es tatsächlich Razzien gegen die schwule Szene gab. | |
Dass das heute noch möglich ist, in einer Stadt wie Berlin, entsetzt mich | |
sehr.“ | |
Es scheint, als drehten sich die Argumente auf beiden Seiten im Kreis. | |
Bisher hat das noch nicht zum sprichwörtlichen runden Tisch geführt. Klar | |
ist lediglich, dass es nicht die letzte Kontrolle gewesen sein wird. Und | |
auch nicht der letzte nackte Gast, der sich dadurch in seiner Intimsphäre | |
verletzt sieht. | |
15 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Marc Feuser | |
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