# taz.de -- Kunstkraft voraus | |
> Vier Initiativen ausgezeichnet: Der Kulturpreis „The Power of the Arts“ | |
> des Konzerns Philip Morris ist einer der höchstdotierten Kulturpreise | |
Von Inga Barthels | |
Eigentlich wollte Annika Reich nur Wasser und Brezeln zum Lageso bringen, | |
dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in Moabit, vor dem Geflüchtete | |
2015 endlos Schlange standen. Dort kam die Berliner Schriftstellerin immer | |
wieder in Kontakt mit Autor*innen, die aus ihren Heimatländern fliehen | |
mussten und damit auch ihre Sprache und ihre Öffentlichkeit verloren | |
hatten. Auf die Frage, was sie sich am meisten wünschten, antworteten sie | |
alle das Gleiche: „Weiter schreiben“. | |
Annika Reich nahm sich das zu Herzen und rief gemeinsam mit Ines Kappert | |
„Weiter Schreiben“ ins Leben, eine der Initiativen des Vereins „Wir machen | |
das“. Das Projekt bringt geflüchtete Autor*innen zusammen mit erfahrenen | |
Kolleg*innen, die sich im deutschen Literaturbetrieb auskennen, darunter | |
Nino Haratischwili und Monika Rinck. | |
Auf einem Internetportal werden Texte der Tandems veröffentlicht, in | |
Originalsprache und deutscher Übersetzung. So können die Exilautor*innen | |
auch ohne Deutschkenntnisse mit ihren Texten endlich wieder eine | |
Öffentlichkeit erreichen. | |
„Weiter Schreiben“ ist eines der vier Projekte, die den Kulturpreis „The | |
Power of the Arts“ erhalten. Am Mittwochabend wurde die Auszeichnung in der | |
Alten Münze an der Spree zum zweiten Mal verliehen. Eine „Leidenschaft für | |
das Helle“ sei unbedingte Voraussetzung ihrer Arbeit, sagt Annika Reich in | |
ihrer Dankesrede. Mit dem Preisgeld sollen die Texte auch als Printmagazin | |
veröffentlicht werden. | |
Das Geld kommt ausgerechnet von US-Konzern Philip Morris. Dass der weltweit | |
größte Tabakhersteller, dem unter anderem Marlboro gehört, mit dem Preis | |
sein Image aufbessern will, ist klar. Dafür nimmt er aber wenigstens eine | |
Menge Geld in die Hand: Mit 200.000 Euro ist „The Power of the Arts“ einer | |
der höchstdotierten Kulturpreise überhaupt. | |
Jeweils 50.000 Euro gehen an die vier ausgewählten Initiativen – | |
Planungssicherheit für Kulturprojekte, die sonst auf Spendenbasis | |
funktionieren. Gefördert werden sollen Projekte, die sich mittels der | |
Kultur für eine offenere Gesellschaft engagieren. Elfriede Buben, Leiterin | |
für „Corporate Responsibility and Contributions“ bei Philip Morris, betont | |
die Bedeutung von Kultur für Inklusion und Teilhabe. „Wir wollen dazu | |
beitragen, dass die Gesellschaft bunt bleibt“, sagt sie. | |
Mehr als 120 gemeinnützige Initiativen hatten sich für den Preis beworben. | |
Eine siebenköpfige Jury, darunter der Rapper Samy Deluxe und die Aktivistin | |
Kübra Gümüsay, wählten davon vier aus. Auffällig dabei, dass alle Projekte | |
aus Metropolregionen kommen. | |
Neben dem Berliner „Weiter schreiben“ werden drei Hamburger Initiativen | |
ausgezeichnet: ein interreligiöses Musikprojekt, das sich in der | |
Großwohnsiedlung Mümmelsmannsberg für ein Miteinander der verschiedenen | |
Kulturen einsetzt, der Kampnagel-Projektraum „Migrantpolitan“, der unter | |
anderem mit der Produktion von YouTube-Serien für mehr Akzeptanz für | |
Geflüchtete wirbt, und das generationsübergreifende Projekt Kulturalisten². | |
Letzteres liegt Jury-Mitglied und CDU-Nachwuchshoffnung Diana Kinnert | |
besonders am Herzen, wie sie bei der Preisverleihung erzählt. Die Hamburger | |
Initiative bringt Senior*innen, die monatlich weniger als 1.100 Euro zur | |
Verfügung haben, mit Schüler*innen in Kontakt. Zu zweit gehen sie in | |
Konzerte und andere Veranstaltungen, die Tickets dafür spenden die | |
Hamburger Kulturinstitutionen. | |
Das Projekt sei ein „Anschlag auf Spaltung und Isolation“, sagt Kinnert. | |
Gerade durch Armut und Einsamkeit isolierte alte Menschen seien anfällig | |
für einfache Feindbilder. Im Kampf gegen Populismus sei es daher | |
unabdingbar, auch diese Menschen zu erreichen. | |
Die Zukunft drehe sich schließlich nicht nur um Künstliche Intelligenz, | |
sondern auch darum, wie gesellschaftliches Miteinander künftig aussehen | |
soll. | |
14 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Inga Barthels | |
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