# taz.de -- heute in bremen: „Moment der Nützlichkeit verschaffen“ | |
Interview Lea Schweckendiek | |
taz: Herr Sailer, was wird zu Ihrer Aufführung mitgebracht? | |
Tobias Seiler: Unser Publikum bringt Weihnachtsgeschenke mit, die ihren | |
Zweck des Freudebereitens nicht erfüllt haben. Meist lösen sie eher | |
Frustration aus, weil sie entweder weggeworfen werden oder verstauben | |
müssen. Dabei steht hinter ihnen ja nicht nur viel Aufwand und Ressourcen | |
in der Produktion und Beschaffung, sondern immerhin auch die Bemühungen des | |
Schenkenden. | |
Was passiert während der Vorstellung dann mit denen? | |
Wir versuchen, ihnen einen Moment der Nützlichkeit zu verschaffen. Die | |
ungeliebten Geschenke dienen für uns als Inspiration: wir machen aus ihnen | |
Geschichten und Lieder, Tanz oder Monologe. Der Kreativität sind keine | |
Grenzen gesetzt. | |
Wie kann man sich solche Geschichten vorstellen? | |
Im letzten Jahr zum Beispiel wurde ein Muffinaufsteller mit zur Aufführung | |
gebracht. In einer Improvisation gibt es dann verschiedene Ansätze: ich | |
könnte mit meinem Ehepartner eine Geburtstagsparty organisieren, bei der | |
dieser Aufsteller eine wichtige Rolle spielt. Oder ich beschreibe den | |
Aufsteller: drahtig, wackelig, dünn und windig. Dann kann einer meiner | |
Schauspielpartner daraus eine Figur erschaffen. | |
Und wenn die Vorstellung vorbei ist? | |
Wir hoffen, dass wir mit unserer Improvisation den Gegenständen neues Leben | |
schenken. Dann wird gewichtelt: die Menschen wollen das Mitgebrachte nicht | |
mehr und tauschen es gegen die Geschenke der Anderen ein. | |
Wie bereiten Sie sich auf eine improvisierte Vorstellung vor? | |
Wir üben das improvisierte Spielen in wöchentlichen Workshops und | |
Trainings. Sich in der Vorstellung auf die mitgebrachten Gegenstände | |
einlassen zu könne, ist besonders wichtig: man muss zuhören und wahrnehmen, | |
Fäden aufgreifen und Entscheidungen treffen. | |
Haben Sie selbst solche unliebsamen Geschenke bekommen? | |
Ich schätze, das hat wohl fast jeder. Bei mir war es eine Saftpresse, die | |
meine Mutter mir geschenkt hat. Sie war so überzeugt von der Nützlichkeit | |
des Geschenks – mir war aber klar, dass es nichts weiter als Platz im | |
Schrank wegnehmen würde. | |
28 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Lea Schweckendiek | |
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