# taz.de -- Der wahrscheinlich längste Gottesdienst der Welt | |
> In den Niederlanden beten Christ*innen seit Wochen, um eine Familie vor | |
> der Abschiebung zu bewahren | |
Seit mehr als sechs Wochen wechseln sich im evangelischen Gemeindezentrum | |
Bethel in Den Haag Geistliche und Ehrenamtliche damit ab, ohne Pause einen | |
Gottesdienst zu halten. Das sind 46 Tage. Ein Weltrekord? Vielleicht. Aber | |
darum geht es nicht. | |
Es geht um die Familie Tamrazyan, die seit neun Jahren in den Niederlanden | |
lebt. Der Vater wurde in Armenien politisch verfolgt. Seine Familie bekam | |
in den Niederlanden richterlich mehrfach Asyl zugesprochen. Doch die | |
Regierung ging dagegen immer wieder in Berufung. Ende Oktober sollten die | |
Eltern mit ihren drei Kindern abgeschoben werden. Als letzte Rettung erwies | |
sich ein niederländisches Gesetz, wonach die Polizei laufende Gottesdienste | |
nicht stören darf. Direkt bevor die Abschiebung drohte, wurden die | |
Tamrazyans kurzerhand in die alte Küsterwohnung über den Gemeinderäumen | |
einquartiert – und der schützende Gottesdienst begann. Das war am 26. | |
Oktober. | |
„Wie lange das schon klappt, überrascht uns auch, ehrlich gesagt. Als wir | |
angefangen haben, waren wir schon dankbar mit dem Gedanken: ‚Vielleicht | |
schaffen wir es eine Woche‘“, sagt Axel Wicke, der Pfarrer der | |
protestantischen Gemeinde. Die Welle der positiven Reaktionen sei | |
überwältigend gewesen. Fast 1.000 Besucher kämen jede Woche, um dem | |
24-Stunden-Gottesdienst beizuwohnen. | |
Über 650 Menschen haben die Andacht schon angeleitet. Unter ihnen waren | |
römisch-katholische Priester, spirituelle Protestanten und Quäker, aber | |
auch unerfahrene Gemeindemitglieder und Konfessionslose. | |
Auch Buddhisten und Imame hätten bereits angefragt, erzählt Wicke. Man habe | |
sie eingeladen, mitzufeiern, aber um dem Gesetz zu entsprechen, müsste der | |
Gottesdienst klar als christlich erkennbar sein. „Das finde ich persönlich | |
schade, aber wir müssen hier natürlich auch sauber arbeiten.“ | |
Denn es geht dem Pfarrer um alle Familien, die während des Asylverfahrens | |
Kinder bekommen haben oder deren Kinder in den Niederlanden aufwachsen und | |
verwurzelt sind. Diese in ein Land auszuweisen, das sie kaum noch kennen, | |
sei absolut hanebüchen, kritisiert er. | |
Die drei Kinder der Familie Tamrazyan sind immerhin erst mal sicher. | |
Zumindest solange in der Bethel-Kirche weitergebetet wird. Maxie Roemhild | |
12 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Maxie Römhild | |
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