# taz.de -- „Die Politik soll erkennen, dass wir große Kunst machen“ | |
> In Hannover findet der Bundeskongress der Kommunalen Kinos statt. Borjana | |
> Gaković, medienpolitische Sprecherin des Bundesverbands kommunale | |
> Filmarbeit, über politische Forderungen des Verbands | |
Bild: Kümmert sich ums Filmerbe: Rita Baukrowitz vom Bundesverband kommunale F… | |
Interview Morticia Zschiesche | |
taz: Frau Gaković, das diesjährige Motto des Bundeskongresses ist: „Es lebe | |
das Kino. Cinema and beyond.“ Klingt wie ein Hilferuf. Wie lebendig ist das | |
kommunale Kino noch? | |
Borjana Gaković: Das Kino, das wir vertreten – also kommunale Kinos, | |
Kinematheken, Filmmuseen und andere Filmeinrichtungen – hat eine ganz | |
besondere Form. Es geht darum, dass wir Kinogeschichte auf die Leinwand | |
bringen und dass wir durch kontextualisierte Filmreihen Zeitgeschichte | |
hinterfragen. Das ist eine ganz andere Form von Kinomachen als es unsere | |
kommerziellen Kolleginnen tun. | |
2017 zählte die Filmförderungsanstalt (FFA) mehr als 4.800 Kinoleinwände in | |
1.672 Filmtheatern in Deutschland, Tendenz steigend. 140 nicht-gewerbliche | |
Kinos sind davon in Ihrem Verband angeschlossen. Wie gut geht es diesen | |
Kinos? | |
Ehrlich gesagt nicht besonders gut. Kino wird in Deutschland nur als | |
Industriezweig gedacht. Worum es uns aber geht, ist klarzumachen, dass Kino | |
auch eine Kulturbranche ist, die stärker gefördert werden muss. Kommunale | |
Kinos bewahren auf der einen Seite das Filmkulturerbe. Auf der anderen | |
Seite zeigen sie aber auch Filmkunst, die nicht Mainstream ist, also Filme, | |
zum Beispiel von Frauen, von Migranten, industrielle oder experimentelle | |
Filmkunst. Wir zeigen das, was an den Rändern der Filmgeschichte | |
stattgefunden hat. | |
Das diesjährige Programm des Kongresses versucht, die komplexen Aufgaben | |
der kommunalen Kinos durch vier Bereiche abzudecken: Musealisierung, | |
Filmerbe, Kinoberufe und Synergien in anderen digitalen Räumen. Sind alle | |
Bereiche gleich wichtig? | |
Wir wollen insbesondere darauf aufmerksam machen, dass Kinoberufe | |
verschwinden. Im kommerziellen Kinobereich hat man KinovorführerInnen | |
wegrationalisiert. Wir brauchen aber VorführerInnen, die auch in der Lage | |
sind, analoge Filme zu zeigen. Digitalisierung hat mit zu einer neuen | |
Kanonisierung geführt. Man digitalisiert Filme, die bekannt sind, die immer | |
schon da waren. Aber vieles, was an den Rändern der Filmgeschichte | |
passiert, wird nicht digitalisiert. Und dadurch dass wir Filmgeschichte | |
zeigen, sind wir darauf angewiesen, nach wie vor analoge Technik zu | |
bedienen. | |
Im Idealfall können die kommunalen Kinos also die ganze Bandbreite von 8-, | |
16-, 35- oder 65-mm-Filmmaterial vom Projektor oder digitalen Film zeigen. | |
Ja, genau! Es geht darum zu pflegen, zu bewahren, zu schätzen, was die | |
jeweiligen Menschen ausgesucht haben als Format für ihre Filme. | |
In der Praxis sind Mitarbeitende kommunaler Kinos oft dramatisch | |
unterbezahlt oder arbeiten ehrenamtlich. Sie fordern daher drei Arten der | |
finanziellen Förderung: eine inhaltliche, eine Investitionsförderung sowie | |
Beratung und Weiterbildung. | |
Es ist wirklich ein furchtbarer Zustand, dass man heutzutage Kultur und | |
insbesondere Kinokultur ein paar EnthusiastInnen als Last auf die Schulter | |
gelegt hat, die ehrenamtlich arbeiten und sich wirklich total verausgaben. | |
In Deutschland ist Kinoförderung immer nur Investitionsförderung oder | |
Wirtschaftsförderung. Wir wünschen uns, dass man anerkennt, dass Kino auch | |
eine Kulturförderung braucht, weil wir Filmerbe und Filmkunst auf die | |
Leinwand bringen. Das, was wir zeigen, sind aufwendig kuratierte Programme, | |
für die Leute zum Teil zwei Jahre in Archiven forschen. Das wirft einen | |
ganz anderen Blick auf ganze Epochen und sind Programme, die nicht in den | |
kommerziellen Kino stattfinden. | |
Ein Teil des öffentlichen Filmprogramms findet im Kino im Sprengel statt. | |
Sie zeigen dort seltene Super-8- und 16-mm-Filme. Warum diese analoge | |
Auswahl? | |
Weil es die Filme, die wir zeigen, digital einfach nicht gibt. Wenn man | |
gewisse Teile der Filmkunst präsentieren möchte, wie Helga Fanderl, die wir | |
eingeladen haben und die 8-mm-Filme gemacht hat, kann man diese nur analog | |
zeigen. Die beiden Filme „Anfang“ und „Film 68“ hat Peter Hoffmann, ein… | |
der Betreiber des Kinos im Sprengel, aus dem Archiv ausgegraben. Es ist | |
eine großartige Möglichkeit, diese Filme nun zu entdecken, weil sie nicht | |
digitalisiert oder auf Youtube zu finden sind. | |
Gibt es noch andere kommunale Kinos gerade in Norddeutschland, die eine | |
besondere Rolle für das Thema Filmerbe spielen? | |
Auf jeden Fall! Wir haben in Hamburg zum Beispiel das ganz wichtige Kino | |
Metropolis. Es gibt in Kiel das großartige Kino in der Pumpe oder in Bremen | |
das City 46 und viele weitere coole kommunale Kinos, die sich für Filmerbe | |
und Filmgeschichte stark machen. | |
Der Kongress thematisiert aber auch, was neue Technologien für die Kinos | |
bedeuten. | |
Ich bin der Meinung, dass man nach Synergien suchen muss. Wie schön wäre | |
es, wenn man in Vorräumen von diesen Kinos auch Virtual Reality sehen | |
könnte oder auf Websites Dokumentationen als Erweiterung der Kinoprogramme | |
zeigt. Der Kongress soll die Frage behandeln, inwiefern wir in der Lage | |
sind, uns neuen digitalen Räumen zu öffnen und mit | |
Virtual-Reality-Programmen oder Streaming-Diensten zu kooperieren. | |
Im Kino werden die Werte unserer Gesellschaft visualisiert und diskutiert. | |
Hat es sich als sozialer Ort verändert? | |
Ich würde behaupten, dass Kino als sozialer Ort immer bestehen bleiben | |
wird. Es ist ein Medium für sich, dass niemals durch Streamingdienste | |
ersetzt werden kann, weil Leute in diesem dunklen Raum erst mal für sich | |
sind, aber danach miteinander ins Gespräch kommen. | |
Wenn Sie jetzt einen Wunsch frei hätten für die Entwicklung der kommunalen | |
Kinos? | |
Ich habe einen Wunsch: Dass die Politik endlich erkennt, dass wir große | |
Kunst machen und große Kunst auf die Leinwand bringen! | |
Was ist Ihr derzeitiger Lieblingsfilm? | |
Mein Lieblingsfilm ist gerade „Am Ama Am Amazonas“, ein Kollektivfilm aus | |
dem Jahre 1968. Den habe ich vor Kurzem aus einem Archiv ausgegraben. Und | |
das ist ein großer Schatz! | |
6 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Morticia Zschiesche | |
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