# taz.de -- Predatory Publishing am Bremer BIBA: Richtigstellung | |
> Zum „Fake-Interview“ über das Thema Predatory Publishing mit dem Rektor | |
> der Uni Bremen, Bernd Scholz-Reiter, taz vom 15.16.9.2018 | |
Bild: Unter Beschuss: Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter | |
Bremen taz | In der Ausgabe der taz vom 15./16.9.2018 haben wir unter der | |
Überschrift „Mir waren die Vorwürfe nicht bekannt“ angeblich dem Rektor d… | |
Universität Bremen, Bernd Scholz-Reiter, gestellte Fragen zum Thema des | |
Predatory Publishing sowie Auszüge der hierzu angeblich von der | |
Pressestelle der Universität Bremen übermittelten Stellungnahme abgedruckt. | |
Hierzu stellen wir richtig: | |
In unserem Text waren Fragen enthalten, die wir weder dem Rektor der | |
Universität Bremen noch deren Pressestelle gestellt haben. Darüber hinaus | |
haben wir in dem Text Sätze als Antworten der Pressestelle der Universität | |
wiedergegeben, die sich nicht auf die tatsächlich gestellten Fragen bezogen | |
und/oder die Stellungnahme der Universität Bremen unzutreffend und/oder | |
unvollständig wiedergaben und zum Teil einer anderweitigen Stellungnahme | |
von Herrn Scholz-Reiter und einem im Weser Kurier veröffentlichen Interview | |
mit Herrn Scholz-Reiter entstammten. | |
Wir stellen weiter richtig, dass die seitens der taz gestellten Fragen wie | |
folgt lauteten: | |
„1. Seit 2014 gibt es offenbar keine Publikationen mehr in | |
„Predatory-Publishers“-Organen – was ist da passiert? | |
2. Nach der Liste der Biba-Publikationen sind 62 Publikationen mit dem | |
Hinweis „mehr Informationen“ versehen, 59 davon mit dem Ko-Autor | |
Scholz-Reiter. | |
Trifft der Eindruck zu, dass andere deutlich mehr Bedenken hatten als | |
Scholz-Reiter? | |
3. Gibt es an anderen Instituten und von anderen Professoren eine größere | |
Anzahl „betroffener“ Publikationen? | |
4. Wie hoch waren die Veröffentlichungsgebühren bei NAUN oder WSEAT? | |
5. Bei WASET werden die Gebühren offenbar über Konferenz-Teilnehmergebühren | |
abgerechnet. Waren die Mitarbeiter von Scholz-Reiter in den | |
Gemeinschaftspublikationen über WASET oft auf solchen Konferenzen oder eher | |
selten? | |
War Scholz-Reiter einmal auf einer WASET-Konferenz? | |
6. Welchen Eindrücke haben die BiBA-Teilnehmer von diesen Konferenzen | |
vermittelt? | |
7. In dem Vermerk „mehr Informationen“ steht stereotyp, es handele sich um | |
„Abschlussberichte“ von Projekten. Trifft das auf alle zu? | |
8. Warum kann man „Abschlussberichte“ nicht auf der BIBA-Seite im Sinne von | |
Open Access online stellen? | |
9. Hat der Rektor nicht die Sorge, dass sein Name den Predatory-Publishers | |
von WASET, WSEAT und NAUN zu einem Anschein der Seriosität verhilft und | |
sozusagen ein „schlechtes Vorbild“ ist? | |
10. In den Bemerkungen „mehr Informationen“ bleibt die Frage offen, ob | |
Scholz-Reiter den Verdacht, dass die betroffenen Publikationen in einem | |
„Raubverlag“ erscheinen, teilt. Ist das für Scholz-Reiter eine offene | |
Frage? Warum „Verdacht“? Hält Scholz-Reiter diese Verlage nicht für | |
„Raubverlage“?“ | |
Zudem stellen wir richtig, dass die Pressestelle der Universität Bremen in | |
Abstimmung mit Herrn Scholz-Reiter zu diesen Fragen wie folgt Stellung | |
genommen hat: | |
„Herr Scholz-Reiter war von 2002 bis 2012 Leiter des BIBA – Bremer Institut | |
für Produktion und Logistik. Das BIBA ist ein außeruniversitäres | |
Forschungsinstitut, das Grundlagenforschung und Anwendungsorientierte | |
Forschung auf dem Gebiet der Produktion und Logistik betreibt. | |
Die Forschung wird mit eingeworbenen Drittmitteln der DFG, der | |
Bundesministerien, der EU und Sonstigen durchgeführt. | |
Für den BIBA Forschungsbereich IPS (Intelligente Produktions- und | |
Logistiksysteme) sind die Anträge auf Drittmittel und damit die | |
Forschungsprojekte im Wesentlichen von Herrn Scholz-Reiter initiiert, | |
konzipiert und gestellt worden. Damit wurden die Forschungsfrage, die | |
Forschungshypothese und das Forschungsprogramm im Wesentlichen von ihm | |
definiert. Die bewilligten Forschungsprojekte sind hauptsächlich von | |
wissenschaftlichen Mitarbeitern, die aus den Projektmitteln eingestellt | |
wurden, bearbeitet worden. Vielfach sind daraus Promotionen abgeleitet | |
worden. Im Forschungsbereich IPS waren circa 50 bis 60 wissenschaftliche | |
Mitarbeiter Vollzeit in diesen Forschungsprojekten beschäftigt. Sie | |
stellten damit den Großteil der wissenschaftlichen Mitarbeiter am BIBA. Aus | |
diesen Forschungsprojekten entstanden wissenschaftliche Veröffentlichungen | |
in Ko-Autorenschaft zwischen den Mitarbeitern und Herrn Scholz-Reiter. | |
Da der überwiegende Anteil der Forschungsprojekte und damit der | |
Wissenschaftler am BIBA im Bereich von Herrn Scholz-Reiter war, kam auch | |
die Mehrzahl der Veröffentlichungen insgesamt aus diesem Bereich. Die Zahl | |
der Veröffentlichungen bei Verlagen, die heute als Raubverlage bekannt | |
sind, ist also relativ zur Gesamtzahl der Forschungsprojekte und damit der | |
Mitarbeiter und Gesamtzahl der Veröffentlichungen zu sehen. Ein Rückschluss | |
auf die Größe der Bedenken kann deshalb nicht gezogen werden. Auch war | |
damals am BIBA nicht bekannt, dass die Verlage sich unseriös verhalten. | |
Die wissenschaftliche Qualität und Integrität der veröffentlichten Texte | |
stehen außer Frage. Die Publikationen sind im Rahmen von | |
drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten entstanden. In den | |
Abschlussberichten sind die Veröffentlichungen entsprechend aufgeführt und | |
beigelegt. Diese Berichte wurden von anonymen Gutachtern geprüft und die | |
Publikationen und die gewählten Publikationsorgane wurden nicht | |
beanstandet. | |
Als die Medien im Sommer die Thematik Raubverleger aufgegriffen haben, hat | |
Herr Scholz-Reiter umgehend beim BIBA veranlasst, alle Publikationen, an | |
denen er beteiligt war, zu prüfen und Veröffentlichungen in heute | |
zweifelhaften Verlagen auf der Website entsprechend zu markieren, um damit | |
nach außen Transparenz zu schaffen und die Verlage entsprechend zu „outen“. | |
Die Vielzahl der markierten Beiträge erklärt sich dadurch, dass es in | |
zahlreichen Fällen sowohl einen Konferenzbeitrag als auch eine der | |
Veranstaltung nachfolgende Veröffentlichung in einem zugehörigen Journal | |
gab. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes extended Paper des | |
ursprünglichen Konferenzbeitrags. Die Zuordnung einzelner Publikationen | |
dauert bis heute an. | |
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Beiträge waren nicht nur Herrn | |
Scholz-Reiter das Phänomen und die Praktiken der Predatory Publishers | |
unbekannt. Viele renommierte und erfahrene Wissenschaftler aller großen | |
Wissenschaftsinstitutionen haben sich von Raubverlagen täuschen lassen. | |
Hätten er selbst oder seine Ko-Autoren damals Zweifel an der Seriosität der | |
Verlage gehabt, hätten sie dort nicht veröffentlicht. | |
Damals gab es den Trend hin zu „Open Access“. Die Wissenschaftscommunity | |
wollte diese Art der Publikation fördern. Zurecht, denn diese Methode | |
bietet Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Ergebnisse einer größeren | |
Leserschaft zur Verfügung zu stellen, ohne dass diese dafür bezahlen muss. | |
Damit bekommen Wissenschaftler aus aller Welt ohne finanzielle | |
Restriktionen Zugriff auf die wissenschaftlichen Ergebnisse, indem das | |
kostenlose freie Lesen der Veröffentlichungen für Jeden ermöglicht wird. | |
Als die Idee des Open Access vor circa zehn Jahren stark an Unterstützung | |
gewann, entstand eine Reihe von neuen Verlagen am Markt. Viele davon | |
seriös, einige nur mit dem Anschein von Seriosität, wie man heute weiß. | |
Politische Umbrüche wie die EU-Osterweiterung und die Öffnung der | |
Wissenschaftssysteme in Asien und den arabischen Ländern brachten weitere | |
Anbieter sowie Autorinnen und Autoren auf die Märkte. Dass diese neuen | |
Verlage den Wissenschaftlern unbekannt sein mussten, lag also in der Natur | |
der Sache. Für Herrn Scholz-Reiter war es wichtig, Open Access zu | |
unterstützen und sich den neuen Akteuren im Wissenschaftssystem gegenüber | |
offen zu zeigen – auch, wenn ihm die Veröffentlichung in traditionellen | |
Journalen mehr Reputation gebracht hätte. Im Vordergrund stand für ihn | |
allein die wissenschaftliche Seriosität und Qualität der veröffentlichten | |
Beiträge. | |
Herr Scholz-Reiter selbst war nie auf einer Konferenz der Raubverleger. | |
Nach unseren internen Recherchen war auf einer WASET Konferenz ein | |
Mitarbeiter einmal. Bei seinen Ko-Autoren gab es damals keinen Zweifel an | |
der Seriosität der Veranstaltungen, die sie besucht haben. Die Gebühren für | |
eine Konferenz inklusive einer Veröffentlichung bei NAUN oder WASET | |
beliefen sich im Schnitt auf 500 bis 600 Euro. | |
Heute würde Herr Scholz-Reiter nicht mehr bei den betreffenden Verlagen | |
publizieren und warnt andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler | |
davor; und selbstverständlich ärgert es Herrn Scholz-Reiter, dass die | |
qualitativ hochwertigen Publikationen, an denen er beteiligt war, | |
möglicherweise diese Verlage aufgewertet haben. In seiner Funktion als | |
Rektor hat Herr Scholz-Reiter zeitnah alle Universitätsangehörigen über | |
diese Verlage informiert und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur | |
Vorsicht aufgerufen. | |
Dies können Sie auf der Uni-Website nachlesen (siehe | |
https://www.uni-bremen.de/de/universitaet/presse/aktuelle-meldungen/detaila | |
nsicht/news///universit%C3%A4t-bremen-warnt-vor-raubverlegern/) Seine | |
persönliche Stellungnahme finden Sie unter dem folgenden Link: | |
https://www.uni-bremen.de/de/universitaet/presse/aktuelle-meldungen/detaila | |
nsicht/news/detail/News/rektor-zu-praktiken-von-predatory-publishers/. | |
Mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) steht Herr Scholz-Reiter zu | |
dieser Thematik im Austausch. Erst kürzlich hat er in einem Schreiben an | |
den Präsidenten der DFG angeregt, dass die DFG als | |
Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft dieses Thema gemeinsam mit | |
ihren Mitgliedseinrichtungen in angemessener Weise aufarbeiten möge. Die | |
Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen teilt Herr | |
Scholz-Reiter vollumfänglich. Seiner Meinung nach muss es eine Antwort des | |
gesamten Wissenschaftssystems geben, etwa eine Art TÜV für Zeitschriften. | |
Die Universität Bremen nimmt die Aufgabe der Warnung vor Raubverlegern sehr | |
ernst. Die Staats- und Universitätsbibliothek informiert regelmäßig über | |
das Publizieren im Open Access sowie über Predatory Publishers. Auch in der | |
2017 veröffentlichten Richtlinie zur institutionellen Zugehörigkeit in | |
Forschungspublikationen verweist die Universität auf die Bedeutung der | |
Qualitätskontrolle bei der Auswahl von Open-Access Portalen (siehe | |
https://www.uni-bremen.de/fileadmin/user_upload/forschung/Ranking/Richtlini | |
en_Forschungspublikationen.pdf ). Außerdem berät die Staats- und | |
Universitätsbibliothek Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die einen | |
Antrag zur Förderung von Open Access-Publikationen bei ihr stellen, gezielt | |
bei der Auswahl möglicher Verlage. | |
Da die Universität mit ihren vielen Fachbereichen und Instituten eine | |
dezentrale Einrichtung ist, wird zentral nicht erfasst, ob und wie viele | |
Publikationen gegebenenfalls in Raubverlagen erschienen sind. | |
Herr Scholz-Reiter begrüßt die Diskussion, die durch die Berichterstattung | |
zum Thema Predatory Publishing ausgelöst wurde. Er hofft, dass sie einen | |
Beitrag dazu leistet, bei allen Mitgliedern des Wissenschaftssystems ein | |
Problembewusstsein für die Machenschaften der Raubverleger zu schaffen. Er | |
möchte aber auch darauf hinweisen, wie wichtig es ist, dass in der Debatte | |
sorgfältig zwischen den Raubverlegern und unredlichen Autoren auf der einen | |
Seite und redlichen Autorinnen und Autoren auf der anderen Seite | |
unterschieden wird. Es darf nicht der falsche Eindruck entstehen, dass es | |
in der Wissenschaft mehr Fake als Wahrheit gibt. Es kann nicht der Schluss | |
gezogen werden, dass eine Veröffentlichung, die bei einem Verlag erschienen | |
ist, der heute als Predatory Publisher bekannt ist, allein dadurch | |
wissenschaftlich unseriös sei.“ | |
Die Redaktion | |
22 Nov 2018 | |
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