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# taz.de -- Im Schatten des Meisters
> Was hat Rembrandt gezeichnet, was stammt von seinen Schülern? Das
> Kupferstichkabinett zeigt Zeichnungen der Rembrandtschule und will dabei
> den Blick der Besucher*innen für die jeweilige Strichführung schärfen
Bild: Gerbrand van den Eeckhout: Susanna und die beiden Alten, um 1635 Foto: J�…
Von Vanessa Prattes
Dass das Bild „Die Verkündigung an Maria“ aus der Feder zweier Künstler
stammt, ist offensichtlich. Mit energischer, selbstbewusster Strichführung
greift Rembrandt in die Zeichnung seines Schülers, des Stadtsekretärs
Constantijn Daniel van Renesse, ein und korrigiert das detaillierte, mit
farbiger Kreide und Lavierungen gestaltete Bild seines Schülers. Hinter dem
kindlich wirkenden Engel erscheint ein weiterer, deutlich größerer Engel,
der, umgeben von Licht, die Gestalt eines überirdischen Wesens einnimmt.
Die räumlichen Strukturen werden mit diesen wenigen Strichen deutlich
verstärkt und akzentuiert. Dass studierte und gebildete Laien wie van
Renesse Zeichenunterricht bekamen, war während des Goldenen Zeitalters in
den Niederlanden nicht unüblich.
Ganz so einfach, wie im Fall der „Verkündigung an Maria“ ist es bei anderen
gezeichneten Rembrandtwerken nicht: Der ähnliche Stil der Zeichnungen aus
der Rembrandtschule führt seit Jahrhunderten zu fehlerhaften
Zuschreibungen. So gelten heute mehr als die Hälfte der Bilder, die der
Wiener Kunsthistoriker und Direktor der Albertina, Otto Benesch, 1954–1957
in seinem Bestandskatalog Rembrandt zugeschrieben hat, als Arbeiten von
Rembrandts Schülern und Mitarbeitern.
Die Frage nach der Authentizität der Werke des holländischen Meisters
führte in jüngsten Forschungen zu einer umfassenden Neubewertung, die nun
in der Ausstellung „Aus Rembrandts Werkstatt. Zeichnungen der
Rembrandtschule“ im Kupferstichkabinett anhand von rund einhundert Werken
aus Rembrandts Umfeld präsentiert wird. Beim Durchschreiten der Ausstellung
gestaltet sich die Zuordnung der Werke sowohl für Laien als auch für
Rembrandt-Kenner als Herausforderung. Doch die Ausstellung schafft es, den
Blick für die charakteristische klare Strichführung Rembrandts zu schärfen
oder überhaupt erst einmal zu entwickeln.
„Die Verwechslung hat historische Ursachen“, sagt Holm Bevers, Hauptkustos
und kommissarischer Direktor des Kupferstichkabinetts. Seine Leidenschaft
für die Werke des Künstlers ist spürbar. Durch seine langjährige
Beschäftigung mit den Werken sei sein Bild von Rembrandt als Zeichner
konzentrierter geworden. Er habe nun eine „bessere Vorstellung davon, wie
die Werkstatt funktioniert hat“.
Auf engem Raum, in unmittelbarer Nähe zum Künstler lernten Anfänger,
gelernte Künstler und Kunstliebhaber die Kunst des Zeichnens. Von den
1630er Jahren bis in die 1660er Jahre strömten zahlreiche Schüler, 50 davon
sind bekannt, zu dem namhaften Künstler Rembrandt Harmenszon van Rijn
(1606–69) nach Amsterdam. Dort lernten sie, „Kompositionen und
Inszenierungen dramatischer Geschichten zeichnerisch darzustellen, die
Anlage von Licht und Schatten und des Ausdrucks der Figuren“, erklärt
Bevers.
Der Stil von Rembrandt, den die Schüler oft übernahmen, sei für die Schüler
prägend gewesen. In gemeinsamen Sitzungen skizzierten sie Landschaften im
Freien oder arbeiteten Seite an Seite an Aktstudien. Neben der
Themenauswahl aus Bibel, Mythologie und Geschichte teilten sie sich auch
die Utensilien. Die Tatsache, dass Meister und Lehrling in der Werkstatt
oft in das gleiche Tintenfass mit Eisengallustinte griffen, erschwert die
Zuschreibung.
Aus diesem Werkstattbetrieb erklärt sich also die Gleichartigkeit der
Zeichnungen. Ausgangspunkt der Untersuchungen ist eine Kerngruppe von 75
Blatt, die gesicherte Zeichnungen, Skizzen und Radierungen des Künstlers
sind, die er eigenhändig signiert oder als Skizzen und Entwürfe für Gemälde
und Radierungen erstellt hat. Die Unterschiede seien oft „in der
Strichführung erkennbar“, findet Bevers und weist auf die sogenannten
Kostümstudien.
Beim Betrachten der beiden gezeigten Schauspielbilder, die vermutlich in
einer gemeinsamen Sitzung im Atelier des Meisters entstanden sind, ist
erkennbar, inwiefern die Strichführung eine Rolle spielt. Das Berliner
Blatt wird heute dem Schüler Gerbrand van den Eeckhout zugeordnet und zeigt
eine Frau in deutlich gleichförmigerer und homogenerer Strichführung,
während Rembrandt in seiner Kostümstudie viel subtiler und differenzierter
vorgeht. Interessant sind die Andeutung des Lichteinfalls an der
Schulterkrause sowie das feine Gesicht der Frau. Es gelingt Rembrandt,
Gesichter zu schaffen, an denen Gefühle deutlich ablesbar sind und die sich
von den Werken der Schüler abheben. Erst nach Verlassen der Werkstatt
entwickelten viele Schüler einen individuellen Stil, der nur noch entfernt
an die Zeit im Atelier des Meisters Rembrandt erinnert.
Bis 18. November im Kupferstichkabinett, Matthäikirchplatz, Di.–Fr. 10–18,
Sa., So. 11–18 Uhr
15 Nov 2018
## AUTOREN
Vanessa Prattes
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