# taz.de -- So viel Kritik muss sein: Florian Maier über Knausgård V: Vertrau… | |
Bild: Robin Sondermann als Knausgård im Regen | |
Nass stehen Karl Ove und Espen voreinander im Regen. „Ich habe dein | |
Manuskript gelesen“, sagt Jan Grosfeld in der Rolle des jungen Espen und | |
gibt Karl Ove die tropfenden Seiten: „Vielleicht solltest du dich eher | |
einem anderen Thema widmen, es wirkt so wie ein Jugendroman.“ Robin | |
Sondermann spielt Karl Ove Knausgård, der aus Verzweiflung zu grinsen | |
versucht, und dem das Gesicht zur Fratze entgleist. Das Manuskript landet | |
im Müll. | |
Frank Abt und sein Team inszenieren am Theater Bremen jeden Band der | |
sechsteiligen „Min Kamp“-Saga von Knausgård. Mittlerweile ist man beim | |
fünften Band „Träumen“ angekommen, die Zeit kurz nach dem Studium, als er | |
erste Gehversuche als Schriftsteller unternimmt. Alle scheitern. Sein Geld | |
muss der Autor damit verdienen, in einer psychiatrischen Anstalt als | |
Pflegekraft auszuhelfen. Er selbst verzweifelt mehr und mehr an der | |
Situation. Ab der Hälfte macht das Stück einen Zeitsprung in die Zeit, in | |
der er bereits erfolgreich mit seinen ersten Büchern ist, worunter jedoch | |
sein Familien- und Beziehungsleben leidet. | |
Das Ganze funktioniert als eine Art szenische Lesung. Der Text, geschrieben | |
in der Ich-Perspektive, wird vorgetragen von den beiden Schauspielern. | |
Sondermann spielt fantastisch: Mit weit aufgerissenen Augen gibt er den | |
Versuchen, nicht zu scheitern, ein verzweifeltes Gesicht. Dabei schafft er | |
es, die Bühne komplett zu füllen und gleichzeitig Knausgårds Inneres nach | |
außen zu transportieren. Die erste Hälfte funktioniert als One-Man-Show: | |
Langeweile oder die Suche nach Abwechslung kommt gar nicht erst auf. | |
Doch auch Jan Grosfeld kann auf der Bühne überzeugen, sei es musikalisch | |
oder in seiner Rolle. Die beiden betten sich ideal ins anfangs noch sehr | |
minimalistische Bühnenbild von Susanne Schuboth ein. Das besteht zu Beginn | |
nur aus zwei Wänden und zwei Projektionen. Diese werden wie auch in den | |
vorherigen Saga-Teilen wieder mit liebevollen Grafiken bespielt. Auch | |
einige der Projektionen sind aus den ersten Inszenierungen bekannt. | |
Zu Beginn des zweiten Teiles bricht das Bühnenbild auf und legt dahinter | |
noch einen ganzen Wohnraum frei. Auch diesen kennt man schon aus den | |
früheren Folgen. Und genau dieses Gefühl von Vertrautheit ist es, was diese | |
Reihe so besonders macht. Wie auch in den Büchern, ist man Teil des Lebens | |
und der Gefühlswelt von Karl Ove Knausgård. Jedes noch so kleine Detail | |
scheint den Leser*innen oder Zuschauer*innen wichtig zu sein, um die | |
Geschichte vollständig zu erleben. Das kreiert einen Sog, mit dem der | |
Autor, aber auch der Regisseur vortrefflich spielt. | |
Glücklicherweise besinnt sich Frank Abt auf die Stärken der ersten „Min | |
Kamp“-Inszenierungen. Nach dem lauten vierten Teil kehrt wieder etwas Ruhe | |
ein. So können die Darsteller die Bühne nutzen und ihrem Spiel und den | |
Textpassagen Knausgårds freien Lauf lassen. Nah am Originaltext zu bleiben, | |
scheint sowieso die größte und emotionalste Herausforderung zu sein. | |
9 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Florian Maier | |
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