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# taz.de -- Früher Spielzeug,heute Trendfahrzeug
> Ökologisch, praktisch und schnell – in Frankreich werden elektrische
> Tretroller immer beliebter. Sehr verkehrssicher ist der Spaß allerdings
> nicht, zeigen Unfallzahlen
Bild: Schnell und öko: der E-Tretroller
Von Klara Fröhlich
Nicht mit dem Fuß, sondern mithilfe des Daumens fährt Paris in die
feinstaubfreie Zukunft. Treten ist von gestern. Heute regelt man per
Daumendruck auf einen Knopf am rechten Lenker des elektrischen Tretrollers
die Geschwindigkeit. Und surrt keine zwei Sekunden später mit schlappen 25
km/h an Fußgängern, Fahrrädern und im Stau stecken gebliebenen Autos
vorbei.
Elektrische Tretroller sind das neue Trendtransportmittel in Frankreich.
Laut einer Marktanalyse von Branchenexperten gaben die Franzosen im
vergangenen Jahr insgesamt 62,9 Millionen Euro dafür aus. Mehr als für
jedes andere der neuen E-Fahrzeuge, wie beispielsweise dem E-Wheel, dem
elektrischen Einrad, oder dem E-Skateboard. Die Tendenz sei deutlich
steigend, heißt es.
Geschäftsmann Guillaume Bocs öffnete 2013 Läden seiner Kette „eroue“ in
mehreren französischen Städten. Er verkaufte zuerst nur E-Wheels. Heute
seien jedoch die E-Roller am beliebtesten. „Die sind am einfachsten zu
bedienen und werden heute nicht mehr nur von Nerds und Businessleuten
genutzt“, sagt er. Zu zweit, mit Einkaufstüte, Kopfhörern, Absatzschuhen,
mit oder ohne Helm – alltäglich und oft wenig verkehrssicher sieht man sie
mittlerweile in Paris.
Doch warum boomt der E-Roller gerade jetzt in Frankreich? Für den
Städteforscher Jérôme Monnet treffen verschiedene Faktoren aufeinander: „Es
ist eine verspätete Reaktion auf eine ganze Reihe von technologischen
Innovationen wie Gyroskope (Kreiselsysteme, die beim Ausbalancieren
helfen), immer kleiner werdende Motoren und bessere Batterien“, sagt er.
„Sie stellen eine technologische Avantgarde dar und haben dieses Bild auf
den Roller übertragen.“ Etwas ironisch, wie er meint. Denn der Roller sei
eigentlich ein altes Kinderspielzeug, das in Frankreich aus den Läden
verschwunden war. Die überlasteten öffentlichen Verkehrsmittel und der
Platzmangel hätten viele Menschen dazu gebracht, über andere
Transportmöglichkeiten nachzudenken. „Der Roller ist kleiner und leichter
als ein Fahrrad, lässt sich zusammenklappen und tragen und damit besser mit
anderen Transportmitteln kombinieren. Das ist seine Schlüsselfunktion“,
argumentiert Monnet.
Populär machten den E-Roller vor allem die Start-ups Lime und Bird. Ende
Juni tauchten ihre Leihgeräte in Paris an Bushaltestellen, auf Fußwegen und
Fahrradplätzen auf. Wie viele Geräte im Umlauf sind, geben die Unternehmen
nicht preis. Zu umkämpft ist der Pariser Verkehrsraum. Doch allein von Bird
sollen mehrere hundert Modelle auf den Straßen stehen. „Einige
Ladenbesitzer hatten zuerst Angst, dass es sich schlecht aufs Geschäft
auswirkt“, erklärt Guillaume Bocs. „Tatsächlich haben uns die
Free-Floating-Roller aber einen deutlichen Boost verschafft. Die Leute
testen es erst und kommen dann zu uns, um sich ein Modell zu kaufen.“
Nach den schwierigen Starts in San Francisco und Washington, wo
Leih-E-Roller Proteste auslösten, war die Entscheidung, nach Paris zu
gehen, ein cleverer Schachzug. Die mietbaren Stadtfahrräder, die Vélibs,
sind seit mehreren Monaten wegen Umbauarbeiten nicht flächendeckend
funktionstüchtig. Und die Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat der hohen
Luftverschmutzung offiziell den Kampf angesagt. Das mag auch der Grund
sein, warum die Stadt die im Straßenverkehr noch unerprobten E-Roller
zunächst so wenig regelte.
Erst als die französische Behörde für Verkehrssicherheit erste Unfallzahlen
veröffentlichte, änderte das Pariser Rathaus seine Haltung. Im Zusammenhang
mit E-Tretern sind im vergangenen Jahr fünf Menschen gestorben, 284 wurden
verletzt. Die E-Roller sollen nicht mehr auf dem Fußweg fahren, fordert
Christophe Najdovski, Grünenpolitiker und Verkehrsbeauftragter des Pariser
Rathauses. „Seitdem die Anbieter der E-Roller im Free-Floating-Modell in
Paris sind, befinden wir uns in einer Art Schwebezustand. Es handelt sich
nicht mehr um Kinderspielzeuge, die auf dem Fußweg fahren können. Es sind
aber auch keine immatrikulierten, motorisierten Fahrzeuge, für die man
einen Helm braucht“, sagt Najdovski. „Es ist ein Zwischending. Da ist das
Nichts.“ Bevor jedoch etwas gegen dieses Nichts unternommen wird, warten
die Politiker im Rathaus auf das neue Mobilitätsgesetz, das diesen Herbst
kommen soll. Der Weg in die Zukunft ist noch lang. Auch wenn man ihn per
Daumen mit 25 km/h zurücklegt.
29 Oct 2018
## AUTOREN
Klara Fröhlich
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