| # taz.de -- „Ein Mix aus Freiheit und Größenwahn“ | |
| > Kurt Dahlke, Keyboarder der Band Fehlfarben, im Gespräch über die Tour zu | |
| > ihrem Klassiker „Monarchie und Alltag“ | |
| Bild: Fehlfarben bei einem Konzert ihrer aktuellen Tour, hinten links im Bild: … | |
| Interview Jan Paersch | |
| taz: Kurt Dahlke, wann haben Sie das epochale Fehlfarben-Album „Monarchie | |
| und Alltag“ zuletzt gehört? | |
| Kurt Dahlke: Das muss vor drei Jahren gewesen sein, als wir uns auf ein | |
| Festival in Düsseldorf vorbereiteten. Da haben wir das Album werkgetreu | |
| nachgespielt. Das interessierte dann mehr Leute, als wir gedacht hatten, | |
| deshalb machen wir jetzt eine Tour. | |
| Warum haben Sie es originalgetreu nachgespielt? | |
| Bei Konzerten beschwerten sich regelmäßig Zuschauer, weil der Song „Paul | |
| ist tot“ nicht so klang wie auf dem Album. Unsere Antwort: Wir hatten | |
| damals einfach nicht die technischen Möglichkeiten, die es heute gibt. Wir | |
| haben uns lange geweigert, „Es geht voran“ zu spielen, es in Reggae- und | |
| Hardcore-Punk-Versionen gespielt – aber es ist uns nicht gelungen. Also | |
| haben wir es wieder so einstudiert, wie es 1979 klang. | |
| Sie stießen erst 1980 bei den Aufnahmen zu „Monarchie und Alltag“ zu | |
| Fehlfarben und sind nur auf „Paul ist tot“ zu hören. Wie kam das? | |
| Die Band bestand aus Freunden von mir. Das war eine Düsseldorfer | |
| Supergroup, mit Musikern von DAF und Mittagspause. Ich bin nur dazu | |
| gekommen, weil ich sehen wollte, wie ein großes Studio funktioniert. Da | |
| stand ein toller Synthesizer, auf dem ich mich ausprobieren durfte. Als sie | |
| „Paul ist tot“ spielten, habe ich ein bisschen darauf herumgedrückt, und | |
| die anderen meinten: „Ist gut, mach mal.“ | |
| Worum geht’s denn in „Paul ist tot“? | |
| Im Ratinger Hof in Düsseldorf haben wir stets zu zweit geflippert, einer | |
| rechts, einer links. Das sagten wir, wenn der Ball beim Flipperautomaten | |
| verloren ging. | |
| Die Zeile „Ich schau mich um und seh nur Ruinen“ hat eine politische | |
| Botschaft. | |
| Natürlich. Aber es ging auch um Persönliches, um die Beziehungsdramen, die | |
| sich im Ratinger Hof abspielten. Der Laden war unser Wohnzimmer. | |
| Es heißt, westdeutscher Punk sei dort erfunden worden. Warum ausgerechnet | |
| in Düsseldorf? | |
| Der bildende Künstler Imi Knoebel hatte den Ratinger Hof gestaltet, es gab | |
| eine Nähe zur Kunstakademie. Es war nicht bloß ein Punkladen, es war ein | |
| Schmelztiegel aus Kunst und Musik. Von 1977 an gab es ein ambitioniertes | |
| Musikprogramm mit internationalen Bands wie Pere Ubu und Wire. Düsseldorf | |
| war damals der Schreibtisch des Ruhrgebiets. Verwaltung, Versicherung, | |
| Mode. Wir wollten dem etwas entgegensetzen. | |
| Sie bewerben die Tour mit der Zeile „Das Zeitgefühl der 80er auf großen | |
| Bühnen“. Was für ein Gefühl ist das? | |
| Ein Gefühl des Widerspruchs. Einerseits gab es einen Konservatismus in der | |
| Politik mit dem Nato-Doppelbeschluss und der Stationierung atomarer Raketen | |
| in Deutschland, andererseits eine Jugend, die aufbegehrte. Nicht im Sinne | |
| der 68er, dem Marsch durch Instanzen, sondern eine Antibewegung: No Future! | |
| Das Fehlfarben-Gefühl war ein Mix aus großer Freiheit und Größenwahn. Wir | |
| glaubten, eine Revolution mit Musik zu machen. | |
| Mit Revolutionen ließ sich nie groß Geld verdienen. Wollten Sie nicht in | |
| die Charts? | |
| Meine Antwort war immer: Am liebsten wäre mir ein mittelständisches | |
| Unternehmen mit 30 Mitarbeitern, und alle haben mit Musik zu tun. Mit | |
| meinem Label Ata Tak ist mir das auch gelungen, wir waren zeitweise zu | |
| siebt und verfügten über ein eigenes Studio. | |
| Ist es angenehm, als Keyboarder auf der Bühne im Hintergrund zu sein? | |
| Das ist schon gut so. Bei den ersten Fehlfarben-Konzerten nach unserer | |
| Wiedervereinigung hatten wir die grandiose Idee, Songs von jeder Gruppe zu | |
| covern, in der Fehlfarben-Mitglieder mal gespielt haben. Also musste ich | |
| nach vorn, und vor einem Rockerpublikum auf der Reeperbahn „Alte Pizza“ von | |
| Der Plan singen: „Draußen am Bahnhof liegt’ne alte Pizza / oh, die ist | |
| lecker, die muss ich jetzt essen.“ Das war nicht meins. Kein schönes | |
| Bühnengefühl. | |
| Müssen Sie vor den anstehenden Konzerten überhaupt noch proben? | |
| Wir machen nur eine Hotelprobe, spielen die Stücke trocken im Hotelzimmer | |
| mit akustischer Gitarre. Wir schrammeln die Stücke runter, und jeder | |
| versucht, sich an seine Parts zu erinnern. | |
| Interessant. Gibt es demnächst also „Monarchie & Alltag“ unplugged? | |
| Das lassen wir lieber! | |
| 12 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Paersch | |
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