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# taz.de -- Die Wahrheit: Lobby als Hobby
> Er wollte sich engagieren, damit die Missstände ein für alle Mal
> beseitigt würden: Ein Mann hat endlich die Seinen gefunden.
Sie drückte das silbern vernickelte Knöpfchen und ließ das Maßband in das
braune kunstlederbezogene Gehäuse zurückschnellen. Hatte sie seine
aufkommende Erektion bemerkt, als sie sich, seine Beine empor, an seinen
Innenschenkeln längs tastete? Besorgt sah er auf sie herab, während er vom
Tisch herunterkletterte.
Sein Leidensdruck war hoch und er wollte sich engagieren, damit die
Missstände ein für alle Mal beseitigt würden. Täglich wurde neues Wasser
auf die Mühlen seiner Bedrängnis geschüttet. Wenn er sich nun mit einer so
adoleszenten Demonstration seines geschundenen Körpers die Chance auf ein
aktives Einstehen für sich und andere verbaute, würde er sich morgens nicht
mehr in die Augen schauen können. Oder auf sein Kinn. Beim Rasieren.
Zu den Blutergüssen gesäßabwärts kämen grässliche Schnitte im Gesicht,
unansehnliche Narben, die man peinsamsterweise für Schmisse halten könnte.
Das musste unbedingt verhindert werden! Die Mitgliedschaft war das Einzige,
das zählte in diesem Moment; zu dieser Zeit, die eine Zeitenwende
versprach.
Zögerlich räusperte er sich und wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als
sie sich, am Werkzeugkasten stehend, zu ihm umwandte: „Es könnte knapp
werden. Ich würde sagen, es ist eine Sache von ein bis zwei Zentimetern.
Das kann letztlich nur der Vorstand entscheiden. Auf gar keinen Fall dürfen
Sie erkennbare Umnäher an den Hosenbeinen haben. Das ist nicht regelkonform
und wird geahndet. Wir müssen nachweisbar und transparent sein. Eine
Fehlinformation der Bevölkerung oder Fälschung der Statistiken ist um jeden
Preis zu vermeiden. Sie erinnern sich an den Geschichtsunterricht? Der Alte
Fritz und so weiter … Am Ende wurden die Kleinen nach hinten gestellt, auf
Holzkisten. So etwas gibt es bei uns nicht! Die ruchlosen Täuschungsmanöver
der Monarchie sind unsere Sache nicht. Bei uns gibt es nur Fakten, Fakten,
Fakten. Das Echte im Echten ist wahre Echtheit.“
Ihm strömten Tränen des Glücks über das Gesicht angesichts dieser starken
Worte. Sie sprach ihm vollumfänglich aus dem Herzen. Gab es etwas
Verwerflicheres als Scheinriesen?! Diese abgründigen Kreaturen, die sich
überall im öffentlichen Raum breitmachten. Imaginäre Kindsköpfe zwischen
ihren Knien als Abstandhalter, aber mit den Füßen kaum auf den Boden
kommen!
Wie er diese Vierersitzgruppen hasste! Besonders diese neuen in der
Straßenbahn, bei denen niemand so recht wusste, ob sie nun für vier oder
für zwei besonders umfangreiche Personen gedacht waren oder seinetwegen
auch für Eltern, die sich mit ihrer Brut eine Bank teilen wollten. All
diese Uneindeutigkeiten im öffentlichen Personennahverkehr, sie waren fast
genauso schlimm wie das gemeinsame Anliegen der Menschen, auf die er hier
getroffen war. Um alles in der Welt wollte er zu ihnen gehören. Teil werden
der LLL.
Teil werden der Liga Leidender Langbeiniger.
23 Oct 2018
## AUTOREN
Xenia Helms
## TAGS
Lobbyisten
Körper
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