# taz.de -- das portrait: Vom Pokerstar zum neuen Innenminister: Christophe „… | |
Dass Christophe Castaner einmal Innenminister Frankreichs wird, hätte er | |
selbst wohl für unwahrscheinlich gehalten. Unwahrscheinlich – aber nicht | |
unmöglich. Denn wenn es etwas gibt, worin sich Castaner von vielen | |
französischen PolitikerInnen unterscheidet, dann ist es die Fähigkeit, | |
erbarmungslos mit sich selbst auf ein Ziel zuzuarbeiten. | |
Heute, mit 52 Jahren, einem gepflegten Dreitagebart, gut sitzenden Hemden | |
und stets geschmackvollem Auftreten, scheint Castaner mehr denn je seinem | |
idealen Ich zu entsprechen: Selfmademan mit großer Schnauze, aber echtem | |
politischen Talent. Ursprünglich sah nämlich nichts in seinem Leben nach | |
einer politischen Karriere aus. In einer Kleinstadt im Süden Frankreichs | |
als Sohn eines ehemaligen Militärbeamten und einer Hausfrau geboren, | |
verlässt der 17-jährige Castaner frustriert, rebellisch und in ständigem | |
Streit mit seinem Vater das Elternhaus. Zwei Jahre lang frequentiert er | |
Spielclubs in Marseille und verdient sich seinen Lebensunterhalt mit | |
Pokern. Ein Spiel, das ihn gelehrt habe, „ruhig Blut“ zu wahren – wie er | |
heute angibt. Die Versuchung des „leichten Geldes“, erklärt er heute. Das | |
Bild eines „kéké“, eines Draufgängers, hängt ihm immer noch an, auch we… | |
sein neuer offizieller Spitzname nun „Casta“ ist. Kurz, knackig und wie | |
Castaner selbst sich definiert: effizient. | |
Seine Pokerkarriere beendet er nach zwei Jahren, holt mit 20 sein Abitur | |
als „candidat libre“ nach, also mit Vorbereitung auf eigene Faust, und | |
tritt in die sozialdemokratische Parti socialiste ein. Er macht einen | |
Abschluss in internationalem Recht an der Universität Aix-en-Provence, | |
engagiert sich in der Gewerkschaft der Studenten Unef und findet Gefallen. | |
Er wird Anhänger des sozialistischen Politikers Michel Rocard, der Ende der | |
70er Jahre eine liberalere Strömung in der Linken populär machte. Castaners | |
sozialliberale Ausrichtung stammt aus dem Beginn seines politischen | |
Engagements. | |
Es schließen sich Erfolge als Bürgermeister einer Kleinstadt an, als | |
Regionalpolitiker und 2012 auch als Abgeordneter im französischen | |
Parlament. Ende 2015 tritt Castaner schließlich als Spitzenkandidat der | |
Sozialisten in der traditionell sehr rechts ausgerichteten Region | |
Provence-Alpes-Côte d’Azur an. Er zieht seine Kandidatur zurück, um den | |
Einzug des Front National in den Regionalrat zu blockieren. Seine Partei | |
dankt es ihm nicht. Enttäuscht tritt Castaner daraufhin Emmanuel Macrons | |
Bewegung „En Marche“ bei. Er wird zum „Mann auf dem Terrain“ und wander… | |
Sommer 2016 knapp 300 Kilometer in seinem Wahlbereich auf der Suche nach | |
Wählern, die bereit waren, ihn aufzunehmen und mit ihm über ihre Sorgen zu | |
sprechen. Er will eben auch „ganz normal“ sein, erklärte er immer wieder. | |
Seitdem ist er einer der engsten Mitarbeiter des Präsidenten. Dieser macht | |
ihn 2017 zum Regierungssprecher und Vorsitzenden seiner Partei. Castaner | |
sagte artig danke, auch wenn er – das weiß ganz Frankreich – eigentlich auf | |
Höheres schielt. Er muss sich noch ein wenig gedulden. Aber nur ein wenig. | |
Klara Fröhlich | |
17 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Klara Fröhlich | |
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