# taz.de -- First Steps, weit nach vorne | |
> Nachwuchsfilmpreis öffnet den Blick auf eine junge und diverse Branche | |
Von Jenni Zylka | |
„Er tut doch nur so, als sei er hetero …“ Mitglieder der schwulen | |
Rugbymannschaft „Berlin Bruisers“ gackern über ihren einzigen, vorgeblich | |
heterosexuellen Mitspieler. „Tackling Life“, der am Montagabend als „Best… | |
Dokumentarfilm“ den Nachwuchspreis „First Steps“ gewann, ist eine helle, | |
sensible, wunderbar alberne Dokumentation über Männer in Trikots und Drag. | |
Joachim Lists Portrait der selbsternannten „schlechtesten“ Mannschaft | |
Deutschlands geht weit über eine sporttypische Erfolgsgeschichte hinaus. | |
Und liefert – neben der Toleranzwerbung in einer von männlicher | |
Macho-Normativität geprägten Sportart – ein weiteres Beispiel für die | |
Internationalität der Stadt – dass sich in der traditionellen | |
Schlechter-Fußball-Hochburg überhaupt eine Rugbymannschaft zusammenfindet! | |
Aber die First-Steps-Nominierten und GewinnerInnen sind eben jung und | |
allein darum zukunftsorientiert. Ihre Themen finden sie in der Familie oder | |
Nachbarschaft, ihre Inszenierungen sind persönlich, nah und gegenwärtig: | |
„Jibril“, Henrika Kulls intensive Darstellung einer Liebesgeschichte | |
zwischen einer alleinerziehenden Berliner Mutter und einem | |
Gefängnisinsassen war gleich zweimal nominiert – in der Kategorie | |
„Abendfüllender Spielfilm“, und in Form seiner umwerfenden Darstellerin | |
Susana Abdulmajid für den „Götz-George-Nachwuchspreis“ für | |
SchauspielerInnen. Genau wie „Oray“, dessen Hauptdarsteller Zejhun Demirov | |
schließlich mit diesem Preis geehrt wurde. | |
„Ich komme mir schon vor wie ein Papagei“, hatte Filmakademie-Präsidentin | |
Iris Berben in komischer Verzweiflung in ihrer Begrüßung gestanden, in der | |
sie schon wieder und noch immer Intoleranz, Rassismus und Sexismus | |
geißelte. Dabei scheint die (Nachwuchs-)Branche weiter zu sein als der | |
Mainstream: „Es heißt doch eh keiner mehr Müller oder Meier“, befand der | |
Ehrenpreisträger und „Perspektive Deutsches Kino“-Inszenator Dieter | |
Kosslick und schlug zudem vor, seinen Preis in „Last Steps“ umzubenennen – | |
das nächste Jahr wird bekanntlich sein letztes als Berlinale-Chef. | |
Dass für den „Michael-Ballhaus-Preis“ für die beste Kamera in diesem Jahr | |
drei Frauen nominiert waren, muss man hoffentlich auch zum letzten Mal | |
herausstellen: Die Mexikanerin Mariel Baquiero bekam die Auszeichnung für | |
ihre Arbeit im Schnee. Ihre wuchtigen Bilder für „Hagazussa“ von Lukas | |
Feigelfeld, der auch zum besten Spielfilm gekürt wurde, erzählen eine | |
faszinierende Hexengeschichte. Die Ausgrenzung, die seine Protagonistin | |
Albrun erlebt, macht den Film aktuell: Das alles ist gar nicht weit weg. | |
26 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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