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# taz.de -- Der letzte Screwball von Haidhausen
> Einen anderen Klaus Lemke als den breitbeinigen Sprüchemacher präsentiert
> der lakonisch-bayerische Fernsehfilm „Amore“ mit Cleo Kretschmer. Die
> Komödie läuft heute und Sonntag im Zeughauskino
Von Thomas Groh
Klaus Lemke ist der Bad Boy des deutschen Films. Der Mann mit den
breitbeinigen Sprüchen gegen das Förderkino, der letzte Film-Guerilla, der
Kiez-Rebell, der seine White-Trash-Diven im Nachtleben aufgabelt und dann
in kleinen Impro-Filmen fürs ZDF zu großen Kinostars erklärt. Der Mann, der
„Rocker“ gedreht hat.
Kennt man, stimmt ja auch alles. Nur gibt es eben nicht nur diesen einen
Klaus Lemke, sondern viele Lemkes. Den poetischen, den verkifften, den
hippen, den zärtlichen, den witzigen, nicht zuletzt: den
Cleo-Kretschmer-Lemke.
Cleo Kretschmer, die bei Passau als Ingeborg Maria Kretschmer geborene,
später in München aufgewachsene Schauspielerin trug eine charmant-rustikale
Würze in Lemkes Filme, die zuvor noch – ganz dicht am Zeitgeist um 1970 –
von linken Kommunarden, Jet-Set-Models, Kiez-Rockern, Kleinkriminellen und
Hippie-Aussteigern handelten. Mit Kretschmer hingegen entdeckte Lemke die
Coolness der Uncoolness: den Chic des Provinziellen („Idole“, 1976) oder
die burschikos-schlagfertige Renitenz der Münchner Kleinkrämer-Tochter
Maria in „Amore“ (1978), der jetzt in der verdienstvollen Reihe „Aus den
Fernseharchiven“ im Zeughauskino läuft – übrigens bei freiem Eintritt!
„Der weiß noch nicht, dass er wieder heiraten will, aber wollen tut er
schon.“ Mit solchen umgangssprachlich-gefärbten, eher niederbayerisch als
münchnerisch klingenden Sätzen spielt sich Kretschmer als Maria in „Amore“
ins Herz des Publikums, während sie ihrem ahnungslosen Filmvater per
Annonce eine neue Frau fürs Leben sucht. Eine weitere Frau im Haus ist auch
bitter nötig: Maria schmeißt den Laden, hilft beim Einkauf und der
Buchhaltung, untersagt dem Vater abends das Bier und zieht ihn morgens aus
dem Bett.
Und ihr eigenes Liebesleben? „Da müsste ich mich ja um zwei Männer
kümmern“, stöhnt sie genervt. Das passt ziemlich gut in Lemkes Welt, in der
sich, entgegen seinem Macker-Ruf, mit die interessantesten und taffesten
Frauen der deutschen Filmgeschichte finden – während die Männer bei ihm
meist ziemliche Trüblinge sind.
In „Amore“ sind das etwa Wolfgang Fierek als Franz, ein leicht
vertrottelter Bundeswehrsoldat mit Honigkuchenpferd-Grinsen, sowie Pietro
(Pietro Giardini), ein italienischer „Gastarbeiter“, dessen gebrochenes
Deutsch bei Weitem verständlicher ist als Franz’ derb-bayerisches Idiom.
Franz nun datet Bärbel (Brigitte Platzer), die ihn aber mit Pietro betrügt,
weshalb sie Franz an Maria vererbt, die dann aber, zum Missfallen von Franz
und Bärbel, was mit Pietro anfängt, während sie eine Politesse an ihren
Vater zu vermitteln versucht. Schrecklich verwickelt, diese Liebesdinge –
und nach Venedig geht es, der „Amore“ wegen, schlussendlich auch.
Das ist guter Screwball – wenn auch im lakonisch-bayerischen Tempo. Toll
ist der Film nicht nur, aber vor allem wegen Cleo Kretschmer, die sich den
Film als heimlicher Star der Münchner Seitenstraßen völlig zu eigen macht
und ihrem Regisseur die Hipness-Flausen konsequent austreibt.
Spannend ist der herrlich grobkörnige Film aber auch als Dokument der
späten Siebziger: Nicht nur, weil der Putz an den Häusern hier noch
schmutzig ist und die Autoradios klapprig-defekte Leuchtschachteln sind,
die heute proper hergerichtete Sedanstraße im alten Münchner
Arbeiterviertel Haidhausen noch ranzigen Charme verströmt und die Stuben
mit nikotingelber Behaglichkeit locken.
Sondern auch weil sich hier die Beharrungskräfte des Alltäglichen auch
innerhalb der heute nostalgisch verklärten Siebziger ein Stück weit greifen
lassen: In Marias proletarischer Münchner Welt blitzt der Deutsche Herbst
nur einmal kurz, in Form einer Zeitungsschlagzeile, die wie von einem
anderen Planeten wirkt. Neben vielem anderen ist Klaus Lemke eben auch
einer der wichtigsten Chronisten der alten BRD.
Zeughauskino, 21. September, 21 Uhr; 23. September, 18 Uhr
21 Sep 2018
## AUTOREN
Thomas Groh
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