# taz.de -- Eine gute Tasse ohne das Finanzamt | |
> Wie kann der Anteil von fair produziertem Kaffee im deutschen Handel | |
> gesteigert werden? Ein neuer Vorschlag macht die Runde | |
Von Manfred Ronzheimer | |
Mit 162 Litern pro Kopf der Bevölkerung und Jahr (2016) rangiert Kaffee an | |
der Spitze der Getränkestatistik, noch vor den Mineralwässern und | |
Erfrischungsgetränken. Im Einzelhandel wurden im selben Jahr 3,3 Milliarden | |
Euro für Kaffeepulver, ganze Bohnen, Pads und Kapseln ausgegeben. Im | |
Schnitt kaufte jeder Deutsche 4,2 Kilogramm Kaffee im Jahr und ließ sich | |
das 41 Euro kosten. Im deutschen Handel kommt fair gehandelter Kaffee | |
bislang allerdings bloß auf einen Marktanteil von 4,8 Prozent (2017). | |
Wie kann der Anteil von fair produziertem Kaffee im deutschen Handel | |
gesteigert werden? Ein neuer Vorschlag macht die Runde: durch die | |
Abschaffung der Kaffeesteuer. Den Anstoß dafür gab ausgerechnet ein | |
CSU-Minister. | |
Unfair auch im eigenen Land: Kaffee wird doppelt besteuert. Das Finanzamt | |
hält beim Kaffee die Hand gleich zweimal auf. Neben der Mehrwertsteuer wie | |
bei allen Waren und Dienstleistungen fällt auch noch die sogenannte | |
Kaffeesteuer an. Diese macht bei Röstkaffee 2,19 Euro pro Kilogramm aus, | |
bei löslichem Kaffee 4,78 Euro. Dies verschafft dem Bundesfinanzminister – | |
es handelt sich um eine Bundessteuer – jährliche Einnahmen von rund einer | |
Milliarde Euro. Seit Jahren kämpft die Kaffeebranche gegen die | |
Doppelbesteuerung an. Der Kaffeeröster Darboven initiierte Anfang des | |
Jahrzehnts eine Petition an den Bundestag mit 20.000 Unterschriften – ohne | |
Erfolg. | |
Auch die Akteure der Fairtrade-Bewegung, die sich für gerechte | |
Produktionsbedingungen und faire Entlohnung der Plantagenarbeiter | |
einsetzen, wollen an der Steuerschraube drehen. Nach Schätzungen des | |
„Forums Fairer Handel“ arbeiten derzeit rund 25 Millionen Menschen im | |
Anbau, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Kaffee weltweit. Die Bohnen | |
des Kaffeestrauchs sind das zweitwertvollste Produkt der | |
Entwicklungsländer. Über 840.000 Kaffeebauern in Lateinamerika, Afrika und | |
Asien bauen Kaffee nach zertifizierten Fairtrade-Standards an. Neben Bio- | |
und Weltläden haben auch Supermärkte und Discounter Fair-Kaffee mit | |
Garantiesiegel im Angebot. Mit rund 13 Euro pro Kilogramm ist er allerdings | |
doppelt so teuer wie konventioneller Kaffee. | |
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hält diesen Anteil für | |
steigerbar. „Die Industrieländer dürfen ihren Reichtum nicht länger auf dem | |
Rücken der Entwicklungsländer aufbauen“, sagte Müller im April bei der | |
Eröffnung der Messe „Fair Handeln“ in Stuttgart. „Noch viel zu oft bezah… | |
wir den Menschen in Afrika keine fairen Löhne für unseren Kaffee, den Kakao | |
in unserer Schokolade und die Rohstoffe, ohne die kein Handy funktioniert“, | |
so der grünste der schwarzen Bundesminister im Wortlaut. Nötig seien | |
wirksame Anreize für nachhaltigen Konsum. Müllers Vorschlag: „Für | |
nachhaltig produzierten und fair gehandelten Kaffee sollte zum Beispiel die | |
Kaffeesteuer ausgesetzt werden.“ Dadurch erhielten „die Bauern ein deutlich | |
höheres Einkommen, die Kinder können zur Schule gehen“. Und durch die | |
Steuersenkung koste dieser faire Kaffee an der Ladenkasse „nicht mehr als | |
herkömmlicher“. | |
Was im Kaffeesektor noch möglich ist, verdeutlichte Müller mit dem Hinweis | |
auf die Kakaoverwertung. Durch beharrliches Engagement auch der | |
zivilgesellschaftlichen Organisationen konnte der Anteil von nachhaltig | |
produziertem Kakao im deutschen Einzelhandel von 3 Prozent (2001) auf 55 | |
Prozent in 2017 erhöht werden. Hier ist das Ziel, dass in wenigen Jahren | |
nur noch fair gehandelter Kakao auf dem Markt ist. | |
Müller bezog sich mit seinem Vorschlag auf eine Petition zur Abschaffung | |
der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee, die der Verein TransFair im | |
September letzten Jahres gestartet hatte. Zur „Internationalen Grünen | |
Woche“ im Januar 2018 konnte Transfair-Vorsitzender Dieter Overath die | |
Petition mit den Unterschriften von 15.000 Unterstützern an den Minister | |
überreichen. „Wir sind erfreut, dass der Minister unsere Petition zur | |
Abschaffung der Kaffeesteuer auf fair gehandelten Kaffee geprüft und für | |
umsetzbar eingeschätzt hat“, kommentierte Overath die Stuttgarter | |
Ankündigung des Entwicklungsministers. „Dass Gerd Müller unsere Forderung | |
jetzt an das Finanzministerium übergibt, ist eine große Chance für | |
Hunderttausende Kaffeebauern.“ Es sei ein wirkungsvoller Ansatz, mit | |
Änderungen in der Steuerpolitik den nachhaltigen Konsum zu fördern. | |
Overath: „Genau diese Steuerungsfunktion für eine nachhaltige Zukunft hat | |
das BMZ erkannt.“ | |
Als nächster politischer Schritt stünde eine Kabinettsvorlage des | |
Entwicklungsministers an, um seine Kollegen und vor allem den | |
Finanzminister zu überzeugen. Diese Aushandlungsprozesse innerhalb der | |
Bundesregierung finden derzeit noch statt. Gerade für die Abschaffung | |
althergebrachter und im Steuersystem seit Kaisers Zeiten eingemeißelten | |
Finanzquellen wie die Kaffeesteuer gilt: abwarten und Tee trinken. | |
15 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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