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# taz.de -- nord🐾thema: Inkasso-Check soll falsche Forderungen aufdecken
> Ein neuer Onlineservice der Verbraucherzentralen ist Anfang des Jahres
> gestartet. Das bundesweite Projekt soll Inkassoforderungen überprüfen,
> denn die sind oft unberechtigt. In Bremen ist die Zahl der Beratungen in
> der Verbraucherzentrale zum Thema Inkasso seit dem Start des Projekts
> aber dennoch gestiegen
Bild: Nicht wegschmeißen, sondern besser vom Inkasso-Check überprüfen lassen…
Von Milena Pieper
Der Anbieter eines kostenlosen E-Mail-Accounts behauptet, der Verbraucher
habe mehr Speicherplatz dazugebucht und die Rechnung dafür nicht bezahlt.
Die sei nun fällig: 72 Euro, und das innerhalb von sechs Tagen. Wenn der
Verbraucher nicht zahlt, werde es noch teurer. Das ist ein typisches
Inkassoschreiben, wie es Millionen Deutsche schon einmal bekommen haben.
Häufig sind solche Forderungen unberechtigt. Die Verbraucherzentralen haben
Ende Februar einen neuen kostenlosen „Inkasso-Check“ gestartet, der
unberechtigte Zahlungsaufforderungen aufdecken soll.
Auch in Bremen wenden sich viele Betroffene an die Verbraucherzentrale,
wenn sie nicht wissen, wie sie mit einem Inkassoschreiben umgehen sollen,
das zum Beispiel auf die Rechnung des E-Mail-Anbieters hinweist.
„Betroffene Verbraucher berichten uns in der Beratung dann regelmäßig, dass
sie zwar die Freemail-Adresse nutzen, aber nur deshalb, weil es kostenlos
ist“, sagt Annabel Oelmann, Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bremen. Das
Inkassoschreiben mache bei vielen Eindruck.
Unter „Inkassoforderungen“ fallen alle Fälle, bei denen nicht der
Vertragspartner selbst fordert, dass eine offene Schuld gezahlt wird. Ein
Inkassounternehmen kann Forderungen eintreiben, auf die ein Gläubiger, also
etwa ein Händler, eine Telefongesellschaft oder ein
Versicherungsunternehmen, Anspruch hat. Wenn ein Verbraucher längst hätte
bezahlen müssen, können Inkassounternehmen tätig werden. Sie kaufen
entweder Forderungen auf oder handeln in Vollmacht für ein Unternehmen, von
dem sie auch die persönlichen Daten der Kundinnen und Kunden erhalten.
„Neben Daten aus einer real existierenden Kundenbeziehung gibt es etwa
Daten aus dem Adresshandel, der Registrierung auf einer Internetseite oder
durch die Teilnahme an Gewinnspielen“, sagt Oelmann.
Verbraucher unter Druck
Neun Prozent aller Deutschen über 18 haben laut einer Forsa-Umfrage schon
mal eine Inkassoforderung erhalten. In Bremen haben sich im vergangenen
Jahr über 300 Verbraucherinnen und Verbraucher an die Zentrale gewendet, um
sich zu Inkasso und Rechnungen beraten zu lassen. Seit das neue Angebot
online ist, haben 109 Bremer Nutzer den Inkasso-Check gestartet.
Die Zahlen zeigen, dass dennoch persönliche Beratungen in Anspruch genommen
werden, denn von Ende Februar bis Ende August hat die Verbraucherzentrale
Bremen in einem halben Jahr mit rund 295 genau so viele Beratungen zu dem
Thema durchgeführt wie im gesamten Jahr 2017.
Die Inkassoforderungen setzen die Verbraucherinnen und Verbraucher unter
enormen Druck, sagt Gerrit Cegielka, Jurist bei der Verbraucherzentrale
Bremen. „Häufig drohen die Unternehmen mit gerichtlicher Durchsetzung der
Ansprüche, unseriöse Unternehmen gar mit Lohn- und Gehaltspfändung oder
Hausbesuch zur Pfändung von Wertsachen“, sagt er. Und das, obwohl 65
Prozent der Betroffenen die Forderung als unberechtigt einstufen.
Der Inkasso-Check soll daher Abhilfe schaffen. Bei dem Online-Angebot der
Verbraucherzentralen geht es um eine Ersteinschätzung. Verbraucher, die
eine Inkassoforderung erhalten haben, werden durch eine Reihe von Fragen
geführt. „Im ersten Schritt wird geklärt, ob die Forderung des Gläubigers
dem Grunde nach berechtigt ist“, erklärt Oelmann. Es geht also um Fragen
wie: „Habe ich eine Rechnung nicht bezahlt?“ oder „Kenne ich das
Unternehmen überhaupt?“
Im zweiten Schritt klärt das Online-Tool dann, ob ein Zahlungsverzug
vorliegt und wenn ja, ob die Höhe der Forderung berechtigt ist.
Verbraucherinnen und Verbraucher könnten so Inkassoschreiben besser
einschätzen.
23.000 Zugriffe in einem halben Jahr
Im Anschluss an den Online-Check können die Nutzerinnen und Nutzer außerdem
einen Brief an das Inkassounternehmen generieren, in dem sie der
Zahlungsaufforderung widersprechen.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz fördert das
Projekt. „Mit dem Inkasso-Check stellen die Verbraucherzentralen den
Verbraucherinnen und Verbrauchern ein neues Instrument zur Verfügung, das
online Soforthilfe und weiterführende Tipps beim Umgang mit
Inkassoschreiben bietet“, heißt es aus dem Ministerium. Die
Verbraucherinformation nutze so innovative digitale Möglichkeiten.
Bundesweit gab es bis Ende August mehr als 23.000 Zugriffe auf den
Inkasso-Check.
Für Annabel Oelmann, die Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bremen, ist
der Check ein „ganz wichtiger Baustein im Rahmen einer objektiven,
anbieterunabhängigen Verbraucherrechtsberatung auf dem Weg in das digitale
Zeitalter“. Zu der Frage, ob tatsächlich viele Verbraucherinnen und
Verbraucher unberechtigten Inkassoforderungen nachgehen und zahlen, gebe es
keine verlässlichen Zahlen, heißt es von der Verbraucherzentrale Bremen.
Die Beratungserfahrung zeige aber, dass die Zahlungsbereitschaft umso höher
ist, je geringer die Forderungen sind. Denn viele scheuten es, sich mit den
Inkassobüros auseinanderzusetzen. „Das nutzen gerade die unseriösen
Inkassounternehmen aus, um selbst aus den abwegigsten Forderungen noch Geld
zu machen“, sagt Oelmann. Denn es könne damit kalkuliert werden, dass zehn
Prozent der Betroffenen aus Angst vor einem Rechtsstreit zahlen. Die
Vorsitzende hofft, dass durch den Onlineservice die verbreitete Angst vor
dem Inkasso eingedämmt werde.
15 Sep 2018
## AUTOREN
Milena Pieper
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