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# taz.de -- Wege nach außen suchen
> „Ich male, also bin ich“ nennt Adi Hoesle eine Ausstellung im Kleisthaus,
> in der er anderen Menschenden Weg zu Kreativität öffnet. Im Mittelpunkt
> der Ausstellung steht eine an ALS erkrankte Frau
Bild: Brain Painting
Von Vanessa Prattes
Das Foto an der Wand, das die schöne Frau Angela Jansen zeigt, könnte einem
alten Modekatalog entsprungen sein. Ihre rosa lackierten Finger, an denen
sie silberne Ringe trägt, hält sie verführerisch an die roten, leicht
geöffneten Lippen. Ihre Haare sind aufwendig zu einer Hochsteckfrisur
drapiert. Die leuchtenden Augen, umrahmt von dichten Wimpern, schauen
dramatisch in die Ferne. Dass an ihrem Hals der Schlauch ihrer
Trachealkanüle zu sehen ist, fällt erst auf den zweiten Blick auf.
Das großformatige Foto ist Teil der neuen Ausstellung „Ich male, also bin
ich“ des Künstlers Adi Hoesle, der für die Verknüpfung von Wissenschaft und
Kunst bekannt ist. Die Ausstellung befindet sich im Kleisthaus, an einem
geschichtsträchtigen Ort. Das Gebäude in der Mauerstraße 53 wurde im
Gedenken an den Lyriker Heinrich von Kleist erbaut, der bis zu seinem
Suizid 1811 dort lebte. Dort, wo einst die Bankgesellschaft von der Heydt
ihren Sitz hatte und im Nationalsozialismus das Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda seine Arbeit aufnahm, befindet sich seit dem
März 2001 der Sitz des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange
behinderter Menschen. Es ist seitdem eine Kultur- und Begegnungsstätte, die
von Menschen mit und ohne Behinderung genutzt werden soll.
Im Mittelpunkt der neuen Ausstellung steht Angela Jansen, eine an ALS
erkrankte Frau. Die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) greift das
motorische Nervensystem an und blockiert die Steuerung der Muskeln. Ihr
Körper befindet sich im sogenannten Locked-in-Status. Die einzige
Möglichkeit zu kommunizieren ist eine kleine Kamera, die die Bewegungen
ihrer Linse auf einem digitalen Alphabet verfolgt und für ihre Umgebung
hörbar macht.
Stolz blickt Angela Jansen auf die Fotos. „Ich bin glücklich, da sein zu
dürfen“, sagt sie und strahlt. Ihr kleiner Jack Russel Erwin springt immer
wieder auf ihren Schoß. Auf und ab.
Adi Hoesle hat Modefotografen beauftragt, Jansen zu porträtieren. Fünf
Bilder zeigen sie in der Manier klassischer Modefotografie. „Die
Fotografien sollen als ästhetischer Spiegel fungieren“, sagt der Künstler.
„Schau mal in den Spiegel, wie schön du bist.“ Er begleite Angela Jansen
schon seit Längerem und bewundere ihre Kraft, erzählt er. Umrahmt von ihren
Fotografien ist sie in ihrem Rollstuhl in der Ausstellung anwesend und
zieht die Blicke auf sich. Die persönliche Präsenz der Frau beeinflusst die
Wirkung der Fotografien und berührt.
## Alltag und Poesie
„Ich freue mich darauf, Behinderungen normal werden zu lassen“, sagt sie
und wirkt etwas nervös angesichts der kommenden Performances. „Bitte die
Mücke tot schlagen. Bitte Mund absaugen. Bitte lagern“, ertönt es laut im
Raum. Auf einem Bildschirm übersetzt eine gehörlose Frau einzelne
standardisierte Aufforderungen von Angela Jansen, die sie häufig im Alltag
benutzt, in Gebärdensprache. Vertont werden sie mit der Computerstimme, mit
der Jansen kommuniziert. Die Sätze verhallen ausdrucksstark im Raum. „Aus
den Befehlen, die für Angela alltäglich und existenziell sind, entsteht
Poesie“, sagt Adi Hoesle.
Beim Betreten des Raumes fällt der Blick auf die vierteilige
Videoinstallation „sticks“ von Adi Hoesle. Sie zeigt verschiedene
Ausschnitte aus dem Leben eines schwerkranken Jungen. Dafür hat er dem
Jungen von seinem elften Lebensjahr an bis zu seinem Tod mit 18 Jahren
regelmäßig eine Bodycam auf die Schulter gesetzt. Auf diese Weise sind rund
6.000 Fotos und 70 Filme entstanden. Mal eine Autofahrt durchs Grüne oder
ein Blick auf den schlafenden Hund und immer wieder das Ende eines Bettes.
Adi Hoesle entwarf mit dem „Brain Painting“ eine neue Möglichkeit für
körperlich Eingeschränkte, kreativ schaffend zu werden. Mittels
Hirnströmen, die von einem EEG erfasst werden, ermittelt ein Computer, auf
welche dargebotenen Symbole (unter anderem Farbwahl, Wahl der Pinselgröße,
Wahl der Form) der Malende blickt. Der Computer reproduziert dies und lässt
das Gemalte auf einem Bildschirm sichtbar werden.
In dem begleitenden Workshop „Brain Painting“ können die Besucher die
Methode testen und mit ihren Gedanken malen.
Bis 25. September im Kleisthaus
14 Sep 2018
## AUTOREN
Vanessa Prattes
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