Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Finalspiele im Hurling und Gaelic Football: Süchtig machende Spekt…
> Endspielzeit in Irland. Die Meister im Hurling und Gaelic Football werden
> gekürt. Wer das sieht, ist erst mal kuriert von den Auswüchsen des
> Profifußballs.
Bild: Kämpfende Männer mit Helmen und Schlägern: Hurling halt
Dublin taz | Es geht schon damit los, dass alle Zuschauer zu Fuß ins
Stadion gehen. Denn Croke Park hat keine Stellplätze für Autos. Es ist also
unmöglich, mit dem neuen SUV zu protzen und bis kurz vor den „Business
Seat“ zu rollen. Wer will, kann sein Gefährt ja gerne rund um das große
Stadion im Stadtteil Drumcondra abstellen.
Das will aber kaum jemand – denn fast alle Zufahrtsstraßen sind entweder
gesperrt oder das enge Straßengewirr so abschreckend, dass einfach jeder
anspaziert kommt. Es gibt Busse. Aber warum sollte man die nehmen, wenn es
von der zentralen O’Connell Street nur 20 Minuten zum Croke Park sind? Wer
ganz wichtig oder schlecht zu Fuß ist, steigt ins Taxi. Autofahren ist bei
all den Pubs rund um Croke Park sowieso eine schlechte Idee.
Die Arena mit ihren 82.000 Plätzen muss einen zentralen Teil in jeder
Geschichte über die Spiele der Gaelic Athletic Association (GAA) einnehmen,
denn Croke Park ist die Kathedrale des gälischen Sports. Undenkbar, hier
heute ein Fußballspiel der irischen Nationalmannschaft auszutragen. Fußball
ist Englisch, und den Sport der alten Kolonialmacht möchte keiner der GAA
in Croke Park sehen. Daher war es eine bittere Pille für die Organisation,
als das Fußballstadion Lansdowne Road umgebaut wurde, und Croke Park von
2007 bis 2009 für Rugby und Fußball geöffnet werden musste.
Es ist nicht so, dass irische Sportfans Fußball ablehnen; spielt Irland bei
WM oder EM, wird mitgefiebert. Auch Rugby, ebenfalls importiert, ist gerade
in den reicheren Gegenden Dublins sehr geschätzt. Aber im Herzen tragen die
Iren die gälischen Spiele, Hurling und Gaelic Football.
## „Genießt das Spiel“
Wer sie hier je gesehen hat, ist für ein paar Stunden kuriert von den
Auswüchsen des Profi-Fußballs. Keine Tattoos, keine Frisuren, keine bunten
Schuhe. Es sind ja im herkömmlichen Sinne nicht einmal Profis, die da
gegeneinander spielen, sondern (sehr sportliche) Menschen wie du und ich,
die am Montag nach dem großen Finale wieder als Grundschullehrer, Maurer
oder Steuerberater arbeiten.
Es gibt offiziell keine Prämien, weder der Countys für ihre Spieler noch
der GAA für den Sieger, wobei beides dann wohl doch flexibel gehandhabt
wird – hört man. Und sie sind treu – müssen es sein: ein Wechsel von einem
County-Team zum anderen ist undenkbar. Das führt zu größtmöglicher
Identifikation: wenn etwa Galway und Limerick wie Ende August das
Hurling-Finale erreichen, ist ganz Dublin in Dunkelrot und Weiß oder Grün
und Weiß getaucht.
Es ist faszinierend, den Zuschauerströmen Richtung Croke Park zu folgen,
die Pubs auf dem Weg zu besuchen, sich aufs Finale einstimmen zu lassen.
Fantrennung? Kennt man hier nicht. Kontrollen? Wer seine Tomatensuppe in
der Thermoskanne dabeihaben will, soll das tun. Wir hatten eine Reisetasche
mit Proviant zu den Halbfinalspielen im Gaelic Football eine Woche zuvor
dabei, und alles, was der freundliche Ordner sagte, war: „Nehmt bitte
nächstes Mal eine kleinere Tasche mit. Genießt das Spiel.“
## Mischung aus Rugby, Hockey und Baseball
Es ist purer Sport, der hier jedes Jahr im August und September seinen
Höhepunkt findet, wenn die Countys ihre „All-Ireland Senior Champions“
krönen. Und was für einer! Hurling, diese Mischung aus Rugby, Hockey und
Baseball, gespielt von 15 gegen 15 auf einem riesigen Rasenplatz, platzt
fast vor zirzensischen Kunststücken mit dem Schläger namens Hurley und dem
Sliothar genannten Ball. Ein Treffer ins Tor zählt drei Punkte, der Schuss
zwischen die langen Torstangen einen Punkt. Da vermischen sich Tempo,
Härte, Genauigkeit und Taktik zu einem süchtig machenden Spektakel, das zu
Hause am Laptop via YouTube leider die Hälfte seiner Wirkung verliert.
Dazu war die Spielzeit 2018 eine besondere, denn die GAA notierte so viele
denkwürdige Spiele mit dramatischen Aufholjagden und Wiederholungsspielen
wie noch nie seit dem Meisterschaftsstart 1887. Dass am Ende Limerick
gewinnt und nicht das favorisierte Galway den Titel von 2017 verteidigt,
passt in diese Saison – und ins Bild der vergangenen Jahre: die Champions
im Hurling kommen meist aus dem Süden oder Westen, im Football dominiert
Dublin.
Was jedem fußballsozialisierten Zuschauer sofort auffällt: Es wird kaum mit
dem Schiedsrichter diskutiert. Bescheuerte Torjubel gibt es nicht. Keiner
küsst das Abzeichen nach einem Treffer. Insgesamt ist da mehr erdiger
Sport, weniger abgedrehte Show. Was vor allem für Hurling gilt. Allein die
altertümlichen Torrichter, bauchige Männer in weißen Jacken (in unteren
Klassen Kittel), die je nach Treffer oder Fehler ihre Flaggen wedeln, sind
eine Schau. Ein Habichtauge, das elektronisch überwacht, ob Tor oder nicht,
gibt es trotzdem.
## Hart, aber niemals brutal
Kurioserweise hat Gaelic Football ein paar Fußball-Sperenzchen übernommen,
die es vor ein paar Jahren nicht gab. Da werden einstudierte Anläufe vor
einem Freistoß aufgeführt. Es gibt Geschubse und Trash-Talk zwischen den
Spielern. Das ist alles im Rahmen und fällt nur im Kontrast zu Hurling auf
– aber es fällt auf, obwohl es im Laufe der 70 Minuten auch unterhaltsam
ist.
Im Gaelic Football spielen ebenfalls 15 gegen 15 Spielerinnen oder Spieler
gegeneinander, der Ball ist bis 450 Gramm schwer und darf nur vier Schritte
getragen werden, eher er mit der Hand oder dem Fuß gepasst werden muss. Im
Hurling (oder Camogie, so heißt die Frauen-Variante mit einem etwa
leichteren Ball) darf der Ball auf dem Schläger getragen werden – die
großen Artisten jonglieren ihn, während sie Richtung Tor preschen.
Beide Spiele sind hart, aber niemals brutal. Und während sich im Gaelic
Football durch die bessere Kontrolle des Balles mit der Hand auch Zeitspiel
und Defensivstrategien eingeschlichen haben, reißt einen Hurling in jeder
Minute von den Sitzen: kontrolliertes Spiel ist die hohe Kunst, wildes
Geballer allemal faszinierend.
Überhaupt bewerten Sportjournalisten wie das Urgestein Martin Breheny vom
Irish Independent die Entwicklung im Football als problematisch: „Ich
wünschte mir etwas mehr Spannung“, sagt der 64 Jahre alte
Gaelic-Sports-Experte.
## Dominanz in Bayern-Manier
Dreimal nacheinander hat Dublin gewonnen, auch ins Finale am Sonntag gegen
Tyrone aus Nordirland ist die Mannschaft als Favorit gegangen. Die Dominanz
in Bayern-Manier stört die gewohnte Spannung – und hat Auswirkungen. Nur
noch 45.000 Fans wollten Mitte August die Halbfinalspiele zwischen Dublin
und Galway sowie Tyrone und Monaghan sehen. Dem hält Alan Milton entgegen:
„In einem Land mit 4,5 Millionen Einwohnern sind das außergewöhnlich hohe
Zuschauerzahlen. Wir haben uns in den Jahren nur an einen vollen Croke Park
gewöhnt.“
Alan Milton war lange Jahr selbst GAA-Berichterstatter und hat jetzt die
Seiten gewechselt. Als Pressechef der GAA versorgt er auch deutsche
Besucher mit allen Informationen und gibt mit auf den Weg: „Ich würde die
Rechte an Hurling und Gaelic Football gern für kleines Geld an ARD und ZDF
verkaufen. Hurling in der ‚Sportschau‘, Gaelic Football im ‚Sportstudio�…
das wäre cool.“ Er grinst und weiß selbst, dass es leider undenkbar ist.
3 Sep 2018
## AUTOREN
Frank Heike
## TAGS
Irland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Blick über den Tellerand: Von Torhütern und Pampa-Stieren
Was das Sportwochenende in Deutschland bringt, müssen wir nicht
erklären.Aber was bewegt eigentlich die Fans im Rest der Welt? Eine nicht
repräsentative Rundschau.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.