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# taz.de -- Korruptionsskandal in Argentinien: Die Wege der Geldkoffer
> Ein früherer Fahrer hat aufgelistet, bei wem unter der Regierung Kirchner
> Schmiergeld abgeholt wurde. Auch Präsident Macris Familie hängt mit drin.
Bild: Könnte ihre Immunität verlieren: Ex-Präsidentin und Senatorin Cristina…
Buenos Aires taz | Zehntausende Menschen vor allem aus der Mittel- und
Oberschicht haben am Dienstag vor dem Kongressgebäude in der argentinischen
Hauptstadt Buenos Aires die Aufhebung der parlamentarischen Immunität der
ehemaligen Präsidentin Cristina Kirchner gefordert. Ähnliche Kundgebungen
wurden aus nahezu allen größeren Städten des Landes gemeldet.
Auslöser der Proteste sind die Notizen des Fahrers eines Staatssekretärs
der vorherigen Regierung. In sieben handelsüblichen Spiralblöcken und einem
Notizbuch hatte der Chauffeur Oscár Centeno seinen Fahrdienst in den Jahren
2005 und 2010 und von 2013 bis 2015 akribisch aufgeführt. Zugleich notierte
Centeno die Zahl der Taschen und die Summen der eingepackten Dollarnoten,
die er mit Staatssekretär Roberto Baratta bei jeder Fahrt an den Pforten
von Unternehmen abholte und zum Teil zur Präsidentenresidenz oder zur
Privatwohnung Néstor und Cristina Kirchners transportierte.
Bundesrichter Claudio Bonadio hatte wegen des Verdachts auf Bildung einer
kriminellen Vereinigung die Ermittlungen aufgenommen. Auch gegen Cristina
Kirchner, die als Senatorin parlamentarische Immunität genießt. Bonadio
will die Wohnungen der früheren Präsidentin in Buenos Aires, Río Gallegos
und El Calafate durchsuchen lassen. Erwartet wird, dass der Kongress im
Laufe des Mittwoch für die Aufhebung der Immunität Kirchners stimmt.
Bereits im Januar waren die Notizbücher einem Journalisten der
konservativen Tageszeitung La Nación übergeben worden. Mit einem kleinen
Team wertete dieser die Notizen aus. Wegen der Brisanz des Materials
entschied er sich zunächst gegen eine Veröffentlichung und wandte sich an
die Justiz. Die schlug am 1. August mit der Festnahme von sechs ehemaligen
Regierungsangestellten und fünf Unternehmern zu.
Nach Centenos Aufzeichnungen wurden mit seinem Auto rund 56 Millionen
US-Dollar abgeholt. Die Staatsanwaltschaft geht sogar von 160 Millionen
aus, da der Chauffeur nicht alle Tascheninhalte vermerkte. Inzwischen sind
die Notizbücher [1][im Internet einsehbar]. Seither vergeht kein Tag, an
dem nicht weitere Festnahmen erfolgen, Verhöre stattfinden, neue Namen
bekannt werden, Gesuchte sich der Justiz stellen oder sich Verdächtige zu
Kronzeugen wandeln.
## Notizbücher des Schmiergelds
Mit seinen Kommilitonen steht Dante Pavane vor dem Kongressgebäude. Sie
halten Porträts von Néstor und Cristina Kirchner hoch, darunter steht
„Kuadernos de las Koimas“ (Notizbücher des Schmiergelds). Zweimal mit
großem K für Kirchner statt dem eigentlich korrekten C. „Das Schmiergeld
wanderte direkt in die Tresore der Kirchners“, ist sich der 27-jährige
Jurastudent sicher. Die Aussagen der Kronzeugen würden das ausreichend
belegen, so Pavane.
Etwa die des Bauunternehmers Carlos Wagner, langjähriger Vorsitzender der
Kammer der Bauindustrie, über die die Ausschreibungen der staatlichen
Großaufträge liefen. Wagner saß in U-Haft, bis er von der
Kronzeugenregelung Gebrauch machte und einräumte, dass die
Ausschreibungsverfahren nach vorherigen Preisabsprachen nur der Form halber
stattfanden. Und, dass die Aufträge im Reihumverfahren vergeben wurden.
Dafür mussten die staatlich vorgeschossenen 10 bis 20 Prozent der
überteuerten Bausumme in Bar und in Dollar sofort zurückerstattet werden.
Abgeholt wurden sie von Centeno und Baratta.
Zu den bevorzugten Firmen gehörte auch das Bauunternehmen IECSA. Bis März
2017 Eigentum der Firmengruppe Macri und geleitet von einem Cousin des
jetzigen Präsidenten Mauricio Macri. Calcaterra stellte sich freiwillig der
Justiz und erklärte, in den Wahljahren 2013 und 2015 für den Wahlkampf von
Cristina Kirchner und Daniel Scioli gespendet zu haben.
„Das waren keine Spenden, das waren die üblichen Schmiergeldzahlungen“,
erklärt Rosana Fereira wütend. „Basta de Corrupción“, steht auf dem Schi…
der 64-jährigen Rentnerin. „Ja mit C“, sagt sie, es gehe nicht nur um die
Kirchners. Sie habe Macri gewählt, „weil er uns fest versprochen hatte, mit
der Korruption aufzuräumen“. „Aber wenn Macri jetzt Zicken macht, weil
seine Familie mit drinsteckt, dann ist er bei der nächsten Wahl weg.“
22 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.lanacion.com.ar/2159636-los-cuadernos-de-las-coimas-hojea-los-c…
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
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