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# taz.de -- Seit 40 Jahren keine Chance
> Wie ein kleines Projekt zur waschechten Zeitung wurde. Das neue Buch „40
> Jahre taz“ gibt Auskunft über die wilde taz-Geschichte
Bild: Geschmacks-sicheres Auftreten: Szenen aus der taz-Auslandsredaktion in de…
Von Stefan Reinecke und Mathias Bröckers
Als die taz 1989 ein dickes Buch über ihre ersten zehn Jahre produziert
hatte, verschickte sie ein Schreiben an die „Lieben Kolleginnen und
Kollegen der Presse“:
„So wie die taz nie ein Linien-Blatt, sondern immer ein Konglomerat
verschiedener Linien und Individual-Meinungen war, versucht auch dieses
Buch nicht, Sie auf eine Richtung zu trimmen. Natürlich hat sich im Verlauf
der zehn Jahre vieles verändert, der hehre Anspruch der Aufhebung von
Hand,-und Kopfarbeit hat sich ebenso als Illusion erwiesen wie der einer
radikalen linken ‚Gegenöffentlichkeit‘ bei gleichzeitiger
Auflagensteigerung über die Szene hinaus. Doch dass die taz außer von einer
Handvoll Straßenkämpfern auch von ganz normalen Fußgängern gelesen wird ist
nicht gleichbedeutend mit dem Verrat ihrer Prinzipien. Nach wie vor
existiert in der Bundesrepublik keine Tageszeitung, die ökonomische
Unterdrückung und ökologische Katastrophe so explizit als politische, d. h.
veränderbare Probleme darstellt wie die taz. Dass trotz zehn Jahren taz die
Weltrevolution nicht stattgefunden hat, kann nur beklagen, wer Guerilla
noch immer mit Gorilla verwechselt. Den einen schien die taz von Anfang an
als ‚Terrorpostille‘ und ‚Bombenleger-Blatt‘, für die anderen gilt seit
Jahren das Kreuzberger Graffito als ausgemacht: ‚taz lügt!‘. Zwischen
diesen Bannflüchen ist die taz groß geworden …“
Drei Jahrzehnte vorgespult: Heute gilt die taz der AfD als Paradebeispiel
„links-grün-versiffter“ Lügenpresse und für strenge Pazifisten als
„olivgrünes Nato-Sprachrohr“ – und lebt zwischen diesen neuen Bannflüch…
nach wie vor munter weiter. Noch immer mit wenig Geld, aber mit Geltung;
noch immer links, aber nicht auf Linie; noch immer selbstverwaltet, aber
als stabiles, genossenschaftliches Unternehmen.
Diese externen und internen Widersprüche 40 Jahre lang ausbalanciert und
jeden Tag eine lesbare Zeitung produziert zu haben, ist die vielleicht
größte Leistung der taz überhaupt. Abgesehen von der Pionierleistung, dass
in diesem „Projekt tageszeitung“ schon sehr früh Modelle und Konflikte
thematisiert wurden, die im Mainstream der Medien und der Gesellschaft erst
Jahrzehnte später ankamen. Ob mit der Erfindung des „Crowdfunding“, das in
Umkehrung der Lenin’schen Parole „Vertrauen ist gut Kontrolle ist besser“
durch vertrauensselige Voraus-Abos den „Start-up“ einer linken Zeitung
überhaupt erst ermöglichte, ob mit der Gründung einer Genossenschaft zur
Sicherung der journalistischen Unabhängigkeit vor Profitinteressen oder ob
als erste digitale (und kostenlose!) Tageszeitung „im weltweiten
Computerverbund Internet“ (O-Ton 1995), die 16 Jahre später mit der
paradoxen „Paywahl“ das freiwillige Bezahlen kostenloser Inhalte einführte
– die taz war stets Versuchslabor für Alternativen zum Bestehenden. Und sie
war Arena für kommende Konflikte: Lange bevor Ökologie und Energiewende
oder Sexismus und Frauenquote in den Medien und Gremien landeten, wurden
diese Themen in der taz publiziert und debattiert.
Dass der Partei der „Grünen“ mittlerweile der Vorwurf gemacht wird, eine
„FDP mit Fahrrad“ geworden zu sein und einem pseudo-progressiven
Neoliberalismus zu huldigen, trifft auf die parallel mit den Grünen
aufgewachsene taz nur bedingt zu. Was wohl auch damit zu tun hat, dass
anders als an den Fleischtöpfen der Politik bei der taz nie viel zu holen
war und ist. Nach wie vor winkt Mitarbeitenden statt Einkommen gerade mal
ein Auskommen.
Doch was steht von alldem nun im Buch 40 Jahre taz? Neben Faksimiles von
vielen Originalseiten werden in Wort und Bild nicht nur einige Highlights
aus 40 Jahren taz-Journalismus dokumentiert, sondern auch der ganz normale
Alltagswahnsinn der Redaktion. Mitarbeiter*innen aus allen Phasen der
taz-Geschichte schreiben über das Innenleben der einst „größten
Schülerzeitung der Welt“ sowie über die Titel, Themen und Temperamente, die
sie groß gemacht haben. Ob die 40-jährige taz nach unruhiger Jugend und
leicht chaotischem Erwachsenwerden die anstehende Mid-Life-Crisis überlebt
und zum 50. Geburtstag noch einmal ein klassisches Buch über eine gedruckte
Zeitung erscheint, ist unsicher (siehe nebenstehendes Interview). Deshalb
haben wir uns bemüht, dieses Bilderbuch so groß und so schön wie möglich zu
machen. Es könnte das letzte sein – für eine Reise auf Papier und mit
Tinte, durch die Zeit mit der Geschichte einer Zeitung.
18 Aug 2018
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Mathias Bröckers
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