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# taz.de -- Kommentar Verfall der türkischen Lira: Talfahrt in die Armut
> Erdoğans Megaprojekte täuschten Prosperität vor, belasteten aber den
> Haushalt. Wer das jetzt thematisiert, riskiert viel.
Bild: Die Menschen in der Türkei leiden unter der Inflation – drüber reden …
Seit Freitag beschwört Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan die türkische
Bevölkerung: „Wir befinden uns in einem Wirtschaftskrieg.“ Und: „Wir sind
alle im gleichen Boot.“ So jedenfalls seine Interpretation [1][des freien
Falls der Lira].
Je weiter das Boot sinkt, umso mehr trifft es jene, die sich am untersten
ökonomischen Rand der Gesellschaft befinden. Vor zwei Wochen kosteten 5
Kilo Tomatenmark, ein Grundnahrungsmittel in der Türkei, 18 Lira. Heute 48
Lira. Auch der Preis für Olivenöl hat sich verdoppelt. Nach Angaben des
Arbeitsministeriums leben seit Dezember 2017 inzwischen 12 von 29 Millionen
Arbeitnehmern mit einem monatlichen Einkommen zwischen 1.404 und 2.808 Lira
(175 und 351 Euro).
Je mehr die türkische Lira [2][an Wert verliert], desto teurer werden
importierte Waren und solche, die importierte Anteile haben. Ihr Preis
steigt teilweise um das Dreifache. Diese Entwicklung treibt mindestens 12
Millionen Menschen noch weiter in die Armut – ganz zu schweigen von mehr
als 3 Millionen Menschen, die keine Arbeit haben.
Bisher konnte die AKP die arme Bevölkerung mit militaristischen oder
religiösen Parolen gegen vermeintliche [3][innere und äußere Feinde]
mobilisieren. Auch gegen den wirtschaftlichen Zusammenbruch bemühte Erdoğan
seine altbewährte Rede vom Krieg und sprach davon, dass die Türkei vereint
diesen „Wirtschaftskrieg“ gewinnen werde. Dabei ist der eigentliche Grund
für die Krise Erdoğans eigene Wirtschaftspolitik.
## Menschen sollen zu ihrer Armut schweigen
[4][Megaprojekte] wie die dritte Brücke über den Bosporus und der Kanal
Istanbul, der parallel zum Bosporus gegraben werden soll, täuschen
Prosperität vor und belasten die Staatskasse. Mit ihrer Erzählung, allen
Wohlstand beschert zu haben, hat die AKP die Menschen in die Verschuldung
getrieben. Alle nahmen Kredite in Dollar auf, die sie nun wegen des
Kursverfalls nicht zurückzahlen können. Seine fehlgeleitete
Wirtschaftspolitik bringt Erdoğan nun in Bedrängnis.
Das sollte man in der Türkei besser nicht zu laut sagen: Gegen jene, die
zur Sprache bringen, was für eine Katastrophe wir gerade erleben, hat die
Regierung bereits den Kampf eröffnet. Das Innenministerium verkündete, dass
es Ermittlungen gegen 346 Social-Media-Accounts eingeleitet habe, die „die
den Kursanstieg in provokanter und aufmerksamkeitserregender Art“
kommentieren.
Bald könnten Sätze wie „Wir können uns kein Brot mehr leisten“ zum
Straftatbestand werden. Eins ist sicher: Millionen von Menschen, die jeden
Tag ärmer werden und davon abgehalten werden sollen, ihre Armut zur Sprache
zu bringen, haben den „Wirtschaftskrieg“ sowieso schon seit Langem
verloren.
Aus dem Türkischen von Elisabeth Kimmerle und Volkan Ağar
14 Aug 2018
## LINKS
[1] /Wirtschaftskrise-in-der-Tuerkei/!5524822
[2] /Kommentar-Absturz-der-tuerkischen-Lira/!5527358
[3] /Neues-Anti-Terror-Gesetz-in-der-Tuerkei/!5518284
[4] /Tunnel-unter-dem-Bosporus-in-Istanbul/!5056194
## AUTOREN
Irfan Aktan
## TAGS
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Politik
Türkei
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