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# taz.de -- Michael Pöppl Weinprobe: Kräftig, spannendund mit Hessenwitz
> die verlagsseiten der taz
Den schönen Eckladen am Bayerischen Platz bemerkt man sofort, wenn man aus
dem U-Bahnhof tritt. Die hohen Scheiben lassen viel Licht herein, man fühlt
sich eingeladen, reinzugehen. Gleich vorne rechts steht ein großer Tisch
für Verkostungen, hinten ein Tresen, an dem kleine Gerichte zubereitet
werden können. In hölzernen Regalen, in Weinschränken und auf
Biedermeierschränkchen stehen und liegen die Flaschen, um die sich hier
alles dreht. Es sind vor allem Produkte von deutschen und französischen
Winzern, aber auch einige Resteuropäer sind vertreten. Hinterm
Kassenbereich stehen edle Brände und andere Spirituosen.
Martin Michel, der Betreiber des Ladens, holt erst einmal eine kalte
Flasche Weißwein aus dem Kühler: „Der kommt direkt aus Hessisch-Sibirien“,
sagt er lächelnd, „den müssen Sie probieren.“ Es ist eine Scheurebe von
Andreas Mann, einem jungen Winzer aus der rheinhessischen Schweiz. Ein
leichter heller Weißer, mineralisch und zugleich elegant, mit viel
Charakter und gerade mal elf Prozent Alkohol.
Hessenwitze darf Michel machen, er stammt selbst aus Frankfurt am Main, wo
er, wie er sagt, „in einer sehr gutbürgerlichen Familie“ aufgewachsen ist:
„Das Glas Wein zum Mittagessen war einfach eine Frage des Stils.“
Buchhändler hat er gelernt, das sieht man noch an den zahlreichen Büchern
im Weinladen, die alle irgendwie mit Genuss zu tun haben. Er liebe Bücher,
sagt Michel, doch lieber stieg er ins Weingeschäft ein. Anfang 2001 kam er
nach Berlin, arbeitete im Großhandel, 2010 machte er sich selbstständig,
belieferte und beliefert edle Restaurants wie den Pauly-Saal, das Stue, das
Hotel am Steinplatz, aber auch kleine feine Lokale wie Rosa Lisbert oder
Fräulein Fiona. 2012 eröffnete er den „Weinmichel“ in der Moabiter
Wiclefstraße, 2016 dann den zweiten Laden hier.
Genuss ist bei den Michels immer noch eine Familienangelegenheit. Martins
Sohn Carl arbeitet regelmäßig im Laden, Sohn Anton, lernte im Vau, kochte
später im Richwaters & Mitchells und gibt gelegentlich Kochkurse im
Weinladen. Es geht immer um mehr als Wein: Auch deshalb sind zahlreiche
Delikatessen wie edle Tees oder feiner Andraschko-Kaffee im Angebot, zum
Wein können die Gäste Vesperteller bestellen, mit „Ahle Worscht“, Blomeyer
Käse und Sironi Brot.
Diese perfekte hessische Wurst hat Martin Michel übrigens lange gesucht,
auf ähnliche Art und Weise, wie er auch seine neuen Winzer findet: Umhören,
hinfahren, kennenlernen. Meistens passt es, und dann stehen diese Weine im
Laden. Jede VdP-Region ist mindestens einmal vertreten, „am liebsten
alteingesessene Betriebe neben jungen innovativen Weingütern aus demselben
Anbaugebiet“, wie Michel beim Gang entlang der Regale erzählt, „Tradition
und Moderne der deutschen Weinkultur“.
Zwei Weine für den langen Sommer legt Martin Michel den taz-Lesern ans
Herz: Der eine stammt aus dem Elsass vom Traditionshaus Hugel, ein „Gentil“
aus fünf klassischen Rebsorten: Gewürztraminer, Pinot Gris, Riesling,
Muscat und Silvaner: „Das Beste, was man aus der Region im Keller
zusammenbringen kann, eine echte Kunst“, sagt Michel. So ist ein
souveräner, kräftiger und runder Sommerwein entstanden, der Spaß macht,
weil er Würze und Eleganz verbindet, frische Säure und die Fruchtigkeit von
hellen Pfirsichen.
Weniger rund, aber sehr spannend ist der Cuvée aus 75 Prozent Silvaner, 20
Prozent Scheurebe und 5 Prozent Riesling vom jungen Nahe-Winzer Johann
Baptist Schäfer, mit 11,5 Prozent dazu sommerlich leicht. Die Trauben für
das „Schäferstündchen“ stammen von sehr steinhaltigen Lehmböden, werden
handverlesen, in schonender Pressung verarbeitet und im Edelstahltank
ausgebaut. Im Glas liegt ein überraschend leichter Weißwein, der nach
reifen Südfrüchten duftet, mit Grapefruit, Paprika und intensiven
Mineralien eine tolle Vielfalt erschmecken lässt, die von grünbunten
Bergwiesen träumen lässt.
Weinmichel: Am Bayerischen Platz 8, Berlin-Schöneberg, Tel. (0 30) 40 04 87
97, www.weinmichel.net
Angebot für taz-Leser: Bei Abnahme von 12 Flaschen „Gentille“ 2015 vom
Weingut Hugel (0,75 l, 12 Euro) oder von 12 Flaschen „Schäferstündchen“
2016 vom Weingut Schäfer (0,75 l, 10 Euro) gibt die Filiale am Bayrischen
Platz 10 Prozent Rabatt.
21 Jul 2018
## AUTOREN
Michael Pöppl
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