Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- das portrait: Journalistin Canan Coşkun wurde in Istanbul erneut z…
Der gestrige Donnerstag war für Canan Coşkun zunächst ein Tag wie jeder
andere: Am Morgen fuhr sie mit dem Bus vom Istanbuler Stadtteil Gazi zum
Gericht in Çağlayan, wie schon am Tag zuvor, als sie als Zeugin im Prozess
gegen den Journalisten Ali Demirhan geladen war. Nur dass sie an diesem
Donnerstag selbst angeklagt war. Das Urteil kam prompt und lautete: 2 Jahre
und drei Monate. Begründung: Die Reporterin der regierungskritischen
Zeitung Cumhuriyet hat „mit dem Kampf gegen den Terror beauftragte Personen
zur Zielscheibe gemacht“.
Im September 2017 berichtete sie über eine Ermittlung gegen Anwälte, die
der Mitgliedschaft in der als linksterroristisch eingestuften Organisation
DHKP-C bezichtigt wurden. In ihrem Bericht ließ sie auch den Namen einer
Zeugin fallen. Regierungstreue Publikationen wie der Star hatten ebenfalls
von dem Fall berichtet und auch besagten Namen genannt, belangt wurden sie
jedoch nicht. Coşkun selbst vermutet, dass gegen ihren Arbeitgeber
Cumhuriyet vorgegangen werden soll.
Canan Coşkun wurde 1987 in Istanbul geboren und lebt seitdem fast
ununterbrochen in Gazi. Einen Namen machte sie sich als unerschrockene
Alevitin und linke Aktivistin. Bevor sie im Jahr 2012 bei Cumhuriyet
anheuerte, studierte sie in Eskişehir Fotografie und arbeitete für
Greenpeace. „Bei Cumhuriyet habe ich das journalistische Handwerk gelernt“,
wie sie selbst sagt.
Während der Proteste im Gezi-Park 2013 berichtete sie von vor Ort, wurde
infolge der Verhaftungen aber mehr und mehr zur Gerichtsreporterin: „Das
war überhaupt nicht der Plan. Aber unvermittelt war ich vier Tage die Woche
am Gericht.“
Vom jetzigen Abgeordneten Ahmit Şik bis hin zu Şenol Buran, der in der
Kantine arbeitete – bei Cumhuriyet gibt es kaum noch jemanden, der nicht
schon irgendeine Gefängnisstrafe abgesessen hat. Die Anwälte der Zeitung
gehen von bis zu 100 gegen das Blatt und seine Mitarbeiter laufende
Verfahren aus.
Das Urteil gegen Coşkun ist noch nicht rechtskräftig. Coşkun wird sich
davon nicht beirren lassen: „Das war weder der erste noch wird es der
letzte Schuldspruch gegen Journalisten gewesen sein. An meiner täglichen
Arbeit ändert das nichts.“ Im Januar 2016 wurde sie zu einer Geldstrafe von
2.250 Euro verurteilt, weil sie über mutmaßlich korrupte Richter und
Staatsanwälte berichtet hatte, deren Unbefangenheit durch
Schattenwirtschaft und den unverhältnismäßig günstigen Kauf von
Luxusapartments in Zweifel gezogen werden konnte. Weitere Recherchen
brachten ihr zehn Monate Gefängnis ein; eine Strafe, die bislang ausgesetzt
blieb.
Coşkun sieht es mit Humor: Im Gefängnis könne sie wenigstens Geld sparen.
Aber sie sagt auch: „Es geht nicht nur darum, Nachrichten zu machen. Es
geht um Recht und Gerechtigkeit. Das wird dringend gebraucht.“
Ali Çelikkan
Übersetzung: René Hamann
20 Jul 2018
## AUTOREN
Ali Celikkan
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.