Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fünf Jahre Warten
> Noch immer zeichnet sich für die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ keine
> Perspektive ab. Die meisten sind nur geduldet, einige leben auf der
> Straße, andere sind untergetaucht. Die Politik sitzt das Problem einfach
> aus. An diesem Samstag ruft die Gruppe zu einer Kundgebung auf 43–45
Bild: Ali Ahmed, 48, kommt aus dem Sudan, hat in Libyen gelebt und ist über di…
Protokolle Annika LasarzikFotos Miguel Ferraz
Seit fünf Jahren kämpfen wir für ein Bleiberecht, das die ganze Gruppe
einschließt. Wie oft haben wir demonstriert, mit Politikern diskutiert,
Journalisten unsere Geschichten erzählt … und heute? Ich bin enttäuscht!
Enttäuscht von den Menschen, die uns nur benutzt haben, die sich in
Wahlkampfzeiten mit uns in den Medien gezeigt haben, uns dann aber doch
fallen ließen. Im rot-grünen Koalitionsvertrag taucht die Lampedusa-Gruppe
überhaupt nicht auf, dabei hatten die Grünen mal versprochen, sich für uns
einzusetzen. Ich bin wütend auf Olaf Scholz, der uns immer nur ignoriert
hat und Hamburg nun für seine politische Karriere verlassen hat.
Die Jahre gehen hier nicht einfach so an uns vorbei, die
Perspektivlosigkeit macht die Männer mürbe, das merkt man. Viele haben
Angst vor der Zukunft, verlieren die Hoffnung. Ich nicht. Ich kämpfe
weiter. Ich lehne es weiter ab, mich bei den Behörden zu melden, mich auf
eine „Einzelfalllösung“ einzulassen, denn die halte ich für eine Falle: S…
würden mich ja ohnehin nach Italien zurückschicken.
Zwar gibt es einige Leute aus unserer Gruppe, die das Angebot des Senats
angenommen haben, die mittlerweile sogar arbeiten, feste Wohnungen haben.
Und ich verurteile sie nicht dafür. Doch wenn wir alle uns darauf
eingelassen hätten, wenn wir nach und nach die Duldungen und später
womöglich Abschiebungen akzeptiert hätten, wäre unser politischer Kampf
schon längst verloren. Und die Kritik an der Dublin-III-Regelung, nach der
sie uns zurückschicken können, wäre untergegangen.
Inzwischen sind wir in der Öffentlichkeit zwar nicht mehr so präsent wie
vor vier oder fünf Jahren, aber wir können auf ein großes Netzwerk aus
Unterstützern zählen. Ein wichtiges Moment war dabei die Internationale
Flüchtlingskonferenz auf Kampnagel 2016: Zu erleben, wie viele Menschen das
Migrationsregime der EU kritisieren, hat uns neuen Antrieb gegeben. Und zu
wissen, dass wir einen Eindruck hinterlassen haben in der Stadt und darüber
hinaus, macht mich stolz.
Bitter war es allerdings, zu spüren, wie sich die Stimmung in der Stadt ab
Herbst 2015 verändert hat: Plötzlich wurde unterschieden zwischen „guten“
und „schlechten“ Flüchtlingen. Während den neu ankommenden Menschen große
Hilfsbereitschaft entgegengebracht wurde, wurden wir vergessen oder sogar
verstärkt kritisiert.
Dabei bin ich selbst politischer Flüchtling, in meinem Heimatland, dem
Sudan, war ich in der Kommunistischen Partei. Libyen, wo ich ein paar Jahre
lang als Koch gearbeitet habe, ist heute ein gefährliches Land. Und
Italien? Dort ist das Leben für Geflüchtete noch härter als hier, das weiß
ich von Freunden und Bekannten, die inzwischen wieder dort leben.
Doch natürlich habe ich noch Hoffnung, Pläne. Ich wünsche mir, dass der
Platz am Steindamm, auf dem unser Infozelt steht, in „Lampedusa-Platz“
umbenannt wird, damit unser Kampf immer im Stadtbild sichtbar bleibt. Ich
könnte mir vorstellen, eine Art Lampedusa-Café zu eröffnen, einen
Begegnungsort für Geflüchtete und Hamburger, in dem wir afrikanisch kochen,
musizieren, unsere Kultur zeigen können.
Ein solcher Austausch wäre auch wichtig, um Vorbehalte abzubauen. Viele von
uns erleben täglich Rassismus auf der Straße: Je dunkler die Hautfarbe,
desto öfter wird man von Passanten beschimpft oder von Polizisten
kontrolliert.
Kundgebung: Sa, 30. 6., 14 Uhr, Lampedusa-Zelt am Steindamm, mit
anschließender Menschenkette zum Hamburger Rathaus
30 Jun 2018
## AUTOREN
Annika Lasarzik
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.