# taz.de -- Die Hoffnung stirbt zuletzt | |
> Wo steht die Lampedusa-Gruppe heute? Während einige sich den Behörden | |
> stellten, leben die meisten auf der Straße oder bei Unterstützern – und | |
> hoffen weiter auf eine Gruppenlösung | |
Von Annika Lasarzik | |
Fünf Jahre ist es nun her, dass 300 Menschen nach Hamburg kamen, viele von | |
der Mittelmeer-Insel Lampedusa, und einen öffentlichkeitswirksamen Protest | |
organisierten, der die Stadt aufrüttelten sollte – weil sie hierbleiben | |
wollten. In einer Zeit, in der sich die EU-Länder partout nicht auf | |
einheitliche, humane Asylstandards einigen können und lieber auf | |
Abschottung setzen, ist dieser Wunsch einer, der polarisiert. Noch immer. | |
Trotzdem ist es heute deutlich ruhiger geworden um die Gruppe: Gab es im | |
Herbst 2013 zeitweise fast jede Woche eine Demonstration in der Stadt, auf | |
der laute „We are here to stay“-Rufe durch die Straßen hallten, ist diese | |
Parole heute nur noch auf einzelnen Flyern zu lesen, die am | |
„Lampedusa-Infozelt“ am Steindamm ausliegen. | |
Was ist passiert? Die Gruppe war zum Politikum geworden, weil sie ein | |
kollektives Bleiberecht aus humanitären Gründen nach Paragraf 23 des | |
Aufenthaltsgesetzes gefordert hatte. Der damalige SPD-Senat ging auf diese | |
Forderung nicht ein, wies die Männer stattdessen an, individuell eine | |
Aufenthaltserlaubnis zu beantragen, über die das Bundesamt für Migration | |
und Flüchtlinge von Fall zu Fall entscheiden sollte. | |
Doch viele der Männer befürchteten, dass sie nach Italien zurückgeschickt | |
würden, sollten sie ihre Identitäten preisgeben – keine grundlose Sorge. In | |
Italien haben die meisten von ihnen bereits ein Asylverfahren durchlaufen | |
und waren als Kriegsflüchtlinge anerkannt. Und gemäß der | |
Dublin-III-Verordnung können Geflüchtete in das EU-Land abgeschoben werden, | |
in dem sie zuerst registriert wurden. Auch wenn sie dort, wie in Italien, | |
unter unzumutbaren Zuständen leben müssen. | |
Wer heute eigentlich noch zur „Lampedusa-Gruppe“ zählt, lässt sich pausch… | |
nicht sagen. Aus der inoffiziellen Gemeinschaft sind längst viele | |
Einzelschicksale geworden. „Der Großteil der Gruppe hat sich bis heute | |
nicht bei den Behörden gemeldet“, sagt Sprecher Ali Ahmed. Viele dieser | |
Männer treffen sich regelmäßig am Infozelt der Gruppe, das seit vier Jahren | |
am Steindamm steht, manche schlafen dort, auf der Straße oder kommen bei | |
Unterstützern im ganzen Stadtgebiet unter. „Wir schlagen uns so durch und | |
helfen uns gegenseitig“, so Ahmed. Zu einigen Weggefährten habe er | |
inzwischen den Kontakt verloren, weil sie sich aus politischen Aktionen | |
herausgezogen hätten. | |
Offiziell als „Lampedusa-Flüchtlinge“ gemeldet sind laut Hamburgs | |
Ausländerbehörde derzeit 101 Personen: Sie alle haben eine befristete | |
Aufenthaltserlaubnis beantragt, die ihnen in 49 Fällen auch gewährt wurde. | |
36 Anträge wurden bislang abgelehnt. 50 Menschen leben mit einer Duldung in | |
Hamburg, zum Teil mit einer Arbeitserlaubnis, ausreisepflichtig sind sie | |
dennoch – Abschiebungen von Personen aus dieser Gruppe habe es bislang aber | |
nicht gegeben, sagt die Behörde. Einzelne sind untergetaucht oder | |
weitergereist. | |
Zudem kommen immer wieder neue Flüchtlinge an, oft sind es junge Männer, | |
die von der „Lampedusa-Gruppe“ gehört haben und das Infozelt am | |
Hauptbahnhof ganz gezielt ansteuern. | |
Wie lange das weiße Zelt eben dort, zwischen Apotheke und U-Bahn-Eingang, | |
noch stehen bleiben kann, ist ungewiss. Akut bedroht ist der Standort | |
offenbar nicht: Das Zelt gelte weiterhin als Dauerversammlung in Form einer | |
Mahnwache, sagt Polizeisprecher René Schönhard. Auflagen habe die | |
Versammlungsbehörde nicht erteilt. | |
Die Geflüchteten am Steindamm halten sich weiter an der Hoffnung fest, dass | |
der Senat ihnen irgendwann eine Aufenthaltserlaubnis für die ganze Gruppe | |
erteilen könnte. Dass der frühere Innensenator Michael Neumann (SPD) diese | |
Option nach wie vor ablehnt, sie im Interview mit der taz erneut als | |
„rechtlich unzulässig“ einstuft, ist bemerkenswert: Die Landesbehörde | |
könnte gemäß Paragraph 23 sehr wohl anordnen, dass bestimmten | |
Personengruppen ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen erteilt wird, | |
bei Erlass einer solchen Anordnung und bei der Bestimmung der | |
Gruppenmerkmale hätte Hamburg einen weiten Ermessensspielraum. | |
Zwar wäre eine formelle Zustimmung des Bundesinnenministeriums notwendig, | |
eine entsprechende Anfrage hat Hamburg bis heute allerdings nie gestellt. | |
Fehlt es an rechtlichen Möglichkeiten oder am politischen Willen? | |
Diese Frage durchzieht heute wie vor fünf Jahren jede Diskussion über die | |
Hamburger Lampedusa-Gruppe. Und so geht der Kampf vorerst weiter – wenn | |
auch stiller als zuvor. | |
30 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Annika Lasarzik | |
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