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# taz.de -- Image in Seenot
> Seit sie sich an einem Einsatz in der Ägäis beteiligte, muss sich die
> Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger immer wieder der Frage
> stellen, ob sie Flüchtlingen hilft, obwohl sie doch eigentlich für Nord-
> und Ostsee zuständig ist. Inzwischen reagiert die Bremer Zentrale auf
> diese Frage mit Funkstille
Bild: 2016 lief die „Aquarius“ von Bremerhaven aus – das Schiff stammt vo…
Von Milena Pieper
Dass das Engagement für Geflüchtete auch die Angst vor einem negativen
Image mit sich bringen kann, zeigt das Beispiel der Deutschen Gesellschaft
zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS): Die deutschen Seenotretter tun alles,
um nicht mit Rettungsaktionen im Mittelmeer in Verbindung gebracht zu
werden. Die Sache scheint sie derart in Probleme zu bringen, dass sie sich
derzeit dazu überhaupt nicht mehr äußern wollen.
Vor einem Jahr war das noch anderes, da redeten sie noch – zum Beispiel mit
dem staatlichen Auslandsrundfunk Deutsche Welle. Der Pressesprecher der
DGzRS, Christian Stipeldey, kämpfe „mit vielen Missverständnissen“, seit
„immer mehr verzweifelte Menschen aus arabischen und afrikanischen Ländern
versuchten, auf überfüllten und nicht seetauglichen Schlauchbooten das
Mittelmeer zu überqueren“, hieß es in einem Beitrag des Senders. Dabei sei
die Organisation mit Sitz in Bremen doch dafür zuständig, Schiffbrüchige in
Nord- und Ostsee zu retten.
Was war passiert? 2016, als viele Menschen vor dem Krieg in Syrien und dem
Irak über das Mittelmeer nach Griechenland flohen, hatten die deutschen
Seeretter sich entschieden, der Bitte ihrer griechischen
Schwestergesellschaft nachzukommen und diese in der Ägäis zu unterstützen.
Der Einsatz war eine Ausbildungsmission. Er war zeitlich begrenzt und hatte
die „Stärkung der örtlichen Strukturen“ zum Ziel, so die Organisation in
einer Erklärung, die sie auf ihrer Homepage veröffentlichte.
Doch obwohl der Einsatz unter dem Kommando der griechischen Seenotleitung
stand und die deutschen Seenotretter lediglich Hilfe zur Selbsthilfe
leisten wollten, kam in der Öffentlichkeit der Eindruck auf, die DGzRS
würde sich dauerhaft in der Flüchtlingshilfe engagieren. Im Sommer 2017
klagte die Organisation über eine zunehmende Verwechslung mit privaten
Flüchtlingshelfern, die in Medien und Öffentlichkeit ebenfalls als
Seenotretter bezeichnet würden.
Dem Bericht der Deutschen Welle zufolge ordneten Nachrichtenagenturen Fotos
der Seenotretter beim Einsatz in der Ägäis falsch zu, es gab falsche
Beschriftungen. Dazu kam, dass die Rechtspopulisten die Situation
ausnutzten: So postete die AfD-Politikerin Frauke Petry ein Foto eines der
Schiffe der Seenotretter und betitelte es mit der Zeile: „Bootstaxi nach
Europa“. „Da müssen wir nachhaken, denn wenn sich dieser Eindruck in der
Öffentlichkeit verstärkt, dann werden wir dieser Entwicklung nicht mehr
Herr“, sagte der Pressesprecher gegenüber der Deutschen Welle.
Der Konflikt, in den die Seenotretter durch ihren Einsatz in der Ägäis
gerieten, ist ein Konflikt zwischen humanitärer Verantwortung, die
gebietet, in Seenot geratene Menschen in Sicherheit zu bringen, und
Existenzsicherung. Denn obwohl sie im offiziellen Auftrag der
Bundesrepublik die Nord- und Ostsee sichert, ist die DGzRS eine private
Organisation, die sich ausschließlich über Spenden finanziert. Sie ist auf
ihre Sponsoren angewiesen. Im Jahr 2016 betrug der finanzielle Aufwand der
deutschen Seenotretter rund 38 Millionen Euro. Damit finanzierten sie ihre
60 Seenotkreuzer und -rettungsboote. Im Jahr 2017 mussten sie mehr als
2.000-mal in ihrem Einsatzgebiet ausrücken und konnten rund 500 Menschen
retten.
Auf ihrer Homepage begründen die deutschen Seenotretter ausführlich, warum
für sie ein dauerhafter Einsatz auf den Hauptfluchtrouten im Mittelmeer
nicht infrage kommt. „Mittel für Katastrophenhilfe und Auslandseinsätze
werden nicht vorgehalten“, erklären die Seenotretter da zum Beispiel. Die
DGzRS entsende keine Schiffe ihrer Flotte ins Mittelmeer, weil sie es
„schlichtweg nicht kann“. Die Entfernung von Libyen nach Sizilien betrage
fast 500 Kilometer. „Reichweiten und Kapazitäten unserer Rettungseinheiten
sind mit den Erfordernissen in dem sehr großen Seegebiet zwischen
Nordafrika und Italien nicht vereinbar.“ Auch die Seeausdauer der Schiffe
reiche für Einsätze wie die auf dem Mittelmeer nicht aus und anders als
andere Hilfsorganisationen wie etwa das Technische Hilfswerk verfüge die
DGzRS nicht über große Auslandserfahrungen.
Die Erklärungen sind ist der Versuch, das Bild wieder zurechtzurücken – und
das Wohlwollen der Spender zu sichern. Denn hier gab es offenbar Probleme:
Der Einsatz in der Ägäis habe die DGzRS „einerseits bekannter gemacht und
möglicherweise auch neue Spender aktiviert – andererseits haben sich einige
langjährige Spender abgewandt, die humanitäre Hilfe im Mittelmeer offenbar
ablehnen“, heißt es in dem Beitrag der Deutschen Welle.
Und so ist in den langen Erklärungen auf der Homepage das kleine Wörtchen
„nicht“ unterstrichen bei der Frage, warum die DGzRS sich nicht im
Mittelmeer zwischen Nordafrika und Italien engagiere. Die Seenotretter
versichern, dass sie keine privaten Flüchtlingshelfer unterstützen, auch
nicht finanziell: „Menschen, die an die DGzRS – Die Seenotretter spenden,
unterstützen damit ausschließlich die satzungsgemäße Arbeit unserer
Gesellschaft“, heißt es da.
Diese sehr deutliche Abgrenzung scheint für die Seenotretter offenbar
notwendig zu sein. Denn anders als für Unterstützerinnen und Unterstützer
von Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer aktiv sind, ist es immer noch
der Einsatz in Nord- und Ostsee, für den die Sponsorinnen und Sponsoren der
deutschen Seenotretter spenden.
23 Jun 2018
## AUTOREN
Milena Pieper
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