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# taz.de -- Selbstjustiz nach RTL-Beitrag: Glotzen macht doof
> Ein TV-Beitrag von RTL soll Auslöser eines Aktes der Selbstjustiz in
> Bremen-Nord gewesen sein – der Sender weist jede Verantwortung von sich
Bild: Ohne sie wird es duster: Justizia
BREMEN taz | Inspiriert von einem TV-Beitrag der RTL-Nachrichtensendung
„Punkt 12“ haben sich am vergangenen Dienstag mehrere Männer in Bremen-Nord
zu einem Lynchmob zusammengeschlossen und einen 50-Jährigen in seiner
Wohnung krankenhausreif geprügelt. Der Mann erlitt schwere Verletzungen und
schwebte zeitweise in Lebensgefahr. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen
eines versuchten Tötungsdeliktes und sucht Zeugen.
In dem Fernsehbeitrag, der inzwischen online nirgendwo mehr zu finden ist,
ging es um mutmaßliche Pädophile, die sich auf der Online-Plattform
gutefrage.net an Kinder herangemacht haben sollen. Das verantwortliche
RTL-Reporterteam hatte auf der Plattform ein Profil angelegt und sich dort
als 13-jähriges Mädchen ausgegeben. Nach eigenen Angaben erhielten sie
daraufhin ein Kontaktangebot aus Bremen und Chats „mit stark sexualisiertem
Inhalt“.
Der Mann, den die RTL-Reporter am vereinbarten Treffpunkt vor einem Bremer
Einkaufszentrum als „verdächtig“ ausmachten und den sie verpixelt in ihrem
TV-Beitrag zeigten, ist jedoch nicht identisch mit dem jetzt im Krankenhaus
liegenden Mann – das gab der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Frank
Passade, am Donnerstag bekannt. „Die Person aus dem Beitrag ist
identifiziert, wir stehen in Kontakt“, sagte Passade auf Nachfrage der taz
weiter. Ermittelt werde gegen ihn derzeit nicht – bislang sei er ja nur den
RTL-Reportern als jemand aufgefallen, „der sich vor einem Einkaufszentrum
komisch verhält“.
Der Privatsender gibt sich indessen entsetzt über den Lynchmob: „RTL
verurteilt den brutalen Akt der Lynchjustiz in Bremen auf das Schärfste“,
sagte ein Sprecher am Donnerstag. Die journalistische Sorgfaltspflicht sei
jedoch nicht verletzt worden, da der angegriffene Mann nicht Teil der
Berichterstattung gewesen sei. Zudem seien in dem Beitrag „keinerlei
Hinweise auf den Ort oder eine vermeintliche Adresse des mutmaßlich
Pädophilen – etwa Straßennamen oder Hausnummern – gezeigt“ worden, hie�…
weiter.
Wie die Täter darauf kamen, dass es sich bei dem Mann aus Marßel, den sie
dann in dessen Wohnung überfielen, um den von RTL als mutmaßlichen
Pädophilen gezeigten Mann handeln könnte, ist derzeit noch völlig unklar.
Frank Passade von der Bremer Staatsanwaltschaft wollte dazu keine weiteren
Angaben machen. Zudem werden weiterhin ZeugInnen des Überfalls gesucht.
RTL selbst hat inzwischen nicht nur den fraglichen Beitrag aus dem Netz
entfernt, sondern übt auch maximale Distanz in der eigenen
Berichterstattung zum Thema: In dem auf der Facebook-Seite von „Punkt 12“
verlinkten Beitrag von RTLnext heißt es: „Das passiert, wenn Menschen
meinen, das Recht in die eigene Hand nehmen zu müssen und es nicht denen
überlassen, die dafür zuständig sind: Nach einem TV-Beitrag über miese
Tricks von Pädophilen ist in Bremen ein unbeteiligter 50-Jähriger in seiner
Wohnung überfallen und lebensgefährlich verletzt worden.“
Dass der Privatsender selbst für den TV-Beitrag verantwortlich ist, erfährt
man auf der RTL-Seite allerdings nicht. Doch auch RTL hat dann doch einige
findige ZuschauerInnen, deren Erinnerungsvermögen mindestens zwei Tage
zurückreicht. Während die meisten UserInnen auf dem Facebook-Auftritt von
„Punkt 12“ über Pro und Kontra Selbstjustiz und Lynchmob diskutieren,
schreibt einer: „Ganz allein RTL schuld die in dem Beitrag einfach jemanden
verdächtigt haben ohne beweise!!! Und jetzt das unschulds Lamm spielen
!!Drecks Sender!“
Nach Auskunft der zuständigen Landesmedienanstalt in Hannover liegen
derzeit dort noch keine Beschwerden gegen den Beitrag vor.
15 Jun 2018
## AUTOREN
Karolina Meyer-Schilf
## TAGS
Selbstjustiz
RTL
Fernsehen
Überfall
Pädophilie
Bremen
Selbstjustiz
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