# taz.de -- Rechts per Enthaltung | |
> Ein Kulturausschuss in Bremerhaven verweigert einem unbedenklichen | |
> kurdischen Verein die Förderung, seitdem Bürger in Wut Stimmung gegen die | |
> KurdInnen machten | |
Von Florian Maier | |
Obwohl er als unbedenklich gilt, wurde dem Kurdisch-Deutschen | |
Gemeinschaftsverein aus Bremerhaven eine Förderung aus einem Kulturtopf | |
abgeschlagen. Bis 2016 wurde der Verein gefördert, seitdem streuen die | |
rechtspopulistischen Bürger in Wut (BiW) jedoch Zweifel an dem Verein und | |
unterstellen ihm verfassungsfeindliche Aktivitäten. Und obwohl Polizei, | |
Schulamt und der Vorstand des Bremerhavener „Kulturtopfes“ den Verein und | |
seine Veranstaltung, einen kurdischen Liederabend, ausdrücklich als | |
„unbedenklich“ bezeichnen, haben selbst SPD, Grüne und FDP sich in der | |
Abstimmung zur Förderung enthalten. | |
Unter anderem [1][parlamentarische Anfragen der BiW] führten dazu, dass | |
selbst die kleine Förderung über 1.500 Euro für die Veranstaltung | |
„Volkslieder aus Kurdistan“ von einer Mehrheit aus CDU, AfD und der BiW | |
abgelehnt wurde. Nur die Linke stimmte vergangene Woche im Ausschuss für | |
Schule und Kultur dafür. | |
Çem Cadirci vom Kurdisch-Deutschen Gemeinschaftsverein ist enttäuscht. Er | |
bedauert die Entscheidung des Gremiums. Sein Verein sei von rechten | |
Parteien in eine Ecke gedrängt worden, so Cadirci. Der Antrag habe allen | |
Auflagen des Kulturtopfes standgehalten. Der Verein leiste einen wichtigen | |
Beitrag zum gesellschaftlichen Leben in Bremerhaven und übernehme | |
ehrenamtlich viele Aufgaben der Stadt, gerade wenn es um die soziale | |
Betreuung und Integration von Zugewanderten geht. | |
Allerdings wird der Kurdisch-Deutsche Gemeinschaftsverein seit dem Jahr | |
2013 vom Landesamt für Verfassungsschutz [2][in dessen Jahresbericht] | |
erwähnt, wegen angeblicher Abhängigkeit von einem Ableger der PKK in | |
Bremen, namentlich von Birati. Im Jahr 2016 folgte dann eine Kleine Anfrage | |
der BiW an die Stadt. In dieser wird explizit nach verfassungsfeindlichen | |
oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten des Vereins gefragt. Der Magistrat | |
antwortete allerdings, ihm seien keine derartigen Aktivitäten bekannt. | |
Für Cadirci ist klar: Die Anfrage ist dafür verantwortlich, dass es für den | |
Verein keine öffentlichen Mittel mehr gibt. Und tatsächlich tauchen in | |
einer Auflistung der Fördergelder aus dem Kulturtopf danach keine Zahlungen | |
mehr auf. | |
Wegen der von rechts kolportierten PKK-Nähe hat das Schulamt zusammen mit | |
der Polizei in diesem Jahr den Verein extra für die Kulturförderung | |
geprüft. Sie kamen zu dem Schluss: „Es bestehen keine Bedenken, die | |
Veranstaltung zu bezuschussen“, wie es die Ortspolizeibehörde Bremerhaven | |
formulierte. Auch Cadirci bestreitet eine Birati-Abhängigkeit. Allein der | |
vage Verweis im Verfassungsschutzbericht reichte, um den Antrag zu | |
diskreditieren. | |
Irene von Twistern, Sprecherin der CDU im Förderausschuss, sagt: „Man wird | |
nicht ohne Grund mehrere Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet.“ | |
Allerdings sei sie trotz der Ablehnung ihres Antrags nicht grundsätzlich | |
gegen den Kulturverein oder dessen Mitglieder. Sie wolle aber auch nicht | |
vom Verfassungsschutz beobachtete Vereine mit öffentlichen Geldern | |
unterstützen. | |
Ähnliche Aussagen kommen von den Grünen. Sülmez Dogan, Abgeordnete der | |
Bremischen Bürgerschaft sagt, ihre Enthaltung sei eine schwierige | |
Entscheidung gewesen: Einerseits empfinde sie die Arbeit, die der | |
Gemeinschaftsverein mit Veranstaltungen leistet, sehr gut. Andererseits | |
habe es nie eine öffentliche Distanzierung von Birati, geschweige denn von | |
der PKK, gegeben. Sie kennt die Anfrage der BiW. 2016 sei die Stimmung | |
danach etwas hochgekocht. Dogan betont, dass die Grünen dafür andere | |
Vereine in Bremerhaven mit vielen kurdischen Mitgliedern unterstützen – | |
etwa „Dialog – Verein für gleiche Rechte“, dessen Antrag auch die Grünen | |
unterstützt hatten. | |
Witzigerweise stellt sich genau dieser Verein an die Seite des | |
Kurdisch-Deutschen Gemeinschaftsvereins. Er kritisiert die Ablehnung der | |
Förderung: „Die Ausgrenzung des Gemeinschaftsvereins mit Hilfe der | |
Enthaltungen von Demokraten ist ein Armutszeugnis für unsere Stadt.“ Der | |
Dialog-Verein fordert, die Ausgrenzung des Gemeinschaftsvereins zu beenden. | |
Mit einem Spendenaufruf versucht er die Finanzierung des Liederabends doch | |
noch zu ermöglichen. | |
Weitere Solidarität erhielt der Gemeinschaftsverein von Günther Matthiesen | |
von der Linken. „Der Antrag hat der Einzelfallprüfung und der | |
Schulamtsprüfung standgehalten“, sagt er. Er sehe einen förderungswürdigen | |
Beitrag zur kulturellen Vielfalt und Verständigung. Die Gewerkschaft | |
Erziehung und Wissenschaft spricht von einem bedenklichen politischen | |
Signal, weil die Enthaltungen ja eine Mehrheit der CDU mit rechten | |
Gruppierungen ermöglicht hätten. | |
14 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Florian Maier | |
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