# taz.de -- Der Mensch und das Tier | |
> Elchversteher und Schwanenküsser:Der Fotograf Aleksi Poutanen hat das | |
> Verhältnis der Finnen zu ihren Tieren dokumentiert – es ist eng, wie | |
> seine Serie „Fellow Creatures“ zeigt | |
Bild: Ville und die Hühner seiner Familie, Orimattila | |
Er hält das Tier im Arm wie sein Kind. Wie ein Neugeborenes, das es an die | |
Härte und Schönheit der neuen Umgebung zu gewöhnen gilt: Das hier ist jetzt | |
übrigens die Welt. | |
Markku, der Mann, hält Melvi – seinen Elch. Er füttert ihn und streichelt | |
ihn, kriecht mit ihm über die Erde eines umzäunten Waldstücks. Zwei Leben, | |
die zusammengehören. „Wie ein Hirsch und seine Mutter“, sagt Aleksi | |
Poutanen, Fotograf in Helsinki, der dokumentiert hat, was man eigentlich | |
mehr fühlt als sieht: Vertrautheit, Nähe, In-Beziehung-Treten. Das | |
fabelhafte Verhältnis finnischer Menschen zum Tier. | |
Wölfe und Wildkatzen, Schneehasen, Adler, Robben, Hermeline. Die Finnen | |
scheinen ihre Tiere mitgeschleppt zu haben, als sie in den Sechzigern – | |
binnen einem Jahrzehnt – ihre ländlichen Gebiete verließen, um fortan | |
Städte zu besiedeln. „Das war die schnellste Migration in der Geschichte | |
Finnlands“, sagt Poutanen; mit seiner Serie „Fellow Creatures“ stellt er | |
Fragen, die diese Migration hinterlässt: Wie viel Natur braucht man? Wie | |
oft muss man bei Straßenlärm einschlafen, bis man den Park um die Ecke für | |
supergrün und groß genug hält? | |
„Fellow“, das heißt „Kumpel“, „Artgenosse“, „Kamerad“. Ein „… | |
jemand, der da ist, man gibt ihm etwas, und er gibt etwas zurück. Poutanen | |
glaubt: Ein Tier gibt dem Menschen immer mehr. | |
Die „Fellows“ der Finnen hat er auf Instagram und in Lokalzeitungen | |
gefunden. Er hat sich durchgefragt und ist bei Menschen gelandet, die Bären | |
umarmen. Die ihre Miniaturpferde ins Wohnzimmer lassen, ein Kamel neben ihr | |
Bett, oder eine Boa mit in ihr Bett. | |
Er war bei einem, der Schwäne küsst – Schwäne in der dritten Generation; | |
die davor hat der Mann alt werden und sterben sehen. „Er geht zweimal am | |
Tag zu den Schwänen und bringt ihnen Essen“, sagt Poutanen. Es sind kleine | |
Trostbesuche am Wasser: Seine Frau und er haben vor einer Weile viel Geld | |
verloren. Die Kinder des Paares sind ausgezogen. | |
Und wenn der Mann sich so runterbeugt, Auge in Auge ist mit dem Schwan; | |
wenn er seinen Schnabel umfasst, ganz vorsichtig, und dabei mit den Füßen | |
im feuchten Schilf steht – ist das dann Liebe? | |
Sicher, meint Aleksi Poutanen. Er lacht. „Zumindest beim Menschen.“ Es | |
nerve ihn, sagt er noch, dass er nicht mehr einfach in den Wald laufen | |
könne, wie er das früher bei seinen Eltern konnte. | |
Im Sommer geht er wandern. | |
Annabelle Seubert | |
19 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Annabelle Seubert | |
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