# taz.de -- taz🐾thema: Bitte nicht nur von der Stange | |
> Guter Spargel hat mehr verdient, als nur mit Schnitzel und Sauce | |
> hollandaise aus der Tüte serviert zu werden. Ein paar Vorschläge | |
Bild: Braten, grillen oder marinieren? Kein Rezept, das sich mit Spargel nicht … | |
Von Michael Pöppl | |
Der Spargelhype, der pünktlich Ende April beginnt, kann wirklich nerven. | |
Freunde, die sonst kaum aufs Geld achten, erzählen mit leuchtenden Augen, | |
dass sie auf dem Wochenmarkt endlich die ersten Stangen des edlen Gewächses | |
„für unter zehn Euro“ entdeckt haben. Kollegen, die sich sonst zu Recht vom | |
Herd fern halten, diskutieren fachkundig über Sauce-hollandaise-Rezepte | |
(jene oft verhunzte Sauce wäre alleine eine eigene Geschichte wert). Und | |
typische Altberliner Lokale, bei denen Gemüse sonst höchstens unter | |
„Beilagen“ erwähnt wird, werben mit „Spargel in vielen Variationen“. W… | |
das eigentlich nur bedeutet, dass man sich zum Stangengemüse zwischen | |
gekochtem oder rohen Schinken, Puten-, Schweine- oder Kalbsschnitzel | |
entscheiden darf. Immerhin: Wenn man Glück hat, darf man dabei wählen, ob | |
man statt der Fertighollandaise wenigstens nur zerlassene Butter über den | |
Spargel gegossen bekommt. | |
Um nicht missverstanden zu werden: Spargel ist ein tolles Gemüse, hat aber | |
mehr Respekt und Kreativität verdient, als ihm das die meisten Küchenchefs | |
und Hobbyköche angedeihen lassen. Die Liebe zum Spargel ist in Deutschland | |
ungebrochen, rund 1,8 Kilo des Stangengemüses isst der Durchschnittsbürger | |
im Jahr, zieht man noch die Spargelhasser ab, liegt man beim Verbrauch | |
sicher erheblich höher. Natürlich hat die Euphorie für den Spargel viel mit | |
der Sehnsucht nach dem Frühling zu tun. Ähnlich muss es unseren | |
steinzeitlichen Vorfahren nach kargen Monaten mit Trockenbeeren und Nüssen | |
gegangen sein, wenn im Frühjahr die ersten essbaren grünen Triebe wieder | |
durch den Boden sprossen. Nach den kohllastigen Wintermonaten ist der | |
Spargel nun einmal das Erste, was frisch von hiesigen Äckern kommt. | |
Über was noch selten gesprochen wird: Die Spargelsehnsucht passt perfekt in | |
eine Zeit, in der immer mehr Menschen über Nachhaltigkeit bei der Ernährung | |
nachdenken. Es muss dabei nicht unbedingt nur der Biospargel sein. Denn der | |
deutsche „Asparagus officinalis“ (so die botanische Bezeichnung) ist, wenn | |
er denn wenigstens fair geerntet wurde, ein Vorbild für potentielle | |
Nachhaltigkeit. Beim Spargelkonsum spielen Regionalität und Saisonalität | |
nämlich eine enorme Rolle, sogar bei Menschen, die sich eher selten mit der | |
Herkunft ihrer Lebensmittel auseinandersetzen. Hauptsächlich gegessen wird | |
das Gemüse zwischen Mitte April und Ende Juni. Am 24. Juni, dem Johannistag | |
wird die Ernte eingestellt, damit die mehrjährigen Stauden sich erholen | |
können. Weil es frisch geerntet am besten schmeckt, kaufen die meisten | |
Spargelfans ihr Lieblingsgemüse aus der nächsten Umgebung: Die Bayern | |
lieben den Spargel aus Schrobenhausen, die Schwaben den aus Schwetzingen, | |
die Niedersachsen den aus Nienburg und die Berliner und Brandenburger | |
natürlich den aus Beelitz. Gemeinsam ist all diesen Agrargebieten, dass sie | |
über außergewöhnlich sandige, lössarme und mineralhaltige Böden verfügen, | |
die für den Spargelanbau ideal sind. | |
Rund 80 Prozent des in Deutschland verkauften Spargels kommt tatsächlich | |
aus regionalem Anbau. Das ist bei Tomaten oder Möhren, den meistgegessenen | |
Gemüsesorten, längst noch nicht selbstverständlich. In globalisierten | |
Zeiten gibt es natürlich auch Spargelimporte, die stammen meist aus Spanien | |
oder Griechenland. Vor allem der grüne Spargel, der schon ab März in den | |
Läden liegt, kommt aus Südeuropa. Und sogar im Winter findet man Spargel im | |
Supermarktregal, oft aus Ländern wie China oder Peru importiert, in denen, | |
übrigens ähnlich wie beim hippen Superfood Avocado, großflächige | |
Agrarfabriken sämtliche Boden und Wasserressourcen sowie billige | |
Arbeitskräfte ausbeuten, um dann per Flugtransport ganzjährige europäische | |
Nachfrage zu stillen. Echte Kenner wissen: Solcher Spargel ist nicht nur | |
aus ökologischen und klimatischen Gründen tabu, sondern er schmeckt auch | |
nicht wirklich. | |
Wie so oft hat die Liebe also auch ihre Grenzen. Irgendwann nach dem Hype | |
sind die Spargelpreise im Keller, spätestens im Juni haben wir den Spargel | |
dann auch über. Das liegt aber vor allem daran, dass wir ihn am liebsten so | |
verzehren, wie ihn schon Generationen zubereitet haben – weichgekocht, mit | |
Schinken serviert und mit Butter oder Hollandaise übergossen. Dabei ist der | |
Spargel ein kulinarischer Tausendsassa, man kann ihn auch braten, grillen, | |
marinieren, kein Rezept, das man mit Spargel nicht noch verfeinern oder | |
aufpeppen kann, und bietet viele Möglichkeiten seine Gäste positiv zu | |
überraschen (siehe unten). | |
Man kann ihn sogar roh essen, muss dann aber auf den typischen | |
Spargelgeschmack verzichten, die Asparaginsäure, die den Spargel leicht | |
bitter-nussig macht, entwickelt sich erst beim Erhitzen. Für einen | |
Rohkostsalat, den man dann mit einer raffinierten Marinade übergießen kann, | |
empfiehlt es sich, eher grünen Spargel zu verwenden. Den muss man oft noch | |
nicht einmal schälen, gründlich waschen und die harten Enden abschneiden | |
genügt. Und noch ein wichtiger Hinweis, aus leidvoller eigener Erfahrung: | |
Bei Spargel auf den Grill, ist vor allem eines zu beachten – das Brenngut | |
sollte gut durchgeglüht sein, der Rost nicht zu nahe darüber liegen, denn | |
wenn der schöne Spargel tatsächlich verbrennt, kann man ihn wegwerfen. | |
Gesünder ist da allemal ein Elektrogrill, der kann lässt sich noch dazu | |
auch auf dem Balkon verwenden. | |
19 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Michael Pöppl | |
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