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# taz.de -- Mehrere Tote nach Angriff in Kanada: Wahllos durch die Menge
> Ein junger Mann fährt mit einem Lieferwagen durch eine Geschäftsmeile in
> Toronto – mindestens zehn Menschen sterben. Das Motiv des Fahrers ist
> unklar.
Bild: Der Transporter des Angreifers von Toronto
Vancouver taz | Die kanadische Millionenmetropole Toronto gilt als eine
entspannte, weltoffene und liberale Stadt. Die Bewohner erfreuen sich einer
hohen Lebensqualität, gut bezahlten Jobs und einer bunten multikulturellen
Szene. Auch die Kriminalität ist relativ gering: Im Vergleich zu anderen
Großstädten in Nordamerika gibt es in Toronto weniger Morde, weniger
Verbrechen und weniger Einbrüche.
Doch nun ist vielen Bewohnern das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit
abhandengekommen. Denn am Montag kam es in einem belebten Geschäftsviertel
im Norden Torontos zu einem in dieser Form noch nie dagewesenen Angriff auf
das friedliche Selbstverständnis der Stadt, bei dem am Ende mindestens zehn
Menschen starben und 15 weitere zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden.
Der Angriff ereignete sich im Bezirk North York etwa eine halbe Stunde vom
Stadtzentrum entfernt auf der Yonge Street, der bekanntesten Einkaufs- und
Geschäftsmeile von Toronto. Ein 25-jähriger Student hatte mitten am Tag mit
einem gemieteten Lieferwagen wahllos Passanten überfahren und dabei ein
unvorstellbares Blutbad angerichtet. Der mutmaßliche Täter fuhr per
Zickzack über einen Kilometer lang mit über 60 Stundenkilometern, bevor er
von der Polizei gestoppt und verhaftet werden konnte. Dabei war er über
mehrere Straßenblocks hinweg immer wieder zwischen der Straße und dem
Gehweg hin- und hergewechselt. Der Bürgermeister von Toronto, John Tory,
sprach von einer „schlimmen Tragödie“ für die Stadt.
Der Polizeichef von Toronto, Mark Saunders sagte in der Nacht zum Dienstag,
es müsse von einer vorsätzlichen Tat ausgegangen werden. Das Motiv des
Fahrers ist unklar. Einiges spricht dafür, dass es sich um einen verwirrten
Einzeltäter gehandelt haben könnte. Die Polizei wollte aber auch
terroristische Motive nicht ausschließen. Saunders sagte, man ermittle in
alle Richtungen, weitere Verdächtige gebe es nicht.
## „Alles, was ihm in den Weg kam“
Der mutmaßliche Täter Alek M. hatte laut Polizei offenbar als „Lone Wolf“
gehandelt und war den Behörden laut Saunders zuvor nicht aufgefallen. Es
gibt bislang auch keine Hinweise auf Verbindungen zu bekannten
Terrororganisationen. Alek M. lebte in Richmond Hill, einem Vorort im
Norden der Stadt, frühere Mitschüler beschrieben ihn als schüchtern,
zurückgezogen und mental instabil.
Die kanadische Regierung geht derzeit nicht davon aus, dass die nationale
Sicherheit bedroht sei oder dass sie bedroht worden sei. Die im Land
geltende mittlere Terror-Warnstufe bleibe erhalten, sagte Ralph Goodale,
der Minister für öffentliche Sicherheit am Montagabend in Toronto. Für eine
erhöhte Terrorgefahr hätten die Behörden bislang keine Hinweise, die
Ermittlungen dauerten aber an.
Der Augenzeuge Alex Shaker beschrieb den dramatischen Tathergang im
kanadischen Fernsehen: „Dieser Typ hat einen Passanten nach dem anderen
einfach überrollt.“ Er habe einen Kinderwagen gesehen, wie er durch die
Luft geflogen sei. Auch Körper seien von dem Aufprall in die Luft
geschleudert worden. „Er hat die Leben so vieler Menschen zerstört. Alles,
was ihm in den Weg kam.“
Eine Person wurde von dem Lieferwagen laut Augenzeugen meterlang
mitgeschleift. „Hier ist überall Blut. Hier sind überall Leichen“,
beschrieb ein Passant die Szene. Mike McCormack, der Chef der
Polizeigewerkschaft von Toronto, berichtete dem Sender CBC, er arbeite seit
30 Jahren bei der Polizei, einen so dramatischen Vorfall habe er in Toronto
noch nie erlebt. „Das ist eine neue Qualität.“
## Toronto bleibe tolerant und weltoffen
Zu einer spektakulären Szene war es bei der Festnahme des Fahrers gekommen.
In einem Video eines Augenzeugen ist zu sehen, wie Alek M. mit einem
Gegenstand in Richtung eines Polizisten zeigte, drohte und dabei „Töte
mich!“ und „Schieß' mir in den Kopf!“ rief, fast als wollte er sein Leben
beendet sehen. Doch der Polizist behielt einen kühlen Kopf, schoss nicht
und nahm Alek M. fest.
Noch am Abend kam es in ganz Kanada zu einer Welle der Solidarität. „Heute
Nacht sind die Herzen und Gedanken der ganzen Nation mit den Familien und
Freunden der Opfer“, sagte Premierminister Justin Trudeau. Bürgermeister
Tory betonte, Toronto bleibe auch nach der Attacke tolerant und weltoffen.
„Das sind Dinge, mit denen wir nicht rechnen, nirgendwo. Aber ganz
besonders nicht hier in Toronto.“ In North York versammelten sich hunderte
Bürger mit Kerzen zu einer spontanen Trauerfeier.
In Kanada ist es nicht die erste Attacke dieser Art. Erst im Herbst hatte
in Edmonton ein Angreifer einen Polizisten mit einem Messer bedroht und
dann vier Menschen mit einem gemieteten Lieferwagen gerammt und verletzt.
Vor vier Jahren hatte ein Mann in der Provinz Québec zwei Soldaten mit
einem Auto angefahren und war danach von der Polizei erschossen worden.
24 Apr 2018
## AUTOREN
Jörg Michel
## TAGS
Amoklauf
Kanada
Justin Trudeau
Toronto
Toronto
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