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# taz.de -- Die Zukunft der Literatur ist weiblich
> Das African Book Festival vergangene Woche im Babylon war klasse und
> lebendig. Es lieferte Einblicke in die Schreibwelt der afrikanischen
> Diaspora – sie bringt teilweise eine transkontinentale und höchst
> kosmopolitische Literatur hervor
Von Eva Berger und Edith Kresta
Lange Schlangen vor dem Büchertisch im Kino Babylon am
Rosa-Luxemburg-Platz. Die meisten Werke der zeitgenössischen afrikanischen
Literatur, die dort ausliegen, sind englisch und hierzulande weitgehend
unbekannt. Einige Titel haben es aber auch ins Deutsche geschafft, wie
Yewande Omotosos „Die Frau von nebenan“, Chika Unigwes „Schwarze
Schwestern“ oder Elnathan Johns „An einem Dienstag geboren“. Daneben gibt…
Teigrollen, Bohnen und Reis. Das gedrängte Setting fördert lebhaften
Austausch. Die Literaturprofessorin aus Potsdam findet die Veranstaltung
„very interesting and unusual“. Sie hat gleich ihre ganze Studentengruppe
mitgebracht.
Um Kommunikation mit den 37 eingeladenen Schriftsteller*innen (davon 22
weiblich) ging es beim African Book Festival „Writing in Migration“ in der
vergangenen Woche. Es ist das erste Festival von und für afrikanische
Autoren in Berlin. Es herrscht jedoch kaum babylonische Sprachverwirrung
unter dem bunt gemischten Publikum – man spricht überwiegend Englisch.
Nicht aus Snobismus, sagt Stefanie Hirsbrunner. „Für Übersetzung hat unser
Etat nicht gereicht.“ Stefanie Hirsbrunner und Karla Kutzner von der
Literaturagentur InterKontinental haben das Festival, das unter anderem von
der Kulturstiftung des Bundes unterstützt wird, organisiert.
„Unsere Kuratorin, die nigerianisch-deutsche Schriftstellerin Olumide
Popoola, hat ihr Netzwerk afrikanischer Schriftsteller eingeladen. Das
Kuratorium soll jedes Jahr wechseln, damit jeweils andere Bereiche
afrikanischer Literatur, etwa die französischsprachige, vorgestellt
werden“, erklärt Hirsbrunner das Konzept.
Die in London lebende Popoola ist Autorin und Performance-Künstlerin, 2017
erschien ihr Roman „When We Speak of Nothing“. Sie hat Autoren aus Nigeria,
Uganda, Kenia, Simbabwe oder Südafrika eingeladen, aber auch aus
Deutschland, den USA und Schweden: Afrikanisch bedeutet auf dem Festival
weniger Nationalität oder Wohnort. Gemeint sind vor allem auch Autor*innen,
die in Afrika geboren wurden oder Familie haben, aber woanders leben.
Popoola erklärt das so: „Auf Englisch würde ich sagen ,African Diaspora‘ …
Leute wie ich, die verschiedene Hintergründe haben, oder Leute, die
weggegangen oder zweite Generation sind.“ Also Weltbürger mit afrikanischen
Wurzeln.
Ihr Eröffnungsgespräch mit Chika Unigwe, Jude Dibia und Yewande Omotoso
setzt den Rahmen des Festivals. Es geht um Migration als persönliche
Erfahrung, als Thema der Literatur, es geht um Sprache, um
interkontinentale Dimensionen, da sich viele Literaturschaffende souverän
zwischen Afrika, Europa und Amerika hin und her bewegen. Migration nicht
als klassische Aus- oder Einwanderung, sondern als Bewegung. Wie wirkt sich
der erzwungene oder freiwillige Ortswechsel auf das Schreiben aus? Es ist
der Kuratorin Popoola wichtig, dass die Literatur ihrer Gäste im
Mittelpunkt steht. „Ich möchte über Handwerk reden. Wie schreiben sie? Was
verändert ein Ortswechsel?“
## Große Themen: die Fallstricke des Identitären, Migration, Feminismus
Und es geht um Frauen in der Literatur, um Gender. Es überrascht, auf den
Podien in der Mehrzahl Frauen zu sehen, von gängigen Festivals hierzulande
ist man das weniger gewohnt.
Der nigerianische Schriftsteller Chris Abani, der in Nigeria wegen seiner
Regierungskritik zum Tode verurteilt wurde und nun in den USA lebt, hält
die Eröffnungsrede. Er betont die große Rolle, die Frauen in der
afrikanischen Literatur spielen: „Frauen schreiben besser. Die Zukunft der
afrikanischen Literatur ist weiblich.“ Er problematisiert auch die Sprache
in der afrikanischen Literatur. Dass die afrikanische Realität in kolonial
oktroyierter Sprache dargestellt wird, wodurch die Tausenden
geschichtsreichen afrikanischen Sprachen und mündlichen Traditionen immer
wieder ins Hintertreffen geraten. Vieles, was afrikanische Literatur
ausmacht, bleibt so unentdeckt.
Olumide Popoola, Karla Kutzner und Stefanie Hirsmeier legen mit diesem
ersten African Book Festival einen überzeugenden Aufschlag in der zunehmend
unüberschaubaren Welt der Literaturfeste hin. Podiumsdiskussionen, in denen
über die großen Themen – Migration, die Fallstricke des Identitären und
Schreiben-in-between, Sprache, Feminismus und Postkolonialismus –
verhandelt wird, werden parallel geschaltet mit halbstündigen Tête-à-Têtes,
bei denen die einzelnen Autor*innen ihre Arbeit in intimer Runde
präsentieren.
In diesen Wanderungsbewegungen zwischen den Formaten und Räumen entwickelt
sich das Foyer des Babylon zu einem Gravitationszentrum, wo Diskussionen
fortgesponnen, neue Begegnungen angebahnt und jede Menge Bücher verkauft
werden. Popoola, Kutzner und Hirsmeier haben einen aufregenden Lesehorizont
in eine genuin transkontinentale und kosmopolitische,
afrikanisch-diasporische Welt der Literatur eröffnet. Fortsetzung unbedingt
erwünscht.
30 Apr 2018
## AUTOREN
Eva Berger
Edith Kresta
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