| # taz.de -- Kolumne Familie und Gedöns: Eine Wunde und mütterliche Eitelkeit | |
| > Das Kind hat sich verletzt – und will nur vom Vater versorgt werden. | |
| > Eigentlich wollte ich das auch so. Doch nun macht mein Herz einen Sprung. | |
| Bild: „Mit Paposch!“, wimmert mein Sohn und klammert sich an den Arm meines… | |
| Ich betrachte mich als moderne Mutter. Mein Freund und ich kümmern uns | |
| nahezu gleichberechtigt um den Haushalt. Und auch für die Erziehung unseres | |
| gemeinsamen Sohns war er von Anfang mitverantwortlich. | |
| Wenn ich eins vermeiden wollte, dann war es das: ein weinendes Kind, das | |
| sich aus den Armen seines Vaters windet und sich nur von Mama beruhigen | |
| lässt. | |
| Das ist mir gelungen. | |
| Freitagnachmittag, 15.30 Uhr, Anruf aus dem Kindergarten: „Können Sie Ihren | |
| Sohn heute etwas früher abholen? Er hat eine Platzwunde am Kopf und weint | |
| ziemlich doll.“ Mein Herz setzt für eine Sekunde aus, während mein Hirn | |
| schon in Windeseile die nächsten Schritte plant: | |
| Meinen Freund anrufen, der sowieso auf dem Weg in die Kita war. Check. | |
| Herausfinden, welcher Arzt noch offen hat. Check. Chipkarte und Arztheft | |
| suchen. Check. Stullen schmieren und ein Kinderbuch einpacken, um die | |
| Wartezeit beim Arzt zu überbrücken. Check. | |
| Ich steige aufs Rad, lege die zwei Kilometer bis zum Kindergarten doppelt | |
| so schnell wie sonst zurück. Anders als erwartet, stehe ich dort nicht etwa | |
| meinem blutüberströmten Kind gegenüber. Mein Freund hat die Blutung längst | |
| mit einer Kompresse gestillt. Die Tränen sind getrocknet. | |
| Zum Arzt müssen wir trotzdem. „Mit Paposch!“, wimmert mein Sohn und | |
| klammert sich an den Arm meines Freundes. Wieder macht mein Herz einen | |
| kleinen Sprung. Diesmal nicht vor Sorge. | |
| Wieso mit Papa?, schießt es mir durch den Kopf. Kann jemand das Kind mal | |
| daran erinnern, wer es unter Schmerzen herausgepresst und über Monate | |
| gestillt hat?! Das hier ist ja wohl eindeutig mein Job! | |
| Doch mein Sohn sieht das anders. „Mit Paposch!“, fordert er nun schon | |
| vehementer. Ich atme tief durch. Versuche das überkommene Rollenmuster in | |
| meinem Kopf beiseitezuschieben, auch wenn das meiner mütterlichen Eitelkeit | |
| widerstrebt. | |
| Gleichberechtigt zu sein, denke ich, nachdem ich die beiden schließlich an | |
| der Bushaltestelle verabschiedet hatte, das heißt eben auch, für seine | |
| Kinder nicht immer die unangefochtene Nummer eins zu sein. | |
| 18 Jun 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadja Mitzkat | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt taz Leipzig | |
| taz.gazete | |
| Eltern | |
| Schwerpunkt taz Leipzig | |
| Schwerpunkt taz Leipzig | |
| Mithulogie | |
| Eier | |
| Schwerpunkt taz Leipzig | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Familie und Gedöns: In der Vorstadt leben, nein danke | |
| Ein Umzug steht an! Aber wohin? Die Vorstadt lockt mit Raum und Garten, | |
| aber dann drohen weite Wege und immer die gleiche Individualität. | |
| Kolumne Familie und Gedöns: Alleinerziehend gespenstisch effizient | |
| Mein Freund ist nicht da, auf einmal bin ich für alles zuständig – und | |
| verwandle mich in eine Art Mutterschafts- und Haushaltsroboter. | |
| Kolumne Mithulogie: E wie Empathie | |
| Gaucks Heimat-Gefasel zeigt: Wir brauchen dringend eine emotionale | |
| Alphabetisierungskampagne. Ein Baby als Lehrer könnte helfen. | |
| Kolumne „Eier“: Männer, die an Knöpfen scheitern | |
| Maschinen waren einmal metallgewordene maskuline Muskelkraft. Heute | |
| hingegen muss man sie streicheln wie ein Mäusebaby. | |
| Kolumne Familie und Gedöns: Über das Verschwinden im Alter | |
| Mit gerade einmal Mitte dreißig fühle ich mich alt. Eine zufällige | |
| Begegnung beim Arzt zeigt, die Angst vor dem Älterwerden ist begründet. |