# taz.de -- nord🐾thema: „Jede Fahrt mit dem Fahrrad ist eine gute“ | |
> Kirsten Pfaue ist seit zweieinhalb Jahren Hamburgs | |
> „Radverkehrskoordinatorin“. Im taz-Interview lobt sie die neuen | |
> Abstellplätze und hofft auf zeitige Realisierung der Velorouten | |
Bild: Daumen hochViele Strecken wie die Alte Harburger Elbbrücke sind heute sc… | |
Interview Leif Gütschow | |
taz: Frau Pfaue, Hamburg soll Fahrradstadt werden. Läuft der Ausbau der | |
Infrastruktur plangemäß? | |
Kirsten Pfaue: Wir sind im Plan wirklich auf einem sehr guten Weg. Wir | |
bauen das Veloroutennetz aus, wir machen Machbarkeitsstudien für | |
Radschnellwege, wir schaffen Radverkehrsanlagen. Wir bauen unser Leihsystem | |
mit dem Stadtrad aus. Wir schaffen weit und breit Abstellplätze. Gerade die | |
Verknüpfung mit dem öffentlichen Nahverkehr und dem Rad ist so wichtig. Bis | |
2025 schaffen wir 28.000 neue Abstellplätze, an allen U- und S-Bahnhöfen. | |
Gibt es noch die Hamburger Fahrradhäuschen, die von der Stadt bezuschusst | |
werden? | |
Die Nachfrage ist da, und die Bezirksämter genehmigen auch neue. Es wird | |
natürlich zunehmend schwieriger, Platz für Fahrradhäuschen zu finden. | |
Bis 2020 soll das Veloroutennetz auf 280 Kilometer angewachsen sein. | |
Erreichen Sie dieses Ziel? | |
Bei 150 Kilometern haben wir Handlungsbedarf, neun Realisierungsträger sind | |
damit beauftragt, die Planung und den Bau umzusetzen. Wir haben das gesamte | |
Netz jetzt im Blick. Nach jetziger Prognose nehmen wir an, dass wir 2020 | |
einen ganz überwiegenden Teil des Veloroutennetzes fertiggestellt haben | |
werden. Und was dann noch nicht fertig ist, das wird kommen, das liegt dann | |
an prozessbegleitenden Faktoren. | |
An welchen? | |
An Baustellenkoordinierung, planungsrechtlichen Voraussetzungen, längerer | |
Bürgerbeteiligungen und schlicht auch auf völlig volle Auftragsbücher bei | |
Planungsbüros und Baufirmen. | |
Was wird aus den 130 Kilometern Velorouten „ohne Handlungsbedarf“? | |
Die Idee des Veloroutennetzes gibt es ja schon seit Ende der 1990er-Jahre. | |
Wir haben das gesamte Planungsnetz noch einmal glatt gezogen und auf einen | |
modernen Stand gebracht. Wir haben dann vor Ort uns jede einzelne | |
Teilstrecke angeschaut und gesagt: Daumen hoch oder Daumen runter. Bei | |
Daumen hoch ist nach unserer Auffassung kein Handlungsbedarf mehr, dort | |
bedarf es keiner Planungs- oder Bauleistung mehr. Nur Schilder und Hinweise | |
kommen dort noch, ganz zum Schluss, wenn das Netz überwiegend | |
fertiggestellt ist. | |
Der „Copenhagenize Index“, der die Fahrradfreundlichkeit von Städten | |
bewertet, mahnt für Hamburg an, dass der Radverkehr besser vom | |
motorisierten Verkehr getrennt werden müsse. | |
Uns ist der Blick von außen immer wichtig und da hören wir gut zu. Das ist | |
natürlich ein ganz wichtiges Thema. Wir haben in Hamburg allerdings schon | |
an der einen und anderen Stelle entsprechend abgetrennte Verkehrsanlagen. | |
Wie zum Beispiel am Klosterstern durch eine Bordkante im Kreisverkehr oder | |
auch an der Überseeallee. Hamburg ist so groß, da muss man wirklich vor Ort | |
sein und für jede einzelne Maßnahme die beste Lösung finden. Und das sind | |
ganz unterschiedliche Führungsformen, vom Radfahrstreifen bis zum Hochbord. | |
Eklektizismus im Bau der Infrastruktur ist ein weiterer Punkt, der in dem | |
Index kritisiert wird. Gerade für Besucher der Stadt sei es schwierig, die | |
Radwegsysteme zu verstehen. | |
Wir sind mitten in einer bebauten Millionenstadt, der Platz ist eng und die | |
Führung des Verkehrs ist komplex. Und da kann es sicherlich an der einen | |
oder anderen Stelle auch dazu führen, dass man im Nachgang noch mal etwas | |
nachbessern muss. Hier lohnt sich der Blick ins europäische Ausland. | |
Besonders begeistert hat mich da Amsterdam, die dort ähnlich enge | |
Straßenräume haben. Die setzen sehr stark auf Fahrradstraßen und das machen | |
wir hier in Hamburg auch. | |
Mit der dänischen Firma Donkey Republic ist seit März 2018 ein neuer | |
Leihfahrradanbieter in Hamburg. Verstehen Sie den Anbieter als Konkurrenz | |
oder als willkommene Alternative zum Stadtrad? | |
Erst mal ist jede Fahrt mit dem Fahrrad eine gute. Und wir weiten unser | |
Stadtradsystem weiter aus, wir haben im Moment 213 Stationen. Wir werden | |
auf 350 erweitern. Wir haben derzeit 2.450 Räder auf den Straßen und werden | |
auf 4.500 hochgehen. Das Stadtrad ist auch ganz zentral in der Verknüpfung | |
mit dem öffentlichen Nahverkehr und bei Stadtplanungsprozessen. | |
Gibt es noch nicht erschlossene Stadtteile? | |
Wir gucken uns natürlich auch die Peripherie an. Da gibt es noch die eine | |
oder andere Lücke. Wir haben übrigens ein großes | |
Online-Beteiligungsverfahren gemacht, das auf eine extrem gute Resonanz | |
gestoßen ist. Wo Hamburgerinnen und Hamburger auch angeben konnten, wo Ihre | |
Stadtrad-Station sein soll. Das werten wir derzeit aus. | |
Was halten Sie von der „Critical Mass“, bei der jeden letzten Freitag im | |
Monat Menschen mit dem Rad den Straßenraum in Anspruch nehmen? | |
Das ist eine wichtige Veranstaltung, um in den Diskurs zu kommen. Wenn ich | |
mir von außen die Critical Mass anschaue, wenn sie an mir vorbeizieht, dann | |
kann ich verstehen, dass die Radfahrerinnen und Radfahrer einfordern, | |
gesehen zu werden. Und gleichzeitig kann ich auch den Autofahrer verstehen, | |
der in dem Moment wütend wird und sagt: Was ist denn hier los. Aber ich | |
glaube, das ist genau der Diskurs, den wir brauchen, wenn wir in der Stadt | |
auch Veränderung voranbringen wollen. Ich bin da auch schon selber | |
mitgefahren. Es ist Teil der jetzigen Auseinandersetzung. | |
14 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Leif Gütschow | |
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