# taz.de -- Aufgeschreckte Couchpotatoes: Der Osterspaziergang | |
> Von den Philosophen gelobt, von Medizinern empfohlen: Die Lust am Gehen | |
> zwischen Kulturtechnik und Selbstoptimierung. | |
Bild: Nein, es blüht noch nicht: Baum mit 8.000 handbemalten Ostereiern | |
Lustwandeln“ nennt es Monika, wenn wir zu dritt ziellos durch die | |
Landschaft streifen. Sie könne dabei so wunderbar ihre wirren Gedanken | |
ordnen, ihre Unruhe ablegen. „Das Gehen glättet die Wogen“, behauptet sie. | |
Ina sieht das pragmatischer. Nachdem sie uns beim letzten gemeinsamen | |
Spaziergang von den Vorzügen des Intervall-Fastens vorgeschwärmt hat – „I… | |
habe immerhin anderthalb Kilo in drei Wochen abgenommen.“ – erzählt sie | |
heute von den Vorzügen des regelmäßigen Spazierengehens. Es rege die | |
Ausschüttung von Glückshormonen an, stärke das Immunsystem, verbessere die | |
Herzgesundheit, senke den Bluthochdruck, verringere das Diabetesrisiko, | |
kräftige die Muskulatur, mäßige Heißhungerattacken, reduziere Depressionen | |
und Angstzustände, helfe beim Abnehmen … Kurz gesagt: Es verlängert das | |
Leben! | |
Wow! Beeindruckt bleibe ich stehen. „Ich kann nur beim Gehen nachdenken. | |
Bleibe ich stehen, tun dies auch meine Gedanken“, treibt mich Monika mit | |
Jean-Jacques Rousseau weiter „Mein Kopf bewegt sich im Einklang mit meinen | |
Beinen.“ Viele Dichter und Denker zeichneten sich durch diese intensive | |
Beziehung zum Gehen aus, betont sie: „Ich ging im Walde / so für mich hin,/ | |
und nichts zu suchen,/ das war mein Sinn.“ Goethe, aber auch Nietzsche, | |
Heidegger. | |
Die deutschen Größen abendländischer Philosophie als Kronzeugen für die an | |
sich geistlose Beschäftigung des Gehens? Ja, das sei sogar eine | |
Wissenschaft, sagt Monika. In der Promenadologie gehe es darum, „die | |
Umgebung in die Köpfe der Menschen zurückzuholen“. Der Spaziergang sei das | |
Instrument zur Erforschung der Lebensumwelt. Das Gehen vermittle räumliche | |
Bezüge, da Raum nur durch die eigene körperliche Bewegung durch denselben | |
erfahrbar sei. | |
Wie geht’s? Die Antwort: geht so. Das Gehen ist bei uns tatsächlich auch | |
sprachlich eine existenzielle Angelegenheit. Schade, dass mir dabei immer | |
nur ein Kindheitstrauma einfällt: Der langweilige, gemächliche | |
Sonntagsspaziergang im beschaulichen Kreis der Familie. Ich fordere eine | |
Rast. Zum Nachdenken. Abschalten. | |
„Alkoholfreies Weißbier“, jubelt Ina. Das habe alle Mineralien des Biers, | |
ohne die negative Wirkung des Alkohols. | |
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche/ Durch des Frühlings holden, | |
belebenden Blick;/ Im Tale grünet Hoffnungsglück;/ Der alte Winter, in | |
seiner Schwäche … “ Monika zitiert unentwegt weiter und steuert dabei | |
zielstrebig ein Ausflugslokal an. | |
Die therapeutische Wirkung des Gehens? Seine geistige Erbauung und | |
körperlichen Vorzüge – wahrscheinlich erfährt man diese nur im Alleingang. | |
1 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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