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# taz.de -- Der Diesel bleibt – bis Dienstag
> Die Richter benötigen noch Zeit, um zu entscheiden. Doch eines ist klar:
> Ohne Blaue Plakette gibt es keine Lösung des Problems Luftverschmutzung
Bild: Volle Straßen in Stuttgart: Hier ist die Luft oft besonders schlecht
Von Richard Rother
Nach der Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig über die
Zulässigkeit von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge ist die Debatte über die
Einführung einer Blauen Plakette voll entbrannt. Das Gericht hat gestern
entgegen ursprünglichen Erwartungen kein Urteil gefällt, sondern die
Urteilsverkündung auf nächsten Dienstag vertagt (siehe Text rechts).
Dieselfahrzeuge gelten als Hauptquelle für den Ausstoß von
gesundheitsschädlichen Stickoxiden, deren Konzentration in vielen deutschen
Städten häufig über den Grenzwerten liegt.
Um das Thema Fahrverbote zu regeln, brauche man Plaketten, drängte am
Donnerstag Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann
(Grüne). Zuständig dafür sei der Bund. „Der ist für den Emissionsschutz
zuständig.“ Plaketten seien kontrollierbar, mit wenigen Schildern umsetzbar
und sie führten in ganz Deutschland zu gleichen Spielregeln. Die Forderung
nach einer Plakettenlösung habe Baden-Württemberg schon 2015 aufgestellt.
Doch bislang weigerte sich die schwarz-rote Bundesregierung, bundesweit
eine solche Blaue Plakette einzuführen, die relativ schadstoffarme
Fahrzeuge erhalten würden. Der Grund ist einfach: Eine solche Plakette
würde es belasteten Städten ermöglichen, Fahrverbote leicht zu
kontrollieren. Fahrverbote aber will die Bundesregierung unbedingt
vermeiden – aus Rücksicht auf die Autoindustrie, die bei der Abgasreinigung
von Dieselautos getrickst und betrogen hat. Zudem sorgt sich die
Bundesregierung um Millionen Pendler, Handwerker und Lieferanten, die um
ihre Mobilität fürchten.
Selbst wenn Städte Fahrverbote über Dieselstinker verhängen dürften – ohne
Blaue Plakette wären ihnen bei den notwendigen Kontrollen die Hände
gebunden, vom Widerstand ihrer autobesitzenden Bürger und Bürgerinnen und
denen in ihren Umlandgemeinden einmal abgesehen. Denn ohne Plakette könnte
ein Fahrverbot nur anhand der Zulassungspapiere durchgesetzt werden: Die
Polizei müsste Fahrzeuge aus dem laufenden Verkehr ziehen und
kontrollieren, ob sie die Schadstoffnormen einhalten oder nicht. Parkende
Fahrzeuge könnten gar nicht kontrolliert werden.
Je nach Ausgestaltung einer Fahrverbotszone ergeben sich auch bei der
Blaue-Plakette-Variante Kontrollprobleme. Gelten Fahrverbote in einem
bestimmten Gebiet dauerhaft, wäre klar, dass Fahrzeuge ohne Plakette dort
nichts zu suchen haben – und die Halter könnten belangt werden. Gelten
Fahrverbote aber nur temporär – nämlich zu Smogzeiten –, könnte man die
Fahrzeughalter nicht belangen, weil man nicht weiß, wann das parkende
Fahrzeug in die verbotene Zone gebracht wurde.
Der Automobilexperte der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer,
hingegen hält eine Kontrolle von Diesel-Fahrverboten in Städten auch ohne
Plaketten für durchaus machbar. Es seien auch keine Polizisten notwendig,
um Fahrverbote durchzusetzen. Vielmehr reiche eine Software, mit deren
Hilfe die Kennzeichen der Autos erfasst und überprüft würden. „Statt eines
Polizisten steht dort ein Automat.“ Die Frage sei nur, ob dies rechtlich
möglich sei. Die Idee, die dahintersteckt, ist offenbar: Wenn bei den
Zulassungsbehörden die kompletten Fahrzeugdaten vorliegen, ließe sich per
Nummernschild anhand eines Datenabgleichs überprüfen, ob das Fahrzeug zu
Recht oder zu Unrecht in eine Innenstadt gefahren ist.
Problematisch ist allerdings, dass nicht alle Euro-6-Diesel diese
Schadstoffnorm auch einhalten. Hier müsste es Regelungen geben, die
verhindern, dass solche Fahrzeuge zu Unrecht die Plakette erhalten. Der
ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) rät potenziellen
Autokäufern daher, derzeit generell auf Dieselmodelle zu verzichten.
Empfehlenswert seien dagegen Erdgasautos, Benzinhybriden oder gebrauchte
Benziner.
Neue Benziner sind problematisch, wenn sie Direkteinspritzer sind. Diese
Motortypen sind zwar sparsamer als herkömmliche Benziner, aber sie
verursachen einen erheblichen Ausstoß von Feinstaub, der ebenfalls
gesundheitsschädlich ist. Abhilfe würde ein Rußpartikelfilter schaffen, wie
es ihn bei Diesel-Pkws gibt, aber der kommt erst in diesem Jahr auf den
Markt.
Neben der Einführung einer Blauen Plakette fordert der VCD die schnelle
Hardwarenachrüstung von Dieselfahrzeugen, die die Konzerne aus
Kostengründen scheuen. Dass die Nachrüstungen machbar sind, haben
zahlreiche Tests – unter anderem des ADAC – bewiesen. VCD-Verkehrsexperte
Gerd Lottsiepen: „Die körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht und
eindeutig höher zu bewerten als die Gewinninteressen der Autoindustrie.“
Die Autobauer hätten den Kunden umwelttechnischen Murks angedreht und
müssten dafür geradestehen.“
Zur Vertagung der Urteilsverkündung sagte Lottsiepen: „Wir sind enttäuscht,
dass heute kein Urteil für saubere Luft gefallen ist. Für die Menschen, die
tagein, tagaus unter hohen Stickoxidwerten leiden, tut schnelle Hilfe not.“
Im Gerichtssaal habe aber Konsens darüber geherrscht, dass eine
bundeseinheitliche Regelung wie die Blaue Plakette schon vor Jahren einen
klaren Rechtsrahmen für die Schadstoffproblematik geschaffen hätte. „Dieser
Verhandlungstag ist auch ohne Urteil eine schallende Ohrfeige für die
untätige Bundesregierung.“
23 Feb 2018
## AUTOREN
Richard Rother
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