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# taz.de -- taz🐾thema: Wie es euch gefällt
> Ob Biolieferservice, Ökokiste oder lokale Märkte: Der Onlinehandel wird
> auch für die Biobranche immer wichtiger. Die Konkurrenz macht vor, wohin
> es geht
Bild: 15 Prozent der 33- bis 44-Jährigen kaufen mehr als die Hälfte ihrer Leb…
Von Michael Pöppl
Im Jahr 2017 stieg der Online-Umsatz der Lebensmittelbranche um 21,3
Prozent und kam erstmals über die Milliardengrenze. Noch macht dieser
Anteil aber nur rund 1,4 Prozent des bundesweiten Gesamtumsatzes aus, doch
Experten erwarten eine Steigerung des Onlineanteils im Lebensmittelbereich
auf bis zu 10 Prozent in den nächsten zehn Jahren.
Auch im Biobereich wächst der Anteil des Onlinehandels zwar stetig, noch
aber ist der Bioladen um die Ecke nicht tot, doch ein Großteil der
ökologisch produzierten Lebensmittel wird in Deutschland über
Biosupermärkte auf Wochenmärkten, in Hofläden und zum größten Teil (rund 80
Prozent) im konventionellen Einzelhandel verkauft. Eine Umfrage des
Hamburger Marktforschungsinstituts Appinio unter 1.000 jungen Konsumenten
ergab kürzlich, dass zwar ein Viertel der Befragten zwischen 18 und 33
Jahren regelmäßig Bio kauft, aber dass sie nur 2 Prozent ihrer Lebensmittel
auch online bestellen. Fragt man allerdings die nächste Generation, die der
33 bis 44-Jährigen, kommt Erstaunliches heraus: In einer aktuellen Umfrage
der Unternehmensberatung PwC gaben 15 Prozent der Teilnehmer dieser
Altersgruppe an, bereits mehr als die Hälfte ihrer Lebensmittel im Internet
zu beziehen. Viele von ihnen arbeiten in technikaffinen Jobs, so die
Auswertung, sie arbeiten Vollzeit und/oder haben Kinder.
Diese Umfrage ist kein Zufall, denn die erste Generation der Digital
Natives ist auch die Zielgruppe großer Konzerne wie Amazon, die mit ihrem
„Fresh“-Angebot langfristig auch den Markt für Lebensmittel aufrollen
wollen. Und, diese Zielgruppe, so eine Studie der Uni Hohenheim im Jahr
2016, bestellt immerhin 13 Prozent ihrer Biolebensmittel im Internet.
Der Onlinehandel mit Lebensmitteln ist vor allem ein Großstadtphänomen. Auf
dem flachen Land fährt man lieber kilometerweit mit dem Auto zum
Discounter, als im Internet Gemüse, Wurst oder auch Bier zu bestellen.
Metropolregionen wie Berlin, München oder Köln sind deshalb auch die
Testmärkte der Handelskonzerne wie Edeka oder Rewe, die eigene
Lieferdienste anbieten. Hier finden auch die vielfältigen Anbieter von
Biolebensmitteln im Internet ihre Kunden. Die zertifizierten Portale
gehören wie Basic oder Alnatura zu großen Biosupermärkten, zu bundesweit
agierenden Großhändlern wie der Webshop von Rapunzel, zu Konzernen wie der
DHL, wie im Fall von Allyouneed Fresh oder, etwas kleiner, zu
spezialisierten Start-ups wie etwa „Gegessen wird immer“ aus Berlin, die
neben Privatkunden auch Büros in der Hauptstadt mit Obst versorgen.
Servicetechnisch sind die Bioportale noch keine Konkurrenz zu Amazon fresh,
das verspricht, dass bis mittags bestellte Ware am selben Tag an die Tür
geliefert werden. Denn die Lieferung erfolgt durch klassische
Zustelldienste, frühestens am nächsten Tag, meist, immerhin „klimaneutral�…
mit Go Green, dem Versand der DHL. Rund 80 Prozent der online vertriebenen
Biolebensmittel sind deshalb haltbare Waren wie Müsli, Brotaufstriche,
Nudeln, aber auch Naturkosmetik, das Bestellen von Frischwaren wie
Biogemüse und -salat, Fisch oder Fleisch wird selten angeboten. Mit diesen
leichter verderblichen Lebensmitteln punkten aber regionale Bioportale wie
zum Beispiel KaRo des gleichnamigen Schweriner Biomarkts, das die Umgebung
um die mecklenburgische Landeshauptstadt versorgt, oder Lokador, das in
Zusammenarbeit mit der Bio Company nur Kunden in Potsdam beliefert.
Immer noch beliebt sind die regionalen Ökokisten, auch hier wird heute
zumeist digital bestellt, wie Christoph Scholz von der „Märkischen Kiste“
erklärt: „Für uns ist das Internet existenziell wichtig. Zum einen
erreichen wir heute die meisten Neukunden über unsere Homepage, zum anderen
koordinieren wir so die Lieferungen.“ Sein Berliner Unternehmen beliefert
seit über 20 Jahren Biokunden, Regionalität ist ihnen wichtig, die
Lebensmittel stammen größtenteils aus Brandenburg. Die Kunden können
verschiedene Boxen im Netz bestellen, von der Regional- über die
Schonkostkiste, es gibt auch spezielle Käsekisten oder frisches Obst fürs
Büro. Rund 2.500 Kisten liefert die Firma pro Woche aus mit eigenen Fahrern
an bestimmten Wochentagen an die Haustür. Scholz sieht sein System als
bessere Alternative zum Onlineshopping: „Unser System ist extrem
nachhaltig, unsere Waren sind frisch und regional, die Lieferwagen sind
voll beladen, das ist auch gut für die Ökobilanz.“
Im Internet findet man noch einem weiteren Umschlagplatz für nachhaltig
produzierte Lebensmittel: Die Food Assemblys, eine aus Frankreich stammende
Idee, in der sich Verbraucher und Produzenten direkt vernetzen.
„Marktschwärmer“ nennt sich das Portal der deutschen Sektion seit 2017,
hier bestellen die Mitglieder einer lokalen „Schwärmerei“ ihre
Lebensmittel, bezahlen online und holen sie dann einmal die Woche in einem
Laden, Café oder auch mal im Kulturzentrum in der Nachbarschaft ab. Gemüse,
Milch, Fleisch oder Eier stammen von nachhaltig produzierenden Höfen, Brot,
Marmeladen, Öl oder Schokolade aus kleinen Betrieben, vieles direkt aus der
Region. 43 offene Schwärmereien gibt es im Moment zwischen Aachen, Münster,
Berlin und Chemnitz, so Volker Zepperitz, einer der Mitorganisatoren des
Portals, rund 60 sind gerade im Aufbau, 45.000 Mitglieder haben sich
bundesweit seit 2010 über die Website registriert. „Wir sind keine
Zwischenhändler, das ist ganz wichtig. Es geht uns vor allem um den
Gemeinschaftsgedanken. Produzenten und Konsumenten sollen sich
kennenlernen“, sagt Zepperitz.
Die Gastgeber der Schwärmereien bestimmen die Kriterien, was über ihren
Marktplatz verkauft wird. Sie sorgen für die Organisation und bekommen
einen kleinen Anteil des Umsatzes. Nicht alles im Angebot ist
biozertifiziert, aus Kostengründen, aber die Produzenten sind regelmäßig
selbst vor Ort, wo sie erzählen, wie sie arbeiten. „Vertrauen ist wichtiger
als Siegel. Egal ob Konsument oder Hersteller, wir begreifen uns als Teil
der Menschen, die sich ethisch besser und nachhaltig ernähren wollen. Es
geht eben auch darum, dass diejenigen, die die Lebensmittel machen, faire
Preise bezahlt bekommen,“ sagt Zepperitz. Biosupermarkt? Biolieferservice?
Er sehe das undogmatisch: „Es gibt nicht die eine richtige Idee für alle.
Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, muss es für jeden Konsumenten,
der gesunde Lebensmittel kaufen will, eine passende Lösung geben.“
14 Feb 2018
## AUTOREN
Michael Pöppl
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