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# taz.de -- Dave Chappelle im Friedrichstadt-Palast: Großer Star auf kleiner B…
> Nach jahrelanger Schaffenspause kehrt Dave Chappelle zurück. Für seinen
> einzigen Auftritt in Berlin muss Fan ordentlich latzen.
Bild: Dave Chappelle bei den Grammy-Awards 2018 in New York City
Es gibt so Momente, wo man durch Zufall auf etwas stößt, über dass man seit
einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr nachgedacht hat. Ein Lied im Radio, ein
Foto in der Zeitung, ein Post auf Facebook, dass ein Freund sich für eine
Veranstaltung interessiert. „Freund XY interessiert sich also für diese
Veranstaltung: Dave Chappelle im Quatsch Comedy Club“. Zack – da waren sie:
die Bilder von der US-amerikanischen Stand-Up-Legende, die mir die größten
Lachanfälle meiner Jugend beschert haben. Etwa seine Rolle als
charismatischer Verpeilo Thurgood Jenkins in der kultigen Kifferkomödie
Half Baked (1998), die Parodien von „Superfreak“ Rick James und „Purple
Rain“-Sänger Prince aus der „Chappelle's Show“ (2003-2005) und nicht
zuletzt seine Stand-up-Auftritte, die den mittlerweile 44-Jährigen gerade
zu Beginn des neuen Jahrtausends international bekannt machten. Dabei sind
Rassenklischees, die mit einer ordentlichen Portion Selbstironie aus dem
Blickwinkel des Afroamerikaners erzählt wurden, Dreh- und Angelpunkt seines
Humors. Es war zum totlachen.
## Von der Bühne nach Afrika und wieder zurück
Mit Dave Chappelle verbindet man aber auch das plötzliche Verschwinden eben
jenes Comedians von der Bildfläche bzw. Bühne. Beim Dreh der dritten
Staffel seiner Chappelle's Show 2005 verschwand sprichwörtlich über Nacht.
In Südafrika fand er einen Rückzugssort fernab vom Showbusiness, um sich
selbst wieder zu finden, wie er später behauptete. Was man heute wohl eher
unter einem klassischen Fall von Burn-Out verbuchen würde, sorgte damals
für besonders große Schlagzeilen. Vor allem wegen einem pikanten DetaiL:
Chappelle hatte kurz zuvor einen 50 Millionen Dollar schwerenVertrag bei
seinem damaligen Arbeitgeber Comedy Central unterschrieben, der durch sein
fluchtartiges Abtauchen nichtig wurde.
Der Verzicht auf das ganz große Geld – damals wirkte das so sympathisch wie
verrückt auf mich wie auch auf viele andere. Brachte Chappelle mit seiner
Arbeit doch ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt zum Lachen. So
plötzlich wie er verschwunden war, so plötzlich saß er auf einmal bei
Talkmasterin Oprah Winfrey auf der Couch. „Ich hatte irgendwann kein gutes
Gefühl mehr bei der Arbeit, anders als früher. Ich kam mir vor, als würde
ich mich prostituieren“, sagte Chappelle nach seiner Rückkehr in die
Staaten. Nach überstandener Krise feiert er nun also sein Comeback – und
überquert erstmals auch den großen Teich. Neben dem Auftritt heute Abend in
Berlin, wird er Anfang Februar auch zweimal in London auf einer Bühne
stehen.
## 102 Euro für einen Abend mit Dave Chappelle
Im Quatsch-Comedy-Club im Friedrichstadt-Palast in Mitte finden gerade mal
300 Menschen Platz. Das ist recht überschaubar. 25 Euro, so erfahre ich auf
der Website, kostet hier durchschnittlich das Ticket. Hier, wo sonst für
gewöhnlich arrivierte Comedians und junge Stand-up-Talente auftreten, soll
nun also der erste und einzige Auftritt Chappelles in Deutschland
stattfinden.
Ich frage mich, was er sich wohl für sein deutsches Publikum vorgenommen
hat? Würde er an dem Humor festhalten, der ihn einst zum Weltstar der Szene
machte? Inwieweit würde sich seine Auszeit in Südafrika auch in seinem
Bühnenprogramm wiederfinden? Ich war gespannt, klickte auf den Link zur
Kasse. Da stand: 102 Euro, freie Platzwahl. Moment mal. 102 Euro? Ein
Fehler? Ein Irrtum? Führte der Link fälschlicherweise zum Ticketverkauf von
Elton Johns Abschiedstournee?
Nein. Kein Fehler. Kein Elton John. Alles richtig. 102 Euro. Für Dave
Chappelle im Quatsch-Comedy-Club in Mitte. Verwirrung entsteht. Der Mann,
der sich „prostituiert fühlte“ von einer Branche, vor der er deshalb über
den halben Planeten floh, der durch seine antikapitalistische Entscheidung
gegen eben jene Branche Sympathien weltweit erntete, verlangt heute, 13
Jahre später, einen dreistelligen Betrag von seinen deutschen Fans für
seine Rückkehr auf die Bühne? Ist er vielleicht abgebrannt, frage ich
Google?
## Politik zahlt sich aus
Google meint zu wissen, dass die Rückkehr Chappelles ins Showbiz gar nicht
so frisch ist, wie ich dachte. Schon seit 2013 ist Dave Chappelle wieder
vereinzelt auf den Bühnen Amerikas zu sehen. Seine Auftritte sind gleich
geblieben, so wie auch die Themen in seinem Programm. Nach wie vor dreht es
sich um Alltagsrassismus, um schwarz und weiß, um Klischees und ihr
Unterhaltungspotential. Warum auch nicht. Schließlich ist das Problem in
der Zeit seiner Abwesenheit nicht verschwunden. Im Gegenteil. Die USA haben
mit tatkräftiger Unterstützung ihres Präsidenten im vergangenen Jahr
gezeigt, dass die Problematik aktueller ist denn je.
Männer und Frauen wie Dave Chappelle, Melissa McCarthy oder Stepehen
Colbert, die auf humoristische Weise Sozialkritik üben, sind also wichtiger
denn je. Das hat auch der Streaming-Anbieter Netflix erkannt. Vier Stand-Up
Specials von Chappelle wurden seit 2015 produziert, die prompt jegliche
bisherigen Viewer-Rekorde gebrochen haben. Pro Special wurde er mit 20
Millionen Dollar vergütet. Und diesmal griff der Comedian zu, stieg nicht
zum Selbstfindungstrip in den Flieger nach Südafrika, sondern zum Job nach
Berlin. Um seine wahre Leidenschaft, dem Stand-Up zu fröhnen? Bestimmt. Um
auf das Netflix-Salär noch ein Schippchen mehr draufzulegen? Sicherlich
auch. Anders kann man sich den Eintrittspreis von 102 Euro wirklich nicht
erklären. So viel kann der Strom für das Mikrofon auf der Bühne ja nicht
kosten.
Ich werde besagtes Schippchen nicht unterstützen, zum einen weil ich es
nicht kann, zum anderen, weil ich es nicht möchte. „Das Schwierigste ist,
sich treu zu bleiben, besonders wenn alle dabei zusehen“, hat Dave
Chappelle schließlich nach seiner Rückkehr aus Afrika gesagt. Dem pflichte
ich bei. Ich bleibe mir heute Abend auch treu.
31 Jan 2018
## AUTOREN
Martin Horn
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