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> Performative Fragen zu einem Rohstoff, der die Welt am Laufen hält – und | |
> dabei auch in Aufruhr bringt. Die Costa Compagnie im Ballhaus Ost mit | |
> „The Underground Frontier“, dem 2. Teil von „Empire of Oil“ | |
Bild: Das „Empire of Oil“ mit der Costa Compagnie im Rundumblick | |
Von Julika Bickel | |
Auf Socken tritt man durch den Vorhang hindurch, setzt sich auf den lila | |
Teppich oder eines der Kissen. Der Vorhang bildet einen ovalförmigen Raum | |
und dient gleichzeitig als Leinwand. | |
Man befindet sich auf einem Schiff. Um einen herum sieht man die Weite des | |
Meeres und die Gischt, die das fahrende Schiff als Schweif im Wasser | |
hinterlässt. Drei PerformerInnen kommen hinzu, sie halten einen Vortrag | |
über die „Underground Frontier“. Sie wollen wissen, wo das Öl herkommt. S… | |
fragen: Wer besitzt das, was unter unseren Füßen liegt? Wem gehören die | |
Schätze? Man sieht Drohnenbilder von Bohrinseln, die wie gestrandete | |
Raumschiffe aussehen. Die Aufnahmen sind in Farbe getaucht, verfremdet, mal | |
sind sie pink, dann gelb, dann grün. Im nächsten Moment ist man in einer | |
zerstörten Stadt. Um einen herum stehen Ruinen von Häusern. Es erscheint | |
ein Feuer, das aus einer Gasfackel auf einem Ölfeld kommt. | |
Diese Performance feierte am Donnerstag im Ballhaus Ost Premiere: „The | |
Underground Frontier“. Das Stück ist der zweite Teil von „Empire of Oil“, | |
einem vierteiligen Rechercheprojekt der Costa Compagnie. | |
Zur Recherche ist Felix Meyer-Christian, der Gründer dieser | |
interdisziplinär arbeitenden Gruppe, nach Norwegen und in den Nordirak | |
gereist, hat mit einer 360-Grad-Kamera gefilmt und mit den Menschen vor Ort | |
gesprochen. | |
Öl und der damit zusammenhängende Klimawandel seien die derzeit größte | |
Herausforderung der Menschheit, sagt der Theatermacher. „Es gibt nichts | |
anderes, was das Leben auf dem Planeten so entscheidend beeinflussen wird, | |
wie die Veränderungen, die jetzt ausgelöst werden und die bald immer | |
stärker werden.“ | |
Es sind beeindruckende Bilder, die einen mit „The Underground Frontier“ im | |
Ballhaus Ost umschließen: Aufnahmen aus der Luft über arktischen Gewässern | |
oder mitten zwischen Menschen auf einer Straße in Mossul. Dazu ertönen lang | |
anhaltende, dunkle Klänge, die einen noch stärker in die Umgebung | |
hineinziehen. Manchmal wirkt dieses immersive Bühnengeschehen bedrohlich, | |
dann wieder mystisch, gar magisch. | |
Die Trennung zwischen Bühne und Publikum ist komplett aufgelöst. Die drei | |
PerformerInnen gehen zwischen den sitzenden ZuschauerInnen umher, während | |
sie ihren Vortrag auf Deutsch und Englisch halten. Ihr Auftritt hat etwas | |
Komisches an sich, weil er so gewollt eingeprobt wirkt: der auswendig | |
gelernte Text, die einstudierte Dramatik, das höfliche Lächeln, wie das | |
Mikrofon nach einer kleinen Tanzeinlage wie zufällig am richtigen Ort | |
liegt. | |
Dazwischen folgen abstrakte und langwierige Gedankenströme aus dem Off in | |
indirekter Rede, denen man nicht immer folgen kann. Die Passagen | |
verdeutlichen aber auch die Komplexität der Zusammenhänge. „Das Thema ist | |
so unglaublich ungreifbar“, sagt Meyer-Christian. Unsere Gleichgültigkeit | |
gegenüber dem Klimawandel beruhe darauf, dass wir nicht sehen, wo das Öl | |
herkommt und wo es hinführt. | |
Mit konkreten Szenarien und Menschen will er das Thema in seiner | |
Performance sichtbar machen. Die Rundumaufnahmen ermöglichen eine größere | |
Autonomie des Blicks. Man kann sich umschauen, die Distanz wird verringert. | |
Nach einem 360-Grad-Video-Essay (das vergangenen November Premiere im | |
Ballhaus Ost hatte) und diesem zweiten, textbasierten Teil des | |
Rechercheprojekts sollen im Mai noch eine Tanzperformance, die sich dem | |
Thema auf rein körperlicher Ebene widmet, und ein dann online gestellter | |
Virtual-Reality-Film folgen. So werden die Filmaufnahmen sowie die | |
dokumentierten Performances für Menschen auf der ganzen Welt erlebbar. | |
Norwegen und Nordirak sind zwei Regionen mit großen Ölressourcen – der | |
einen hat es Wohlstand und sozialstaatlichen Frieden beschert, der anderen | |
Krieg und Flucht. In Mossul und Kirkuk war Meyer-Christian im September | |
2017 zur Zeit des kurdischen Referendums, das stark mit der Hoffnung auf | |
Gewinne aus dem Ölgeschäft verbunden war. | |
Vor Ort interviewte er Ölbohrer, Manager, Politiker, Journalisten und | |
Greenpeace-Aktivisten. Die InterviewpartnerInnen erscheinen in der | |
Performance groß auf dem Vorhang und schauen einen stumm an, während die | |
PerformerInnen sie in indirekter Rede zitieren. | |
Die Aussagen werden als Song von einem Performer wiederholt. Er spielt | |
Keyboard und singt durch ein Mikro, das seine Stimme elektronisch verzerrt: | |
„They are looking at you / killer whales, killer whales / what is this?“ | |
und „You can like or dislike oil and gas / you become a prostitute / you do | |
what you do for the money.“ | |
Norwegen ist der nach Russland wichtigste Öl- und Gaslieferant | |
Deutschlands. Für Meyer-Christian ist das skandinavische Land der Inbegriff | |
der westlichen, heuchlerischen Lebensweise. Selbst setzt das Land stark auf | |
erneuerbare Energien, macht jedoch viel Profit, indem es Öl ins Ausland | |
verkauft. | |
Wie stark unser Konsumverhalten mit dem Klimawandel zusammenhänge, sei ihm | |
vor der Recherche nicht bewusst gewesen. Es gibt nicht den einen | |
Verantwortlichen, sagt Meyer-Christian. „Wir sind alle Verursacher und | |
zukünftige Betroffene gleichzeitig.“ | |
Am Ende der Performance sollen sich alle mit geschlossenen Augen auf den | |
Boden legen. Es ist ein Experiment, so die drei Vortragenden. Sie schicken | |
einen auf eine emotionale Gedankenreise. Zusammen mit einer einem | |
nahestehenden Person soll man sich auf die Flucht begeben. Und alles steht | |
unter Wasser. | |
Empire of Oil – Part 2: The Underground Frontier: Ballhaus Ost, Pappelallee | |
15, Samstag, 20.30 Uhr. Part 1 ist um 18 Uhr zu sehen | |
3 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Julika Bickel | |
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