# taz.de -- Militäroffensive in Afrin: Wer Frieden sagt, wird verfolgt | |
> Zahlreiche Menschen, die in den sozialen Medien kritische Stimmen über | |
> die türkische Militäroffensive geteilt haben, wurden festgenommen. | |
Bild: Beobachten, was hinter der Grenze passiert: Der Blick auf Afrin von der t… | |
In der Nacht zum Dienstag wurden in Ankara acht Personen im Zusammenhang | |
mit der Militäroffensive in Afrin festgenommen. Unter den Festgenommenen | |
sind die beiden Journalisten Sibel Hürtaş, die Ankara-Korrespondentin des | |
TV-Senders Artı Gerçek ist, und der Journalist Hayri Demir, der für die | |
Mezopotamya Ajansı und taz.gazete arbeitet. Beiden wird vorgeworfen, | |
Terrorpropaganda und Volksverhetzung betrieben zu haben. Beide wurden auf | |
die Polizeiwache der Antiterror-Einheit in Ankara gebracht. | |
Zuvor waren ihre Wohnungen gestürmt und durchsucht worden. Dabei wurden im | |
Fall von Demir Texte als „Beweise“ beschlagnahmt, darunter ein Interview | |
mit der ehemaligen Co-Vorsitzenden der HDP, Figen Yüksekdağ. Demirs | |
Anwältin Ceren Şimşek hat bislang keinen Kontakt zu seinem Mandanten. Sie | |
hofft, bald die Erlaubnis zu erhalten, ihn zu sehen. | |
Hayri Demir hatte auf Twitter Beobachter der Militäroperation in Afrin | |
wiedergegeben, die von den Informationen der Regierung [1][abwichen]. Sibel | |
Hürtaş hatte Interviews geteilt, die sie mit einem [2][Abgeordneten der | |
HDP] und einem ehemaligen [3][AKP-Abgeordneten] gemacht hatte, die sich | |
offen gegen den Krieg in Afrin aussprachen und die Regierung kritisierten. | |
Demir und Hürtaş sind immer noch in Untersuchungshaft. Die Anwältin Ceren | |
Şimşek konnte sie am Dienstag besuchen und fand sie in gutem Zustand. Ihre | |
Daten aus den Handys und Laptops würden untersucht werden. Aufgrund des | |
Ausnahmezustands können beide theoretisch bis zu 14 Tagen festgehalten | |
werden. Das Ziel der Festnahme, so die Anwältin, sei es, Angst zu | |
verbreiten. | |
## 15-Punkte-Plan für Journalisten | |
Der Außenminister Mevlüt Cavuşoğlu hatte am Sonntag gesagt, dass jeder, der | |
gegen die türkische Afrin-Offensive ausspricht, Terroristen unterstütze. | |
Zuvor hatte die türkische Regierung einen „15-Punkte-Plan“ dazu | |
vorgestellt, wie Journalisten über die „Operation Olivenzweig“ berichten | |
sollen. Unter anderem solle klargestellt werden, dass sich die | |
Militäroffensive „allein gegen Terrororganisationen“ richte. Es solle in | |
den Vordergrund gestellt werden, dass das Militär darauf achte, Zivilisten | |
bei den Angriffen zu schützen. Außerdem mahnt das Papier zur Vorsicht bei | |
gegen die Türkei gerichteten Berichten von ausländischen | |
Nachrichtenquellen, insbesondere bei Quellen der kurdischen Milizen und des | |
sogenannten „Islamischen Staats“ (IS). | |
Es sollten keine Nachrichten verbreitet werden, die die „Moral der PKK/PYD“ | |
erhöhen könnten. Um über die Operation „wahre“ Auskünfte zu bekommen, s… | |
die Zuständigen aus Regierung und der AKP stellvertretender | |
Ministerpräsident Bekir Bozdağ und der Regierungssprecher Mahir Ünal zu | |
kontaktieren. Außerdem seien Berichte ausländischer Medien nicht im | |
Wortlaut zu übernehmen, da die ausländischen Medien sehr viele Kontakte zur | |
PKK/PYD hätten, allen voran europäische und US-Medien, die falsche | |
Nachrichten verbreiten würden. | |
Laut dem türkischen Innenminister wurden seit Beginn der Offensive 24 | |
Personen wegen „Terrorpropaganda“ festgenommen, die sie in sozialen Medien | |
mit Bezug auf die „Operation Olivenzweig“ verbreitet hätten. Die | |
Staatsanwaltschaft erklärte, dass in 57 Fällen Ermittlungen laufen würden. | |
Regierungstreue Medien behaupten, die Ermittlungen würden im größeren | |
Rahmen stattfinden und dass gegen über 300 Leute Ermittlungen laufen | |
würden. Laut der oppositionellen Tageszeitung Cumhuriyet ist die Zahl der | |
Festgenommenen allerdings höher. Sie beziffert sie mit mindestens 50 | |
Personen. Unter den Festgenommenen befinden sich auch Mitglieder der | |
Oppositionspartei HDP und des Menschenrechtsvereins İHD. | |
## „Ist es ein Verbrechen, gegen Krieg zu sein?“ | |
Bereits Sonntagnacht wurde die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin | |
Nurcan Baysal in Diyarbakır festgenommen, der Journalist İdris Yılmaz in | |
Van, und der Journalist İshak Karataş in İstanbul. Auch das Haus von İsmail | |
Eskin, ebenfalls ein Autor der taz.gazete, der in Deutschland als | |
politischer Flüchtling lebt, wurde von einer Polizeieinheit gestürmt. Laut | |
Eskin wurde auch seine Familie in der Türkei bedroht, der man gesagt habe, | |
dass sie in Gefahr seien, wenn er nicht aufhöre, über Afrin zu reden. | |
Die HDP-Abgeordnete Meral Danış Beştaş hatte am Montag im Parlament | |
öffentlich den Ministerpräsidenten Binali Yıldırım gefragt: „Ist es ein | |
Verbrechen, gegen den Krieg zu sein?“, und nach der genauen Gründen und der | |
Zahl der Festgenommen gefragt. Der Istanbuler CHP-Abgeordnete Barış | |
Yarkadaş sagte: „Journalisten sind überall auf der Welt gegen Krieg. Sie | |
müssen nicht gleich denken wie Politiker. Die AKP will, dass alle so denken | |
wie die Partei, aber sie sollte begreifen, dass das unmöglich ist und die | |
Journalisten in Ruhe lassen.“ | |
23 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/HayriDemir_/status/954360690965385217 | |
[2] https://twitter.com/ArtiTV_/status/955443206686167040 | |
[3] https://twitter.com/ArtiTV_/status/955066055965192192 | |
## AUTOREN | |
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