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# taz.de -- Affen und Menschen im Abgasnebel
> Ein Institut der deutschen Autoindustrie hat fragwürdige Versuche
> beauftragt. Die betroffene Uniklinik in Aachen dementiert einen
> Zusammenhang mit dem Dieselskandal
Bild: Da drin lauert der Skandal: ein VW Tiguan
Von Richard Rother und Tanja Tricarico
10 Affen und 25 Menschen katapultieren den Abgasskandal zurück in die
Schlagzeilen: Es geht um wissenschaftliche Versuche, die die Folgen der
Schadstoffbelastung messen sollen, finanziert von der Autolobby. Das
Entsetzen ist groß, weltweit ist von Affen- und Menschenversuchen die Rede.
Ein Grund für den Aufschrei ist eine Studie der Uniklinik RWTH Aachen. Das
dortige Institut für Arbeits- und Sozialmedizin hat zwischen 2013 und 2014
untersucht, welchen Einfluss Stickstoffdioxid auf den Menschen hat, wenn er
oder sie dieses Reizgases in einer bestimmten Konzentration ausgesetzt ist,
wie die Stuttgarter Zeitung als Erstes berichtete. Laut Uniklinik diente
die Studie dazu, Erkenntnisse über die Sicherheit am Arbeitsplatz zu
gewinnen, zum Beispiel für Lkw-Fahrer, für Kfz-Mechaniker oder Schweißer.
25 gesunde Probanden wurden drei Stunden lang Stickstoffdioxid konzentriert
ausgesetzt. Laut Uni lag der Wert bei maximal 1,5 ppm (parts per million)
NO2. Dies entsprach 30 Prozent des bis 2009 zulässigen Höchstwerts oder dem
Dreifachen des heute zulässigen Höchstwerts. Die Ethikkommission der
Uniklinik hatte das Verfahren zuvor genehmigt.
Finanziert wurde die Studie von der Europäischen Forschungsvereinigung für
Umwelt und Gesundheit im Transportsektor – kurz EUGT. Dabei handelt es sich
um eine 2007 gegründeten Initiative von VW, BMW, Daimler und Bosch. Die
EUGT gibt es seit Sommer 2017 nicht mehr, alle drei Gründungsfirmen sind
aber bekanntlich in den Dieselskandal verstrickt.
Das Uni-Klinikum weist einen Zusammenhang mit den manipulierten Abgaswerten
zurück. Schließlich sei die Studie lange vor dem Dieselskandal in Auftrag
gegeben worden. Für haltlos hält die Uni auch Aussagen zu den
„Menschenversuchen“. Die Stickoxid-Belastungen, denen die Versuchspersonen
ausgesetzt waren, hätte „deutlich unter den Konzentrationen, wie sie an
vielen Arbeitsplätzen in Deutschland auftreten“, gelegen. Kein Mensch sei
zu Schaden gekommen.
Auch mit der US-Affenstudie habe die Erhebung nichts zu tun. Am Wochenende
war in Deutschland durch US-Medienberichte bekannt geworden, dass das
Lobby-Institut EUGT im Jahr 2014 in Albuquerque im US-Bundesstaat
Neu-Mexiko Versuche an Affen vorgenommen hatte. Damit wollte insbesondere
VW beweisen, wie unschädlich Abgase moderner Dieselmotoren seien. Zehn
Affen mussten stundenlang Abgase einatmen.
Neben einem alten Ford aus dem Modelljahr 1999 wurde ein neuer VW-Beetle
eingesetzt, der allerdings über eine manipulierte Abgasreinigungssoftware
verfügte. Die Affen haben also offensichtlich gereinigte Abgase eingeatmet,
während die Betrugssoftware des Beetle beim normalen Fahren auf der Straße
die Abgasreinigung herunterfuhr. Der Leiter des Testlabors in Albuquerque,
Jake McDonald, ist noch heute sauer. „Ich komme mir vor wie ein Dummkopf“,
sagte er laut New York Times den Ermittlern im Dieselskandal.
VW hatte im Jahr 2015 eingeräumt, in den USA eine illegale Software zur
Abgasreinigung von Dieselautos eingesetzt zu haben. Sie sorgte dafür, dass
die Autos Abgase während offizieller Tests reinigten, im normalen Betrieb
auf der Straße aber wurde darauf aus Kostengründen weitgehend verzichtet.
Während die Behörden in den USA diesen Skandal schonungslos aufklären, üben
sich Behörden und Politik in Deutschland in Beschwichtigung. Das wurde auch
im Abgasuntersuchungsausschuss des Bundestages deutlich, in dem die Union
und SPD einen Experten zu Rate zogen, der laut Lobbycontrol schon lange für
seine Verbindungen zur Industrie bekannt ist: Helmut Greim. Professor
Greim, der auch im EUGT-Beirat saß, schätzte demnach die
Gesundheitsauswirkungen von Dieselemissionen als „unbedenklich“ ein.
Die Reaktionen auf die Affen- und Menschenversuche ließen jetzt nicht lange
auf sich warten. Am Montag verurteilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
die Versuche. „Diese Tests an Affen oder sogar Menschen sind ethisch in
keiner Weise zu rechtfertigen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Die Autokonzerne hätten Schadstoffemissionen zu begrenzen und Grenzwerte
einzuhalten und nicht die vermeintliche Unschädlichkeit von Abgasen zu
beweisen.
Auch der Verband der Automobilindustrie distanzierte sich. „Technik und
Wissenschaft müssen sich grundsätzlich im Rahmen des gesellschaftlich und
ethisch Verantwortbaren bewegen“, sagte Verbandschef Matthias Wissmann.
Diese Balance zu halten sei eine ständige Aufgabe für jede Industrie. „Ohne
ethisches Fundament gewinnt man keine Zukunft.“
Wie die Autokonzerne sind auch andere Unternehmen an genehmen
Forschungsergebnissen interessiert. Die Tabakindustrie ließ in den 1990er
Jahren Studien zu den Folgen des Passivrauchens erstellen. Heute werden
Erhebungen etwa zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Konsums von
Tabakerhitzern in Auftrag gegeben.
Für die Umsetzung von Versuchen gibt es allerdings klare Regeln. „Die
lokalen Ethikkommissionen an den Forschungseinrichtungen entscheiden, ob
eine Studie mit Probanden ethisch vertretbar ist“, sagt Ute Mons vom
Deutschen Krebsforschungszentrum. Würden die Ergebnisse in Fachblättern
veröffentlicht, müsse offengelegt werden, wer den Auftrag finanziert habe.
Trotzdem würden auch Interessenkonflikte verschleiert. Zum Beispiel, wenn
nicht dargelegt werde, dass Wissenschaftler von Unternehmen
Vortragshonorare oder Reisekostenerstattung erhalten.
30 Jan 2018
## AUTOREN
Richard Rother
Tanja Tricarico
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