# taz.de -- Nachruf auf Dolores O’Riordan: „In your head, in your head“ | |
> Die Sängerin der Band The Cranberries ist im Alter von 46 Jahren | |
> gestorben. Die Anklage des Nordirland-Konflikts in „Zombie“ wird bleiben. | |
Bild: Der Hit führte 1994 die Charts an, selbst in Deutschland war er 27 Woche… | |
Wer sich mit der Popmusik der Neunziger befasst, stolpert früher oder | |
später über dieses Video. Zeitlupenaufnahmen spielender Kinder, | |
patrouillierende Soldaten in Schwarz-Weiß. Und dann: eine Frau in Goldlack, | |
umgeben von betenden Jungen mit Dornenkronen. Dass der Song „Zombie“ eine | |
politische Botschaft enthielt und es sich bei den im Titel adressierten | |
Untoten nur um machtversessene Politiker handeln konnte, musste jedem klar | |
sein, der das Video im Herbst 1994 sah. | |
The Cranberries hieß die Band, 1989 von den Brüdern Mike und Noel Hogan im | |
irischen Limerick gegründet. Als ihnen der Leadsänger abhandenkam, setzten | |
sie eine Anzeige auf: „Sängerin gesucht“. Musste es eine Frau sein, weil | |
eine andere Irin, Sinéad O’Connor, gerade weltweit mit ihrem Prince-Cover | |
„Nothing Compares 2 U“ durch die Decke ging? Die Hogan-Brüder taten | |
jedenfalls gut daran, Dolores O’Riordan den Zuschlag zu geben. | |
Die 18-Jährige, das jüngste von sieben Kindern, hatte in Kirchenchören und | |
Kneipen gesungen, bevor sie zur Band stieß, die damals noch den dadaistisch | |
anmutenden Namen The Cranberry Saw Us trug. Als Songwriterin sollte | |
O’Riordan den richtigen Hit-Instinkt in einer bis dato von Britpop und | |
Grunge geprägten Dekade beweisen. | |
Subtilität war nicht die Sache der am 6. September 1971 geborenen Sängerin, | |
dafür verfügte sie über eine Sensibilität, von der neben dem Refrain von | |
„Zombie“ ihre Songtitel wie „I Can’t Be With You“ zeugten. | |
Für die ersten beiden Alben von 1993 und 1994 verpasste | |
The-Smiths-Produzent Stephen Street den Cranberries einen luftigen, | |
halbakustischen Sound, der eine neue Emotionalität in den Pop brachte. | |
Alanis Morissette, Sixpence None The Richer und The Cardigans hießen die | |
Künstler, die im Fahrwasser der vier Iren mit weiblichem Gesang und nie zu | |
harten Rockgitarren die Charts eroberten – und dabei das Kunststück | |
vollbrachten, als Indie-Band zu gelten. | |
Ab 1996 ließ der Erfolg der Cranberries nach, zudem setzten O’Riordan | |
Todesfälle in der Familie und ihre Pflichten als Mutter zu. Im Jahr 2003 | |
brach die Band Sessions für ein sechstes Album ab und löste sich auf. Mit | |
ihren in den Nullerjahren veröffentlichten Soloalben zeigte sich O’Riordan | |
ungewohnt offen, verarbeitete die Band-Erlebnisse, aber auch ihre | |
Religiosität. Bombastischem Katholiken-Kitsch war sie nicht abgeneigt: Ihr | |
„Ave Maria“-Duett mit Startenor Luciano Pavarotti zugunsten von | |
Bosnien-Kriegsopfern im Jahr 1995 bezeichnete sie stets als Höhepunkt ihrer | |
Karriere. | |
Auf das Cranberries-Comeback im Jahr 2012 folgte eine Platte mit Akustik- | |
und Orchesterversionen alter Hits. „Something Else“ war das letzte | |
Cranberries-Album, das zu Lebzeiten von O’Riordan erschien. Am 15. Januar | |
ist die Sängerin mit der prägnanten Sopran-Stimme in London aus noch | |
unbekannten Gründen gestorben. | |
Erinnern wird man sich an Dolores O’Riordan vor allem wegen ihrer Anklage | |
gegen den blutigen Nordirland-Konflikt: „Zombie“. Der Song mit den für | |
Cranberries-Verhältnisse ungewohnt harschen E-Gitarren kam in etlichen | |
Ländern auf Nummer eins, allein in Deutschland führte er 27 Wochen lang die | |
Charts an. Die prägnanteste Zeile daraus spiegelt womöglich auch den | |
Geistes-zustand seiner Interpretin wider, der vor einigen Jahren eine | |
bipolare Störung attestiert wurde. O’Riordan wiederholt die Worte wieder | |
und wieder, und dabei schreit sie beinahe: „In your head, in your head“. | |
16 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Jan Paersch | |
## TAGS | |
Nordirland | |
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