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# taz.de -- Philipp FritzAusgehen und rumstehen: Rotes Fleischals Lebensphase
Die Jugend trinkt O-Saft, isst Weißbrot und jede Menge Käse. Die
Lebensmitte vor allem rotes Fleisch und die letzten Jahre sind Räucherfisch
und Schwarztee. So zumindest sieht es die Fotografin Katherina Belkina.
Weil mir diese Vorstellung gefällt, sitze ich am Freitagabend in der U-Bahn
nach Wilmersdorf. Dort nämlich wird in der Galerie Z22 gerade das
Leben-Triptychon der Russin aufgehängt, dazu auch noch Arbeiten anderer
Fotografen unter dem Titel „Professional Photography Challenge“.
Ich bin in Begleitung von Katarzyna. Wir mochten uns einmal sehr, lebten
vier Jahre zusammen in einer kleinen Wohnung in Kreuzberg. Am Eingang
werden wir begrüßt von Frank Massholder. In Berlin dürfte es keinen
fürsorglicheren Galeristen geben. Er reicht Bier und Wein und Oliven.
Endlich, denke ich mir. Und schon legt er los. Massholder ist ein gut
geöltes Kulturgeschütz. Nicht nur zeigt er uns die Fotografien von Yener
Torun, bunte Häuserfassaden, geometrische Farbenspiele vor blauem
Himmelsgrund, er holt noch weiter aus, erzählt persönliche Geschichten
seiner Berliner Jahre, von 1981 bis heute und wieder zurück.
Es wird gelacht und neugierig nachgefragt. Kunst kann so einfach sein, wie
Fahrradfahren. Katarzyna sagt wenig, aber immer genau das Richtige. Ihren
weichen, eigenen Akzent, irgendwo zwischen Holländisch und Westslawisch,
hat sie immer noch, wie damals. Sie geht auf Zehenspitzen von Bild zu Bild,
als hätte sie hochhackige Schuhe an. Natürlich trägt sie keine, das wäre
jetzt nicht sie,sagt sie. Sie wolle es gemütlich haben. Unmerklich
schleichen ihr andere Gäste nach. Ich will mir eine anzünden, biege in
einen Nebenraum ab. Dort steht Hardy Brackmann. So heißen in Deutschland
nur Hamburger. Und tatsächlich ist Brackmann, Massholders Kollege, gerade
mit dem Zug von Norden her gekommen. Er pendelt. Viel zu tun. Die
Sammelausstellung, die noch bis zum 17. Februar läuft, war ein hartes Stück
Arbeit. Zehn Fotografen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum
sein könnten, haben die beiden zusammengebracht. Gemein haben sie dann aber
doch etwas: Alle Bilder sind inszeniert, kunstvoll choreografiert, nicht
spontan. Und schon macht das Ganze Sinn.
Er sei froh, sagt Brackmann, dass es geschafft sei, und er freue sich auf
die Eröffnung. Er selbst möchte nicht rauchen, lobt aber den kleinen
Innenhof, der zum Rauchen, auch bei diesen winterlichen Temperaturen,
vortrefflich geeignet sei.
Schön, dass ich Katarzyna mit Zigaretten immer noch ärgern kann. „Das ist
nicht gut für dich“, sagt sie streng, als ich in die Galerie zurückkomme.
Ich nicke und lächle. Wir stehen vor dem zweiten Lebensdrittel, dem roten
Fleisch von Katherina Belkina. Links Rind, rechts Schwein, dahinter eine
Karaffe Rotwein und ein Metzger mit einer weißen, unbefleckten Schürze, der
uns das ganze Zeug mit einer Handgeste anbietet. Ich frage mich, ob
Belkinas Phasen auch für eine Beziehung gelten können und wann unsere wohl
zu Ende gegangen sei. Etwa als alles noch kräftig, eisenhaltig und
aufregend war? Also eigentlich grundlos, aus einer Dummheit heraus? Oder
waren wir schon der Räucherfisch? Blutleer und etwas muffig?
Sie habe nun alles gesehen, sagt Katarzyna. Vor der Tür, als wir in unsere
dicken Jacken gehüllt sind, hakt sie sich unter. „Mir ist kalt, komm lass
uns zu dir fahren“, nuschelt sie. Davon, dass ich mich gefragt habe, wann
es mit uns zu Ende gegangen ist, erzähle ich ihr nicht. Denn wenn es
wirklich zu Ende ist, dann weiß man es einfach. Sonst eben nicht.
16 Jan 2018
## AUTOREN
Philipp Fritz
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