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# taz.de -- Türkische Journalisten weiter in Haft: Richter ignorieren Urteil
> Am Donnerstag entschied das türkische Verfassungsgericht, zwei
> Journalisten aus der U-Haft zu entlassen. Doch lokale Strafgerichte
> weigerten sich.
Bild: Kundgebung für Pressefreiheit in Berlin, Archivbild
Ankara taz | Das türkische Verfassungsgericht in Ankara [1][urteilte am
Donnerstag], dass die lange Untersuchungshaft des Autoren Mehmet Altan und
des Journalisten Şahin Alpay einen Rechtsverstoß darstelle, und ordnete
ihre Freilassung an. Beide sind seit rund anderthalb Jahren inhaftiert und
hatten beim Verfassungsgericht Beschwerde darüber eingereicht. Die oberste
Instanz der türkischen Rechtsprechung sah in der langen Untersuchungshaft
nun einen „Rechtsverstoß“, was die Freilassung der inhaftierten
Journalisten zur Folge haben müsste.
Außer Zeitungskolumnen und Äußerungen im Fernsehen lägen keine
hinreichenden Beweise zur Stärkung des Tatverdachts gegen die beiden
Inhaftierten vor. „Die Verhaftung von Personen, ohne dass außer Texten und
Reden konkrete Beweise vorliegen, kann unzweifelhaft abschreckende Wirkung
auf Meinungs- und Pressefreiheit haben“, heißt es im Urteil des
Verfassungsgerichts über die Journalisten, denen eine „Verbindung zu
terroristischen Organisationen“ und eine „Beteiligung am Putschversuch“
vorgeworfen wird.
Doch die nun von Angehörigen und Beobachtern erwartete Freilassung am
Donnerstagabend fand nicht statt. Die beiden Strafgerichte in Istanbul, die
für die beiden Inhaftierten zuständig sind, weigerten sich, das Urteil des
obersten Gerichts umzusetzen. Zur Begründung führten sie an, Urteil und
Begründung des Verfassungsgerichts seien ihnen nicht zugestellt worden.
Diese waren allerdings seit Donnerstagnachmittag auf der offiziellen
Website des Verfassungsgerichts einzusehen.
Altans Anwalt Veysel Ok, der auch den inhaftierten Türkei-Korrespondenten
der Welt, Deniz Yücel, verteidigt, kritisiert diesen Schritt: „Die
Gerichte, die der Entscheidung nicht entsprachen, handeln
verfassungswidrig. Mit diesem Urteil haben die lokalen Gerichte das
Rechtssystem erschüttert“, sagt er. Es gebe keinen Weg hinter die
Entscheidung des Verfassungsgerichts zurück. Die Gerichte seien
verpflichtet, das Urteil zu befolgen. Der stellvertretende
Ministerpräsident Bekir Bozdağ bestärkte hingegen das Vorgehen der
untergeordneten Gerichte. Das Verfassungsgericht habe mit diesem Urteil
seine gesetzlich festgelegte Kompetenz überschritten, erklärte er am
Freitag auf Twitter. Das oberste Gericht könne in individuellen Fällen
nicht wie ein „Superberufungsgericht“ agieren.
## Der Fall Deniz Yücel
Auch wenn das Verfassungsgerichtsurteil Präzedenzcharakter haben könnte,
ist ungewiss, wie es sich auf die Fälle von anderen Journalisten mit langen
Untersuchungshaftzeiten auswirken wird. Der seit dem 14. Februar 2017
inhaftierte Deniz Yücel hatte am 9. März Beschwerde beim Verfassungsgericht
eingereicht. Veysel Ok erklärt, das aktuelle Urteil bestätige, dass niemand
aufgrund seiner Berichterstattung inhaftiert werden dürfe. Trotz des
Vorgehens der Istanbuler Gerichte ist er sich sicher, dass „die
Entscheidung des Verfassungsgerichts für Deniz Yücel und alle inhaftierten
Journalisten nach wie vor richtungsweisend sein kann“.
Am Dienstag läuft die Frist für die Antwort von Yücels Anwälte ab. Das
höchste Gericht muss dann entscheiden, ob Yücel weiter in Untersuchungshaft
bleiben muss oder freigelassen wird. Professor Yaman Akdeniz von der
Bilgi-Universität Istanbul mahnt zur Vorsicht. „Diese Urteile beziehen sich
erst einmal auf die jeweiligen Beschwerdeführer“, meint er und fordert das
Verfassungsgericht auf, die Beschwerden anderer inhaftierter Journalisten
zu bescheiden.
Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe
12 Jan 2018
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## AUTOREN
Çınar Özer
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Schwerpunkt Türkei
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